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Neuer Patriotismus

Hallo Gaius,

Gaius schrieb:
Die USA "exportieren" keine Gesetze nach Europa, wie sollten sie das denn, rein formal betrachtet, bewerkstelligen? Die allgemeine Gesetzgebung - auch falls sie von den europäischen Verfassungen garantierte Freiheitsrechte einschränken sollte - kriegen wir Europäer schon noch ganz alleine hin (wir sind ja schließlich auch viel älter als die USA, mithin ganz bestimmt schon volljährig:morgen:.)

Roms Gesetze kommen halt auch immer in die Provinzen. Beispiele? Patriot Act, Decency Act <-> TKÜV, Digital Millenium Act <-> Novelle des Urheberrechts.

Ist das eine Verschwörungstheorie? Ich glaube nicht.

Gruß,
lazpel
 
Zuletzt bearbeitet:
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Hallo Scilla,

nun, die Printausgabe des SPIEGEL lese ich aus besagten Gründen nicht mehr (SPIEGEL online schon), Fernsehen tue ich mir schon seit 15 Jahren nicht mehr an, ist mir zu pervers, und das Radio bleibt auch aus.
der Vorteil der Ausländer ist,
daß sie ganz genau wissen,
daß ihr Land keine Demokratie ist,
daß es Korruption gibt
und daß man in seinem Leben die Gelegenheit, wohlhabend zu werden,
unbedingt nutzen sollte

ich selbst will es für Deutschland nicht glauben,
und bin in merkantiler Hinsicht eher gehemmt
Hm. Gehörst Du etwa auch zu jenen Alt-Westdeutschen, die in der Schule die Notwendigkeit kritischen Hinterfragens eingebleut bekommen haben und dann "draußen" feststellen mußten, daß das in diesem Land die falsche Lebensstrategie ist? Möglich, daß gerade deswegen so viele Akademiker "frei herumlaufen", statt in Lohn und Brot zu sein, und der allgemeine Niveauverlust in dieser Gesellschaft damit zu tun hat. Möglich auch, daß es uns einfach viel zu gut geht: wir haben alles, was man sich kaufen kann und mehr, wir sind satt, selbst wenn wir von der Sozi leben müßten - aber eine sinnvolle Aufgabe, einen Platz in der Gesellschaft, eine Lebensherausforderung sehen viele, viel zu viele für sich nicht.

Deswegen sind Einwanderer noch lange nicht per se die besseren Menschen, und man sein Land auch lustvoll kritisieren, ohne zugleich die andersartige Kultur von Ausländern bzw. Immigranten zu romantisieren - erst recht, wenn sich da repressive Strukturen beobachten lassen. Oder kommen die jetzt in D wieder groß in Mode?
... provokant gesprochen,
sollte der Trennung von Staat und Kirche
die Trennung von Staat und Politik folgen
Das wär doch mal was. Der Staat regiert, und die Politik tut das, was sie mehr oder weniger die ganze Zeit schon tut, und was wir in den Internetforen auch die ganze Zeit tun: uns macht- und ergebnislos die Köpfe heißreden. Was für eine Vergeudung von Ressourcen der Intelligenz!

Komplex Familie:
aus biologischer Sicht ist es besser,
verheiratet zu werden und sich auf den Partner einlassen zu müssen,
als gar keinen dauerhaften Partner finden
und verhaltensgestörte Kinder großzuziehen
Gut, das biologistische Argument zieht bei mir nicht. Es ist schon viel gewonnen, wenn ein Paar sich von vornherein bewußt ist, daß Kinder zu haben Verantwortung FÜR ANDERE bedeutet und daß man sich bei Konflikten zusammenrauft, gemeinsam durch dick und dünn geht und am Ende seines Lebens auf eine langjährige Partnerschaft zurückblicken kann; die Kinder werden es einem ebenso danken. Wer sich beim dritten Krach schon wieder trennt, kann gar nicht ermessen, was eine erfüllte Partnerschaft überhaupt bedeutet. Ach, was bin ich naiv und idealistisch... trotzdem kein Punkt pro Zwangsheirat, das Problem läßt sich sicher auch anders lösen. - Irgendeine niedersächsische Kleinstadt hat doch die Probe aufs Exempel gemacht und auf eigene Faust so viele Plätze zur Kinderbetreuung eingerichtet, wie tatsächlich nötig sind - und siehe da, die Geburtenrate schnellte schlagartig in die Höhe.

Mit dem Wort "Stamm" kann ich ebenso nicht viel anfangen (das Wort "Gemarkung" habe ich ja nun schon von Dir gelernt und einmal ausprobiert - fühlt sich für mich ungewohnt an) - meinst Du den Volksstamm oder den Familienstamm? Bei ersterem bin ich mir keiner Untreue bewußt, und meine Sippe ist nun mal bis aufs Blut zerstritten, kann ich wenig für. Lebst Du denn auch ordentlich in einer intakten Großfamilie, wie es sich gehört ;)?
 
Hallo faro,
Lieber Herr Gaius,
Och bitte nicht so förmlich, und das "Du" tut's meinetwegen auch (ich bleibe aber in diesem Beitrag erstmal aus kultivierter Höflichkeit beim "Sie", schließlich weiß ich ja nicht, ob Sie sich mit mir überhaupt duzen möchten.)

Ja, das Kopftuchbeispiel war schlecht formuliert. Es muß richtiger heißen: mit neun Jahren wurde der zukünftige Ehepartner des Mädchens bestimmt, aus diesem Anlaß mußte sie das Kopftuch anlegen, mit vierzehn findet dann die Eheschließung statt. Diese "Randerscheinung" ist so selten nicht, wie ich zuverlässig von Bekannten weiß, die mit türkischen Kindern und Jugendlichen arbeiten; außerdem nehmen die Konflikte innerhalb der türkischstämmigen Bevölkerung in D zu. Gerade assimilierte Türken werden zunehmend diskriminiert: "Du benimmst Dich ja wie so'n Scheiß-Deutscher.

Na, meinetwegen auch Kopftuch, geht mich ja sozusagen nichts an, was andere Leute so machen. Beim Kopftuch im öffentlichen Raum frage ich mich nur, ob die deutsche Gesetzgebung Dinge gestatten muß, die in der laizistischen Türkei nicht erlaubt sind, und dazu gehört das Kopftuch in der Schule für Lehrerinnen wie für Schülerinnen.
ihre maxime kann nicht die eines anderen sein, oder nicht?
Stimmt genau, deren Maxime kann nicht die meinige sein, die da freie Selbstbestimmung des Individuums, gelöst von kulturellen Zwängen lautet.

Sie fragen, wie ich Kultur definieren würde:
"Kultur" beginnt für mich da, wo der erste Laut mit Bedeutung versehen ausgestoßen wird, wo der erste Stein als Werkzeug eingesetzt wird, wo die erste Pflanze bewußt zum Verzehr angebaut wird. "Zivilisation" beginnt für mich viel später, wo sich eine Gesellschaft ihrer Regeln bewußt wird und aus diesem Bewußtsein heraus diese Regeln zu verändern beginnt. Ich weiß, da gibt es viele anderslautende Definitionen, können wir lange drüber diskutieren.

So gesehen wäre eine Gesellschaft, die bereit ist, ihre Grundsätze zu befragen und ggf. zu verändern, zivilisierter als eine, die starr an tradierten Normen festhält oder von einer herrschenden Clique dazu gezwungen wird - um das einmal vorsichtig auszudrücken.

Freundlicher Gruß, Gaius
 
Hallo lazpel,
Roms Gesetze kommen halt auch immer in die Provinzen. ... Ist das eine Verschwörungstheorie? Ich glaube nicht.
Was sollten wir also Deiner Ansicht nach tun - einen europäischen Befreiungskrieg gegen die USA anzetteln? Oder soll D das lieber im Alleingang machen:D?
Nein, ich meine, die USA, Europa, Australien und Neuseeland, Japan bilden mittlererweile einen gemeinsamen Kulturraum, daß es da zu vergleichbaren Entwicklungen kommt ist unvermeidlich. Und den jahrhundertelangen Einfluß der deutschen Einwanderer auf das gesellschaftliche Leben in den USA würde ich auch nicht unterschätzen.

Gruß, Gaius
 
Aktuelle Ergänzung des Themas. Ein Zitat aus spiegel online:
Gestern Abend legte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in der ZDF-Sendung "Berlin Mitte" richtig los: Die von Franz Müntefering entfachte Debatte sei "hochgradig schädlich", weil sie Investoren verschrecke. "Das ist doch unpatriotisch, schlimmer geht's gar nicht", beklagte er.

Schon wird die Patriotismussemnatik aufgegriffen und gegen die "Urheber" verwendet. Ob uns das voranbringt...?
 
Gaius schrieb:
Nein, ich meine, die USA, Europa, Australien und Neuseeland, Japan bilden mittlererweile einen gemeinsamen Kulturraum, daß es da zu vergleichbaren Entwicklungen kommt ist unvermeidlich. Und den jahrhundertelangen Einfluß der deutschen Einwanderer auf das gesellschaftliche Leben in den USA würde ich auch nicht unterschätzen.
Ein interessanter Aspekt, Gaius, nicht von der Hand zu weisen. Der Patriotismus in der ursprünglichen Form, der sich "nur" auf ein Land bezog, wird zurückgedrängt und durch eine Art "Kulturraumkult" (so hässlich und unsinnig dieses Wort auch erscheinen mag), ersetzt. Womöglich wird sich China an die GUS annähern, womit die balance of power wieder hergestellt werden dürfte - soweit man Kultur und Macht so gegenüberstellen kann.

leicht unsicher
Zeili
 
Robin schrieb:
Schon wird die Patriotismussemnatik aufgegriffen und gegen die "Urheber" verwendet. Ob uns das voranbringt...?
Wie lautet eigentlich die Definition von Semnatik :D ... ist das die unter-irdische Wissenschaft des Hinter-Sinnes des Bedeutung tragenden Aspekts der Zeichen? Oder meintest Du die Semnautik, jene Metatheorie der Semantik, die hauptsächlich auf den beiden Axiomen beruht: "Alles fließt" und "Niemand steigt zweimal in den selben Fluß"?

Spaß beiseite, natürlich bringt uns das antikapitalpatriotistische Geschwurbel des Genossen Alibi-Volksschülers M. und seines Antipoden "Anwalt der kleinen Leute" L. keinen Schritt weiter, sowenig wie die Widerworte des hauptamtlichen Obermuftis der Arbeitgeber H. oder was immer da noch an Unken und Krähen folgt. M. und L. wollen die linkssozialdemokratischen Agenda-Enttäuschten wieder durch Propaganda "der Partei" näher bringen, egal jetzt welcher; am Ende läuft es immer auf den Ruf nach "mehr Staat" heraus und damit auf mehr Kontrolle, am liebsten noch auf StaMoKap. Das ganze multipliziert mit dem Faktor "Patriotismus", und heraus kommt als Summe was? Der nationale Sozialismus - und das ausgerechnet in der Vorzeigerepublik des postnationalstaatlichen Denkens! Na prima, Genossen. Die SPD als Quersumme von PDS und mittlerweile sozialistisch gewendeter NPD, und der linke Eklektizismus der WASG macht alles noch schlimmer.

Ein gewissenhafter Unternehmer sollte angesichts dieser Debatten das tun, was ein Baum tun würde, wenn ein Schwein sich an ihm kratzt, sich in der CDU engagieren und auf die Deregulierung der Wirtschaft hinwirken, auf die Reduktion all der Gesetzchen und Vorschriftchen, die in D Gründungen und Investitionen behindern. Das Problem ist längst bekannt, aber Deutschland schläft schlecht auf der linken Seite und redet nur im Traum wirres Zeugs, sofern es nicht gerade nur schnarcht.

Zeilinger schrieb:
Ein interessanter Aspekt, Gaius, nicht von der Hand zu weisen. Der Patriotismus in der ursprünglichen Form, der sich "nur" auf ein Land bezog, wird zurückgedrängt und durch eine Art "Kulturraumkult" (so hässlich und unsinnig dieses Wort auch erscheinen mag), ersetzt.
So sehe ich die globale Entwicklung, die ich langfristig als reale Alternative zum oben gegeißelten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Klein-Klein der Linken beobachte, und für die es zu kämpfen sich lohnt: ein freiheitlich-liberaler Kosmopolitismus, der vor Staatsgrenzen (gerade auch den chinesischen) nicht Halt macht, sondern diese virtuell aufhebt.
Das Wort "Kulturraumkult" halte ich dabei nicht für passend. "Weltbürgertum" lautet mein Vorschlag. Notabene: regionale Besonderheiten sollen dabei gar nicht eingeebnet werden, sie machen vielmehr den eigentlichen Reiz aus.
Womöglich wird sich China an die GUS annähern, womit die balance of power wieder hergestellt werden dürfte - soweit man Kultur und Macht so gegenüberstellen kann.
Der vielgeschmähte deutsche Bundeskanzler arbeitet erstaunlicherweise gerade am Gegenteil: an der allmählichen Einbindung Zentralasiens und Chinas in die Weltgesellschaft. Vorerst möchte ich dabei jedoch betonen, daß die "westliche Wertegemeinschaft" sich nicht in einem falsch verstandenen Multikulturalismus ersticken lassen sollte: Es geht stets noch um die Definition eines kleinsten gemeinsamen Nenners und die Hebung dessen Niveaus; nicht um die Anbiederung an zivilisatorisch zurückgebliebene "Kulturen".

So wird aller "Patriotismus" obsolet als bloß reaktionäre Folklore.
 
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Gaius schrieb:
..... ein freiheitlich-liberaler Kosmopolitismus, der vor Staatsgrenzen (gerade auch den chinesischen)
nicht Halt macht, sondern diese virtuell aufhebt. Das Wort "Kulturraumkult" halte ich dabei nicht für passend.

"Weltbürgertum" lautet mein Vorschlag.....
Beim Kosmopoliten-Kult wird jedoch die Bedeutung der Verwurzelung bei der Entwicklung
der menschlichen Psyche für meinen Geschmack etwas zu schnell unter den Teppich gekehrt.

Es mag ja Menschen geben, die sich überall zu Hause fühlen, auch ganz ohne irgendwo Wurzeln zu schlagen.

Aber ist dieses Wohlfühlenkönnen trotz Wurzellosigkeit, trotz Entwurzeltsein,
bei der psychischen Konstitution der Menschen nun der Normalfall oder eher der Ausnahmefall ?

Ich neige zu der Ansicht, dass die meisten Menschen doch ein gewisses Mindestmass an Verankerung,
ein Mindestmass an Eingebundensein in ein Beziehungsgeflecht brauchen, um die Hintergrund-Emotion
"Wohlbehagen" zu entwickeln.

Ein solches Wurzelschlagen erfordert aber Zeit, und dürfte wohl nur unter ausnehmend günstigen Bedingungen
in wenigen Wochen zu bewerkstelligen sein.


Die Gründerväter der Europäischen Union haben nicht ganz von ungefähr
von einem "Europa der Vaterländer" oder von einem "Europa der Regionen" geschrieben.

Zu Hause fühlen sich die meisten Menschen ja doch nur in einem relativ kleinen geographischen Raum.

Das muss ja nicht unbedingt der Raum sein, in den man hineingeboren wurde, aber eben ein Lebensraum,
in dem man sich lange genug aufgehalten hat, um es sich "häuslich einzurichten", um verwurzelt zu sein.

Selbst Nomadenvölker "besiedeln" ganz bestimmte, abgegrenzte Regionen.
Wenn sie auch nirgendwo im engeren Sinne sesshaft sind,
so ist ihr Lebensraum dennoch nicht beliebig ausdehnbar oder austauschbar.


Patriotismus kann demnach begriffen werden als eine
"Verbundenheit mit dem Lebensraum, in dem ich mich zu Hause fühle".

Von wegen Folklore, und reaktionär womöglich auch noch, ts...ts...ts... !


Das musste auch einmal gesagt werden.
 
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