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Individualität - die Falle?

Matto

New Member
Registriert
14. Dezember 2004
Beiträge
120
Es gab eine Zeit in meinem Leben, da war ich ganz verrückt danach, mich "auszuleben", meine Talente zu entwickeln, eigene Vorstellungen zu verwirklichen. Ich fühlte mich farblos, wollte Charisma (schon wegen der Frauen und dem zunehmenden Alter). Ich lernte verschiedene Menschen kennen, die alle unheimlich viele interessante Hobbys hatten, versuchte es ihnen nachzumachen, ganz nach meinen Wünschen.

Heute frage ich mich manchmal, warum willst du das?

Was bringt eine individuelle Entwicklung, und warum scheint sie heutzutage so wichtig? (Meine Großeltern kümmerten sich um andere Dinge.)

Was verliert man bei dieser forcierten individuellen Selbstverwirklichung?
 
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Matto schrieb:
Was verliert man bei dieser forcierten individuellen Selbstverwirklichung?


Den Bilck auf andere ! Das politische Bewusstsein !

Damit meine ich folgende Gedanken:

Das Gefühl dass es neben dem Ich, das doch wohl nie ein Ganzes sein kann, ein höhers Ganzes gibt, als dessen Teil ich mich fühlen kann, wenn ich es mitgestalte - mit anderen.

vergl. Schillers Distichon: "Immer strebe zum Ganzen, und kannst du seIber
kein Ganzes werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an.." Ich möchte hier Schiller ergänzen: als kritisches dienendes Glied ...


Die von Dir geschilderte Selbstverwirklichung kann es Dir ermöglichen, Dich als Ganzes zu fühlen - aber wahrscheinlicher ist ein Alter - Du erwähnst, glaube ich das sich nähernde Alter - in Einsamkeit.

Marianne an Matto
 
das Ganze

Marianne, weißt du,..

das Ganze erscheint mir heutezutage höchst kompliziert. Wo sollte ich mich anschließen? Es war zu Schillers Zeiten u.U. einfacher. Ich bin kritisch. Diene ich dort, wo ich es vermag... ich weiss es nicht. Ob Schiller es jemals wusste..?

Matto
 
Was bringt eine individuelle Entwicklung, und warum scheint sie heutzutage so wichtig?
in meinen augen ist die "individuelle" entwicklung heute so:
wir haben schönheitsideale, wer dem nciht entspricht kann sich dokor helfen lassen.
wir haben marken, die ganz klar ausdrücken wer man ist.
wir haben autos, anhand denen wir schon von weitem erkennen wer kommt.
man drückt sich in dieser gesellschaft nur noch über dinge aus. man ist etwas wenn man die richtigen marken klamotten trägt (besonders bei jugendlichen so), man muss(!) einem grausamen schönheitsideal entsprechen um anscheinden erfolg zu haben (besonders mädchen leiden sehr darunter sie seihen anscheinden zu dick, magersucht ist eine folge die schon immer früher auftritt), man ist was wenn man zeigt wieviel geld man hat.

"Wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe, und dann verliere, was ich habe?"
(Erich Fromm)
den letzten teil hat diese gesellschaft noch nicht verstanden.
deshalb gibt es auch keine individualisierung in dieser gesellschaft, eher eine angleichung, eine absolute gleichstellung, nicht von den rechten her, sondern von dem was man anscheinden hat.
schaffen tut man das nie, aber man will es, man versucht es.

individualisierung gibt es nicht wenn man versucht andere nachzuahmen, wo ist das individuum?
individualisierung gibt es nur wenn man sich selbst treu bleibt, das mahct was man wirklich will, aus dem innersten heraus. auch wenn es nachteile bringen kann auf dem weg zu einer gewollten sache, wenn man es nicht mit einem selbst vereinbaren kann, dann ist es nicht gut für einen.

diese gesellschaft hat faktisch keine individualisierung, man meint es wäre eine, aber wo ist sie?

ciao
 
"Wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe, und dann verliere, was ich habe?"
Erich Fromm

So einen Satz kann man unterschiedlich interpretieren.

wir haben schönheitsideale, wer dem nciht entspricht kann sich dokor helfen lassen.
wir haben marken, die ganz klar ausdrücken wer man ist.
wir haben autos, anhand denen wir schon von weitem erkennen wer kommt.
man drückt sich in dieser gesellschaft nur noch über dinge aus. man ist etwas wenn man die richtigen marken klamotten trägt (besonders bei jugendlichen so), man muss(!) einem grausamen schönheitsideal entsprechen um anscheinden erfolg zu haben (besonders mädchen leiden sehr darunter sie seihen anscheinden zu dick, magersucht ist eine folge die schon immer früher auftritt), man ist was wenn man zeigt wieviel geld man hat.

Ja, das ist ein Effekt dieser Schneller-Höher-Weiter- Gesellschaft oder des B & S - Programm, wie es Carl Amery bezeichnet. Ja, der Effekt ist keineswegs Individualität, sondern Uniformität. Also der Gewinn ist nicht erwähnenswert, aber was ist mit dem Verlust?

Wir verlieren politisches Bewußtsein, verlieren Solidarität, das Interesse für den anderen. Und es ist eigentlich unklar, wo sollte man sich anschließen... ???

Matto
 
Hallo!
Ich stelle hier einfach mal einen Beirtrag rein, den ich im Thread "Ausdifferenzierung und Identität" geschrieben habe. Ich denke, er passt ganz gut.


Ausdifferenzierung und Identität

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Die zunehmende Ausdifferenzierung der Gesellschaft, oft unter dem Begriff der "Postmoderne" zusammengefasst, bringt Probleme der Identität des Einzelnen mit sich. Wer überfordert ist, sich aus dem "Angebot der Identitäten" sich eine eigene zusammenzubauen, fühlt sich eventuell heimat- oder orientierungslos.
Eine Art Massenidentifikation scheint es nur noch partiell und auf Zeit zu geben, z.B.:

- als negative Identität, in der Ablehnung von Neuem oder von Randgruppen
- als bemühte nationale Identität bei Sportereignissen, kurz hoch gekocht, schnell wieder vergessen

Ansonsten zerfällt die Gesellschaft in Partikulatinteressen, extreme Nischenbildung, Probleme der Kommunikation zwischen spezialisierten Individuen.

Das Phänomen birgt für den Einzelnen Vor- und Nachteile, aber auch für das Ganze:
- Menschen mit innovativen Ideen haben Probleme, hierfür genügend Menschen zu mobilisieren; Reformatoren scheitern an einer Selbstblockadehaltung der Gesellschaft.
- Dafür sinkt aber die Gefahr des populistischen Missbrauchs à la Hitler etc.
- Die mangelnde Eigeninitiative der Individuen hat zur Folge, dass die Gesellschaft nur noch verwaltet wird, Neuerungen mithin Bürokraten überlassen bleiben.

Seht ihr diese Tendenzen auch?
Überwiegen bei euch Vor- oder Nachteile, sowohl auf den Einzelnen wie auf die Gesellschaft bezogen?
 
Tendenzen

- Menschen mit innovativen Ideen haben Probleme, hierfür genügend Menschen zu mobilisieren; Reformatoren scheitern an einer Selbstblockadehaltung der Gesellschaft.

Deutlich

Dafür sinkt aber die Gefahr des populistischen Missbrauchs à la Hitler etc.
Da gibt es geschicktere Wege - Berlusconi.

- Die mangelnde Eigeninitiative der Individuen hat zur Folge, dass die Gesellschaft nur noch verwaltet wird, Neuerungen mithin Bürokraten überlassen bleiben.

Folgt aus dem ersten Absatz.

Ich bin wohl momentan zu pessimistisch um Vorteile erkennen zu können.

Gruß
Matto
 
Seht ihr diese Tendenzen auch?
du hast ganz klar unsere gesellschaft beschrieben. sie wird noch weiter in diese richtung gehen denke ich. der drang zur nicht erreichbaren perfektion ist zu groß als das man erkennt man könne auch nur mit dem geschafften zufrieden sein.

ich hatte die letzten zwei wochen die möglichkeit das tv zu erkunden.
da sind mir spezielle werbungen aufgefallen:
am anfang der woche eine frauenzeitschrift mit einem spezial: besserer sex
gegen ende eine männerzeitschrift mit dem spezial: besserer sex

ist ein orgasmus schon nicht mehr genug?
hatte diese welt überhaupt einen orgasmus wenn solche themen vorkommen?
im endefekt führt alles auf diesen punkt hinaus, was soll nun besser werden?
wer ausgefallenes mag, der wird kaum auf solche magazine warten.
haben all die die nicht den ausgefallenen sex (was auch immer man als ausgefallen bezeichnet) haben, nun schlechten?
ist es aber notwendig den besten orgasmus der welt zu haben?

was sind unsere probleme wenn wir uns mit solchen dingen beschäftigen können?
warum muss alles perfekt sein, auch wenn wir eigentlich wissen: es geht nie perfekt.
warum müssen wir alle den selben dicken schlitten fahren, auch wenn wir mit einem kleinwagen genauso zufrieden wären.
warum werden familien mit 3 kindern in manchen wohngegenden schon schief angeschaut?
hat diese welt außer einer beruflichen anerkennung nichts anderes mehr zu bieten?
dreht sich hier alles nur noch um arbeit, selbstverwirklichung kann doch nicht nur in arbeit liegen, oder doch?
ist es kein erfolg mehr kinder aufzuziehen?
ich bin noch nicht volljährig, aber aus irgendeinem grund will ich kinder haben, nicht zu schnell, man muss auch die passende person fürs leben finden dafür, aber sicher irgendwann.
ich finde kinder sind was besonderes; meine mutter hat mal erzählt mit welchem stolz mein vater mich im arm hielt als ich gerade auf der welt war, mit welchem stolz er mich und meine geschwister gerne vor anderen zeigte, es machte ihn stolz kinder zu haben und ich glaube auch glücklich.
warum reagieren wir gegenüber kleinkindern immer anders wie gegnüber deren eltern?
und warum sind kinder dann trotzdem als plage angesehn, weil sie die arbeit und die verwirklichung in ihr verhindern?

matto, die nachteile dieser "selbstverwirklichung" und "indvidualisierung", werden wir vll erst in ein paar jahren sehen, sie führen zumindest zu menschen die keine zuneigung und liebe anderen geben können, genau das braucht ein mensch aber zum leben.
mein ethik lehrer sagte mal: "man kann ein kind nicht erziehen ohne liebe, es wird sonst nie ein kind werden, geschweige denn ein mensch"
"wenn ein elternteil seinem kind sagt: ich liebe dich nicht mehr wenn du das weiter machst, dann versteht das kind das sofort, der enzug der liebe ist die schlimmste strafe überhaupt"

ciao
 
rosarote Brille

Hi tosto,

im Grunde ist die Situation heute schon prekär. Wenn man mal einige Gesellschaftskritiker (z.B. Medienethiker) oder auch andere Foucault, Braudillard liest, dann wird man im Prinzip damit konfrontiert. Und das ist gut so. Andererseits sitzt ich zu Hause und schaue in den Garten, mache so dies und das und vergesse die Welt. Und so lange ich nicht hungern muß o. ä. Was kratzt mich das? Ja, so könnte man das betrachten. Wenn der Mensch in seiner Freiheit oder Lebenqualität eingeschränkt wird, ergreift er u. U. diese oder jene Maßnahme. Aber davon sind die meisten von uns noch weit entfernt.

Menschen, die sich zusätzlich mit selbstgemachten Problemen herumschlagen, werden sich darüber keine Gedanken machen oder machen können. Andererseits war es jemals anders? Meine Oma erzählt mir heute noch vom Krieg. Ich will damit sagen, man muss sich der schwarzen Seite des Menschseins schon bewußt sein oder werden. Der Mensch als Bild ist hoch stilisiert, weil wir dafür gesorgt haben, daß die rosarote Brille nicht auf der Nase sitzt sondern schon ins Gehirn verpflanzt wurde. Dort ist sie nur mit äußester Anstrengung und viel Skepsis zu erkennen.

Matto
 
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Matto schrieb:
Es gab eine Zeit in meinem Leben, da war ich ganz verrückt danach, mich "auszuleben", meine Talente zu entwickeln, eigene Vorstellungen zu verwirklichen. Ich fühlte mich farblos, wollte Charisma (schon wegen der Frauen und dem zunehmenden Alter). Ich lernte verschiedene Menschen kennen, die alle unheimlich viele interessante Hobbys hatten, versuchte es ihnen nachzumachen, ganz nach meinen Wünschen.

Heute frage ich mich manchmal, warum willst du das?

Was bringt eine individuelle Entwicklung, und warum scheint sie heutzutage so wichtig? (Meine Großeltern kümmerten sich um andere Dinge.)

Was verliert man bei dieser forcierten individuellen Selbstverwirklichung?


Entschuldige, wenn ich mich so einfach einharke, aber meine Finger zucken, ich hoffe du nimmst mir das nicht übel.

Oh, man verliert vieles. Ich, um nur ein kleines, unbedeutendes Beispiel zu nennen, verliere Freunde, die ich nie bessen habe ebenso wie Familie, die nie Familie im eigentlichen Sinne war. Aber ich möchte mich nicht weiter beschweren. Ich bin so, wie es ist, zufrieden, denn ich lebe mein Leben und, wenn ich morgen sterben sollte ( leicht übertrieben), habe ich mir nichts vorzuwerfen und bin mit mir selbst im Reinen.

Jedoch hat diese ganze Selbstverwirklichung auch eine ganze Menge positiver Seiten an sich. So denke ich, dass wir im Endefekt "allein" sind, im Sinne dessen, dass wir unsere Entscheidungen allein zu treffen haben, jeder sein Leben für sich zu leben hat. Sicherlich mag es sein, dass einen auf diesen Weg andere begleiten mögen, aber dennoch können dise nicht aktiv eingreifen ,nur jeder für sich allein kann und soll für sich selbst bestimmen. Und gerade deshalb ist die individuelle Selbstverwirklichung wichtig, wie ich finde.

Ich habe mir gerade so überlegt, wenn ich mich jetzt und auch zukünftig nicht selbstverwirklichen könnte, den Sinn meines Lebens nicht erfüllen könnte, ich glaube ich würde daran zerbrechen, aber dieses gewisse Restrisiko bin ich bereit aufzunehmen, da ich an mich glaube und weiß, dass ich es schaffen werde.

Vielleicht scheint die Selbstverwirklichung aber heute auch deshalb nur so wichtig, weil die Welt für sich in einem ständigen Wandel befindet und man gewisser Maßen in einen Zugzwand gerät, nur so als Idee.
 
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