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Moralisch unbedenkliche Kapitalverzinsung.

Neugier

Well-Known Member
Registriert
29. März 2004
Beiträge
3.687
Die Diskussion über skrupellose Gewinn-Maximierung führt unweigerlich zu der Frage:
wie hoch darf denn eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals ausfallen, ohne moralisch verwerflich zu sein ?


Eine Milchmädchenrechnung auf der Basis von Annahmen, die derzeit in Österreich realistisch erscheinen,
soll auf diese Frage eine erste Antwort geben.

Annahme für die Geldentwertung: durchschnittlich 2,4 Prozent pro Jahr.
Annahme für Kapitalertragssteuer: 25 Prozent vom Ertrag.

Bei diesen Annahmen gilt, dass ein Sparguthaben mit mindestens 3,2 % p.a. brutto verzinst werden muss,
damit das Guthaben am Ende der Sparperiode die gleiche Kaufkraft besitzt wie am Beginn der Sparperiode.

Bei 3,2 % Verzinsung erhält der Sparer aber noch keine Belohnung für seinen Konsumverzicht.
Inklusive einer solchen Belohnung ergeben sich Zinssätze im Bereich von 3,5 bis 5 Prozent.

In diesem Bereich lagen in der jüngeren Vergangenheit sowohl die Zinssätze für Kapitalsparbücher
als auch die Sekundärmarktrendite für Bundesanleihen.

Bis zu 5 Prozent reicht somit derzeit die moralisch unbedenkliche Verzinsung bei einer sehr risiko-armen
Veranlagung und mittlerer Veranlagungsdauer (das konnte jedes Muatterl für ihr Kapitalsparbuch bekommen).


Vollzieht man nun noch den Schritt von der sehr risiko-armen Veranlagung auf einem Kapitalsparbuch
zu einer eher risiko-reichen Veranlagung in einem Unternehmen, dann ist noch eine Risiko-Prämie
aufzuschlagen.
Für diesen Aufschlag kann der langfristige Durchschnittswert von 2-3 Prozent angesetzt werden.

Die moralisch unbedenkliche Verzinsung für mittelfristige Veranlagungen mit durchschnittlichem Risiko
liegt unter den derzeitigen Gegebenheiten somit
in der Grössenordnung von etwa 8 Prozent pro Jahr brutto.


Vor diesem Hintergrund müssen Ankündigungen von Unternehmensführern in Geschäftsberichten und
Bilanzpressekonferenzen, dass

"durch rigorose Sparmassnahmen die Eigenkapitalrendite von 11 % auf 14 % angehoben werden muss"

als schlichtweg unmoralisch bewertet werden.

Dies umsomehr dann, wenn die angepeilten Sparmassnahmen nahezu ausschliesslich die Personalkosten
bzw den Beschäftigtenstand betreffen.
 
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hei neugier !

hier treffen 2 sichtweisen aufeinander
wir alle (als einzelne menschen) sehen sparen als tugend an
wir werden dazu erzogen, in der zeit zu sparen, um in der not
etwas zu haben
daher ist das eigene sparen eine tugend

volkswirtschaftlich ist aber sparen ein übel
vereinfachen wir das system einer volkswirtschaft auf 2 personen,
genannt Angus und Wigbert

Angus produziert A und konsumiert B; und Wigbert produziert B und konsumiert A
Wigbert kauft von Angus A und Angus kauft von Wigbert B
so weit so gut
jetzt spart aber Angus: er produziert aber A munter weiter, verkauft es und kauft aber wenig B von Wigbert
Wigbert hat dadurch zu wenig geld, um Angus sein ganzes A abzukaufen
also verkauft Angus nur so viel A, wie er von Wigbert B gekauft hat
spareffekt = 0
Angus hat dadurch nicht mehr geld, hat aber sich und gleichzeitig auch Wigbert ärmer gemacht (beide können weniger konsumieren als zuvor)

so gesehen ist es volkswirtschaftlich sinnvoll, den leuten das sparen als reines sparen auszutreiben, was ja auch passiert, unter anderem durch die inflation
will man als kunde, dass sich sparen rentiert, darf man sein kapital nicht aus dem wirtschaftskreislauf entziehen, sondern muss es wieder einbringen (aktien, fonds, anleihen), damit es sich rentiert, jedoch ist dies mit einem risiko verbunden (no na, das geld "arbeitet" ja, und bei der arbeit kann immer etwas schief gehen

lg,
Muzmuz
 
die Perversion sind Kursschwankungen bei Aktien

denn die meisten Kursschwankungen begründen sich weniger durch den Zustand der Aktiengesellschaften als vielmehr durch die allgemeinen Lage

wer also Aktien kauft,
sein Geld für die Aktiengesellschaften arbeiten lässt,
paar Prozent Dividente erwartet,
ist doof
denn der Kurswert der Aktie schwankt im Verlauf des Jahres um ein Vielfaches
 
richtig, die kursschwankungen bei aktien kommen vielmehr von den emotionen
der anleger als von "harten fakten" (wobei diese natürlich auch einen nicht unerheblichen einfluss haben)
behauptet ein angesehener fachmann "die firma xy wird pleite gehen", reagieren anleger damit, dass sie ihre aktien schnell verkaufen wollen, bevor der kurs fällt
die folge davon -> der kurs fällt

aktienkurse wären auch ein gutes beispiel für ein chaotisches system:
die kurse schwanken heftig, jedoch langfristig steigen sie (aufgrund des allgemeinen wirtschaftswachstums)
welchen kurswert aber eine bestimmte aktie zu einem bestimmten zeitpunkt haben wird, ist nicht vorher zu sagen

sich beim spekulieren in aktien etwas zu "erwarten" wäre so gesehen tatsächlich dumm (oder wie es germanisch heisst: doof), vor allem, wenn man eine bestimmte rendite berechnen will

lg,
Muzmuz
 
Muzmuz schrieb:
will man als kunde, dass sich sparen rentiert, darf man sein kapital nicht aus dem
wirtschaftskreislauf entziehen, sondern muss es wieder einbringen (aktien, fonds, anleihen),
damit es sich rentiert, jedoch ist dies mit einem risiko verbunden (no na, das geld "arbeitet"
ja, und bei der arbeit kann immer etwas schief gehen)
Dabei sollte aber auch die Funktion der Banken als Intermediäre nicht vergessen werden.

Wenn ein Muatterl bei der Bank ein Kapitalsparbuch anlegt, so ist es eben Aufgabe der Bank, das
eingelegte Geld an Kreditsuchende weiterzuvermitteln, und es so wieder in den Wirtschaftskreislauf
einzukoppeln (und für diese Vermittlungstätigkeit natürlich auch eine Provision zu kassieren).

Die Inflation, die allerdings von niemandem direkt gestaltet werden kann,
sollte uns primär vom "Sparstrumpfsparen" abhalten.
 
neugier:

die bank gibt das geld weiter (investiert es) und nimmt damit auch primär das risiko auf sich, besonders wenn dem bankkunden ein gewisser zinssatz garantiert wird, denn investitionen können ja auch schief gehen
dafür und für den dahinter stehenden aufwand steht der bank natürlich auch profit zu (in welcher höhe sei dahin gestellt)
ob jetzt mit bank oder ohne....für jeden euro, den jemand spart, muss sich jemand finden, der sich um diesen einen euro verschuldet
findet sich so jemand nicht oder nur schwer, dann fallen die zinssätze, womit kredite billiger werden, dafür aber sich spareinlagen weniger rentieren
gilt nun sparen als tugend, müsste das gegenteil (sich verschulden) als untugend gelten, was sich ja auch mit der landläufigen meinung deckt
das eine funktioniert jedoch nicht ohne das andere

hebt man, so wie du moralisch forderst, die sparzinsen an, dann wird den leuten das sparen schmackhafter gemacht, die kreditzinsen steigen selbstverständlich mit, weniger leute wollen einen kredit aufnehmen, die banken haben zuviel geld an spareinlagen, senken ihre spar- und kreditzinsen und wir sind wieder da, wo wir am anfang waren

von institutionen kann die inflation nicht unbedingt gestaltet, aber doch massiv beeinflusst werden (regulierung des nominellen wertes des sich im umlauf befindlichen geldes, änderung der steuersätze, ...)

grob gesagt "es hat schon seine ursachen, warum es so ist wie es ist"

lg,
Muzmuz ;)
 
scilla schrieb:
die Perversion sind Kursschwankungen bei Aktien

denn die meisten Kursschwankungen begründen sich weniger durch den Zustand
der Aktiengesellschaften als vielmehr durch die allgemeinen Lage
Zur Diskussion über schwankende Preise für Aktien an den Finanzmärkten möchte ich daran erinnern,
dass auch die Preise für Gemüse auf einem Bauernmarkt am Vormittag deutlich höher sind als eine
halbe Stunde vor Betriebsschluss,
wenn die Markt-Standler unbedingt ihre Restbestände noch an die Frau bringen wollen.

Das ist eben das Wesen von funktionierenden Märkten, dass sie Angebot und Nachfrage zusammenführen,
und sich dabei auf Basis der jeweiligen Mengenverhältnisse ein aktueller Markt-Preis bildet.
 
Muzmuz schrieb:
hebt man, so wie du moralisch forderst, die sparzinsen an,
dann wird den leuten das sparen schmackhafter gemacht,
die kreditzinsen steigen selbstverständlich mit,
weniger leute wollen einen kredit aufnehmen,
die banken haben zuviel geld an spareinlagen,
senken ihre spar- und kreditzinsen und wir sind wieder da, wo wir am anfang waren.
Dass ich "moralisch gefordert" haben soll, die Sparzinsen anzuheben,
das ist mir aber wirklich nicht bewusst.

Ich habe die tatsächlich in der jüngeren Vergangenheit in Österreich erzielbaren Zinssätze
für Kapitalsparbücher als Ausgangspunkt und Basis für die Abschätzung des Grenzwertes
für eine moralisch vertretbare Verzinsung riskanterer Veranlagungsformen genommen.

Habe ich mich dabei wirklich sooo missverständlich ausgedrückt ?

<grrrrr>

Muzmuz, mir geht es darum,
die Diskussion über Unternehmensgewinne auf ein möglichst solides Fundament zu stellen.

Dass diesbezüglich derzeit einiges schief liegt, darüber herrscht ja weitgehend Konsens,
aber ein "massiver Protest" ist halt nur so massiv wie sein Unterfutter.
 
huhu neugier !

ich zielte eher auf den moralischen touch der forderung...
ein markt richtet sich wenig nach einer moral

wenn du behauptest, unternehmensgewinnmaximierung auf kosten der belegschaft sei unmoralisch, dann gebe ich dir prinzipiell recht
egoismus auf kosten anderer verträgt sich nicht mit unseren ansichten
das ist aber das verhalten, das einen markt ausmacht
die verschiedenen konsumenten bzw anbieter konkurrieren miteinander, spielen sich gegenseitig aus
dem stärkeren gehts besser, der schwächere geht unter

wie schon gezeigt, kümmert es einen sparer (insbesondere den sparstrumpfsparer) nicht, dass er der volkswirtschaft einen bärendienst erweist...ihm ist nur wichtig, dass er etwas im strumpf hat

was können wir dagegen tun ?
der gesetzgeber hat einige handhaben, den freien markt einzuschränken, um
ihn sozialer zu machen
vielleicht gibt es schon gesetze, die eine art strafsteuer vorschreiben, wenn ein unternehmen den gewinn auf kosten des beschäftigungsstandes erhöht
wenn es so etwas nicht gibt, wäre es eine überlegenswerte möglichkeit

lg,
Muzmuz
 
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Muzmuz schrieb:
ein markt richtet sich wenig nach einer moral
Und genau das ist der Punkt.

Wir sind hierzulande ja grösstenteils Anhänger der ökosozialen Marktwirtschaft.

Die Entwicklungen der letzten zehn bis fünfzehn Jahre haben aber sehr deutlich gezeigt,
dass die Marktgesetze allein nicht imstande sind, extrem unerfreuliche Entwicklungen hintanzuhalten,
deshalb müssen in Zukunft die sozialen und ökologischen Begrenzungen des Marktes stärker betont werden.

Am stärksten gegen den Strich geht mir die Entwicklung in Richtung Monopole bzw. Oligopole.

Gerade in dieser Frage wirken die Gesetze des Marktes aber nicht nur unbefriedigend, sondern sogar
richtiggehend kontraproduktiv, weil einer der wichtigsten Player am Markt, nämlich der Konsument,
sich meistens monopol-fördernd verhält.

Wir kennen ja das grosse Wehklagen über die immer schlechter werdende Nahversorgung, aber gleichzeitig
pilgern die Konsumenten in Scharen zu den grossen Einkaufszentren draussen in der Pampa und nehmen
dabei auch Zeitverluste (Verkehrsstau, Parkplatzsuche, etc.) in der Grössenordnung von Stunden in Kauf.

Die Erfahrung lehrt ganz einfach, dass die Monopolvermeidung nicht den Konsumenten überlassen werden
darf, weil nahezu jedem Konsumenten sein kurzfristiges Hemd (sprich, das günstige Kampf-Preis-Angebot)
näher liegt als der langristige Rock.


Die bisherigen gesetzlichen Regelungen waren jedenfalls nicht ausreichend wirksam.

Eine Rechtfertigung für wirksamere gesetzgeberische Eingriffe in das Marktgeschehen ergibt sich
aus den Folgekosten einer Verdrängung von Klein- und Mittelbetrieben für die gesamte Gesellschaft.

Die Erfahrung lehrt eben, das 20.000 Arbeitsplätze bei 500 Klein-und Mittelbetrieben wesentlich
sicherer (weniger konjunkturabhängig) sind, als 20.000 Arbeitsplätze bei 5 Grossbetrieben.

Schon allein diese Erfahrung lässt Massnahmen zum Schutz der Klein-und Mittelbetriebe
vor einem ruinösen Preis-Dumping grosser Konkurrenten geraten erscheinen.


Natürlich trägt jede Reglementierung auch den Keim einer Über-Reglementierung in sich,
bis hin zur völlig ineffizienten Planwirtschaft.

So wie sich "Weniger Staat, mehr Privat" zunächst ja ganz gut anhört, aber eben nur bis zu einem
bestimmten Punkt, so hört sich umgekehrt "Eindämmen ausufernder Marktkräfte" auch zunächst ganz
gut an, aber eben auch nur bis zu einem bestimmten Punkt.

Deshalb ist grundsätzlich Wachsamkeit in beide Richtungen notwendig,
aber im Moment verdient die eine Richtung mehr Aufmerksamkeit.
 
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