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Mein Bedürfnis, über Bedürfnisse zu diskutieren

M

majanna

Guest
Ihr wisst ja, dass ich mich ein wenig mit Fromm und seinen Theorien befasst habe. Er stellt neben biologische Bedürfnisse auch psychische Bedürfnisse, die allesamt mit der emotionalen Bezogenheit und Verbundenheit des Menschen zusammenhängen.
Da kam es mir in den Sinn, einmal nachzuforschen, wie andere Philosophen Bedürfnisse definieren.
Flugs tippte ich ins Philtalk-Lexikon und wurde mit vielen Antworten belohnt. Es folgt eine kleine Auswahl, die ich dann gerne zur Diskussion stellen möchte.

„Der Begriff Bedürfnis wird in der Philosophie nicht einheitlich verwendet.
Häufig wird Bedürfnis durch den Mangelzustand eines biologischen Organismus bestimmt.
Die Bedürfnisse werden häufig aus anthropologischen Annahmen abgeleitet.
Diese Annahmen variieren, so dass für die einen Hunger, Durst und Sexualität die Grundbedürfnisse des Menschen sind, für die anderen (z. B. Hobbes) Selbsterhaltungs- und Machtstreben.
Im ethischen Kontext wird er Unterschied von höheren und niederen Bedürfnissen thematisiert, wobei zumindest im Utilitarismus der Unterschied zumeist aus dem Gegensatz zwischen sinnlicher Lust und geistigem Interesse abgeleitet wird. „

Besonders im Hinblick auf das laufende Medienthread schien mir die Marxsche Definition einleuchtend.
„Da der Mensch den unmittelbaren Genuss der Natur in einem gesellschaftlich vermittelten Austausch überwindet - so Marx, hat der Mensch die tierische Ebene verlassen. Durch die Produktion von Gütern befriedigt er nicht nur seine Bedürfnisse, sondern produziert auch neue Bedürfnisse und damit seine zweite Natur. Da die Bedürfnisse immer gesellschaftlich produziert und in kulturellen Prozessen geformt sind, erweist sich die Annahme von rein biologischen Bedürfnissen als unzureichend.“

Wie seht Ihr den Zusammenhang zwischen Güterproduktion und Bedürfnisproduktion?
Was könnte mit der „zweiten Natur“ gemeint sein?
Wie würdet Ihr menschliche Bedürfnisse einordnen?
Auf Antworten ist gespannt: Majanna
 
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Aus 'nem Thread auf freigeist.de, in dem es wohl mal um arbeitslosigkeit ging, da sagte ric:
Wenn ich mir überlege, was für mein Leben nötig ist:
1) Essen
2) Sex
3) Wohnen
4) Musik
5) Bücher
6) Freunde

Und da hat er sowas von Recht damit! Man darf (und auf lange Sicht kann man auch) seine tatsächlichen Bedürfnisse nicht wie Marx auf eine zweite Natur abstrahieren. Diese zweite Natur nach Marx ist wohl in dem Zusammenhang ungefähr die Idee, das eben mindestens die Bedürfnisse Bücher/Musik (wahrscheinlich aber auch noch Essen, Sex und Wohnen) beeinflusst werden von der Macht der Medien ( der allgemeinheit), die uns einredet, dass unsere Bedürfnisse eigentlich immer höher sind als das, was wir schon haben bzw. haben können.

Die Hobbes'schen Grundbedürfnisse lassen sich glaube ich, jedenfalls ohne Hobbes jetzt wirklich in der Hand gehabt zu haben, auch auf die o.g. zurückführen (also selbsterhaltungs- und Machtstreben vor allem auf Essen, Sex, Freunde...) - wir waren und sind eben Tiere (und Alphatiere) mit entsprechenden Bedürfnissen.
 
Abgesehen von physischen Grundbedürfnissen (Essen, Schlaf, ein Dach über dem Kopf...), was sind denn eure Bedürfnisse, ganz konkret...
 
Original geschrieben von majanna
Wie seht Ihr den Zusammenhang zwischen Güterproduktion und Bedürfnisproduktion?
Wir sind Erkenntniswesen. Und dieser Umstand potenziert den Forschungstrieb (der auch in den Tieren angelegt ist). Erkenntnisse, neue Ideen, Erfindungen verändern unsere Umwelt, die prinzipiell unsere Bedürfnisse formt.
Was könnte mit der „zweiten Natur“ gemeint sein?
Kultur. Die von Menschen geschaffene Umwelt.
Wie würdet Ihr menschliche Bedürfnisse einordnen?
Auf Antworten ist gespannt: Majanna
So variabel wie unsere Umwelt variabel ist. Die Umwelt der Wildtiere ist statisch, daher sind deren Bedürfnisse auch statisch. Sicher kann man unsere Bedürfnisse auf einen statischen Kern abstrahieren:
1. Überleben
2. Essen und trinken
3. Kommunikation
4. Sex
5. Forschung

Gysi
 
@ Nonova

Du sagts selbst, dass die von Dir bejahten Grundbedürfnisse:
1)Essen
2) Sex
3) Wohnen
4) Musik
5) Bücher
6) Freunde

auf die Hobbesche Definition zurückzuführen sind: zur Selbsterhaltung gehörten dann Essen (und die Folgen des Essens), Sex. OK Aber alle anderen dieser Bedürfnisse ins Machtstreben einzuordnen, kommt mir gewagt vor, es sei denn, die Stillung dieser Bedürfnisse richtet sich danach aus, zu den „Oberen 10tausend“ zu gehören und ist dann nur mit Kalkül zu erreichen.


Da kommt mir die Einteilung nach Marx plausibler vor. Den unmittelbaren Genuss der Natur (Essen, Sex) können wir m. Es. Nach sehr wohl schon „zur zweiten Natur machen“ und zwar durch kulturelle und soziologische Einflüsse.

Der treibt`s mit jeder Verfügbaren, der andere braucht gewisse Szenarien, um „zu kommen“, der Dritte wieder kann nur, wenn „auch das Herz spricht“. So wird zwar jeder im Endeffekt seinen Sexualtrieb befriedigen, aber „ gesellschaftlich und genetisch bedingt anders.
Genau so könnte man auch die Punkte 3 bis 6 unter die Denklupe nehmen.
Alle im Marxschen Definitionssinne zu untersuchen, wäre ermüdend, aber probieren wir es in Gruppen. Das Wohnen des Menschen als Grundbedürfnis wird in den meisten Fällen befriedigt. Aber wie und wo ich wohne, hängt von gesellschaftlichen Bedingungen ab. Diese machen dann aus dem Grundbedürfnis Wohnen einen Teil der „2. Natur“. Es ist doch so, dass ich mir ein Wohnen nur in einem Raum nicht einmal vorstellen kann, zu meiner 2. Natur ( denn die erste, Stillung des Grundbedürfnisses Wohnen ist ja auch in einer Einraumwohnung ohne Bad abgedeckt)gehört eben, dass ich Küche, Bad, Wohn- Schlafraum ( und eben auch eine Bücherei)brauche. Das sind die Bedingungen, die „mir“ zum menschenwürdigen Leben nötig sind.Und so schließe ich mit dem Phillex:“ . Da die Bedürfnisse immer gesellschaftlich produziert und in kulturellen Prozessen geformt sind, erweist sich die Annahme von rein biologischen Bedürfnissen als unzureichend.“
Und die Werbung manipuliert mit Bedürfnissen der zweiten Natur. Was ich z.B. für Bücher lese, bestimmt zum großen Teil das ,was meine Freunde oder die Gruppe, der ich mich zugehörig fühle, lesen. Also, für mich ist als soziologische Erklärung die Definition nach Marx nachvollziehbar.Ich will nicht belehren, aber, Nonova, vielleicht liegt es daran, dass die 6 Punkte zwar schon genaue Bedürfnisse ansagen, deren Gültigkeit für eine große Gruppe von Menschen zutreffen, die aber ihrerseits noch in weitere Abstraktionsstufen einordenbar sind .Und so kann man wahrscheinlich alle philosophischen Definitionen von unten nach oben weiterführend anwenden.


(@ Gysi: Mit Deinem Beitrag setze ich mich am Abend auseinander. Habe Logierbesuch.)
 
@ Gysi

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Zitat: Wir sind Erkenntniswesen. Und dieser Umstand potenziert den Forschungstrieb (der auch in den Tieren angelegt ist). Erkenntnisse, neue Ideen, Erfindungen verändern unsere Umwelt
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OK Du meinst, weil der Mensch als Grundbedürfnis Gier auf Neues im Geistigen (Neugier) hat, steht dieses Grundbedürfnis in Interdependenz mit der uns umgebenden und formenden Umwelt. Das glaube ich auch.

Aber ich lasse mit marxistischer Aufdringlichkeit nicht locker.

Hier ist es sogar noch auffälliger als in Nonovas Bedürfnisliste. Die Stillung unseres intellektuellen Neugierdeverhaltens scheint so zu uns zu gehören, dass wir die „zweite Natur“ erst mal gar nicht bemerken.

Schaut man aber genauer, so merken wir, dass nicht nur Intellektuelle sich über dieses Bedürfnis definieren.
Jeder orientierte Mensch (im Alltag, der Politik, Kunstszene) will Neues über „ sein“ Interessensgebiet erfahren, um „in“ zu bleiben. Da aber gleichzeitig auch Eigenes in das jeweilige Bild mit eingebaut wird, beeinflussen wir ebenfalls.
So entsteht Kultur!
Fazit: Auch hier kann ich mit Dir einer Meinung sein.



:) :) Wie schön:D :D :D
 
Original geschrieben von walter
Abgesehen von physischen Grundbedürfnissen (Essen, Schlaf, ein Dach über dem Kopf...), was sind denn eure Bedürfnisse, ganz konkret...


Lieber Walter, ich habe ja eines meiner Grundbedürfnisse bereits zum Thema gemacht. ich diskutiere für mein Leben gerne.



Nach Fromm ist das sicher ein Merkmal meiner spezifischen Leidenschaft, mit Menschen Gemeinsames zu erfahren.


Wenn ich jetzt ganz selbstironisch sein will: Ich will nicht allein vor mich hindenken - das ist fad. Ich brauche Unterhaltung dabei. Aber schließlich ist der Mensch ein zoon politikon.


Ist möglicherweise Dein Bedürfnis, Dich mit uns im Forum abzuquälen ähnlich zu begründen?:cool: :D
 
in der Geographie gibt es folgende Grund-daseins-funktionen

Wohnen, Arbeiten, Versorgen, Bilden, Erholen

die machen Sinn, wen man bspw. in der Stadtplanung tätig ist



ansonsten sehe ich keine Notwendigkeit,
sich Gedanken über (meine) Bedürfnisse zu machen
wozu auch
 
es gibt Dinge, die entscheiden darüber, wo ich gerne wohne, was ich gerne esse, was ich gerne erarbeite ...

das berührt jedoch meine Intimsphäre
 
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Genau, Scilla, ich finde auch, dass ein Bedürfnis des Menschen ist, die Intimsphäre gewahrt zu wissen.
Ich glaube sogar, dass es mit dem biologischen Selbsterhaltungstrieb zusammenhängt.

Ich glaube aber auch, dass es im Marxschen Sinne zur zweiten Natur des Menschen gemacht werden kann und gemacht wird.
 
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