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Grenzen des Demokratismus?

amoruritme

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24. Juni 2007
Beiträge
52
Es ist bestimmt eine sehr "gefährliche Frage", aber mMn sollte sie dennoch gelegentlich gestellt werden. Ich bin natürlich ein Anhänger liberal-rechtsstaatlicher Demokratien, aber ich nehme Churchills Satz ziemlich genau und halte ihn nicht nur für ein pummelwitziges Bonmot: "Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, ausgenommen alle anderen".

MMn braucht auch die Demokratie gewisse Grenzen, sollte eingebettet sein in einen Menschen- und Grundrechtskatalog,etc. Evtl könnte man sogar die These disk, ob nicht Hitler die "Fratze eines hypertrophen Demokratismus" darstellt und der Holokaust wäre, wenn dem so wäre, auch eine Folge eines "populistischen Demokratieverständnisses", um diesen Stilblütenbegriff zu verwenden.

Es ist klar, dass es keine realistische Alternative zur Demokratie gibt, aber sie ist mMn auch kein perfektes System. Wie kann man sicherstellen, dass demokratistische Hassorgien nicht wieder entstehen bzw die nicht ganz so unwahrscheinliche Variante: Dass im Namen des politisch-korrekt-Guten (wenn es den Meinungsmanipulatoren gelingt, die Mehrheitsmasse davon zu überzeugen) Freiheiten der Einzelnen immer mehr eingeschränkt werden? Kann man das auf Beispiele wie Anti-Raucher-Kampagne, Alkoholprohibition (und deren Vorstufen), weitere Kindheitsentzugsmassnahmen (zB verpflichtendes Vorschuljahr, usw) anwenden?
 
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AW: Grenzen des Demokratismus?

Die gesetzlichen Mittel des Rechtsstaats - Garantie der Grundrechte u.v.a.m. - müssen genügen, des weiteren bedarf es eines Kontrollorgans, das den Rechtsstaat an seiner Absolutheit hindert sowie aus ihm verbindliche Richtlinien weiteren Handelns ableitet. In Deutschland leisten dies zurzeit gewählte Parlamente, eine direkte Bürgerkontrolle wäre jedoch auch denkbar. Deren Entscheidungen werden wiederum mindestens durch das BVG kontrolliert.

Was jedoch nicht angeht, ist aufgrund von Differenzen in der Meinung zu bestimmten Themen das ganze System infrage zu stellen oder es gar als "demokratistisch" zu denunzieren.

Alles weitere regelt ein Gesetz.
 
Jetzt wird's gefährlich - oder schwammig?

Eines habe ich nicht verstanden:
Willst Du damit sagen, dass der Holocaust im Prinzip von der Mehrheit gewollt war? Der Plan der Judenvernichtung hat bei der Wahl Hitlers sicher keine Rolle gespielt.
Im Übrigen, wie Thorsten sagt, gibt es die Kontrollorgane ja. Verfassungsfeindliche Parteien werden nicht zugelassen, Nazisymbole sind verboten, die Leugnung des Holocaust ist unter Strafe gestellt.
Daher verstehe ich ndie Brisanz der Frage nicht ganz.
 
AW: Grenzen des Demokratismus?

Fratze eines hypertrophen Demokratismus

zur Übersetzung:

hypertroph = hoffnungslos überdüngt
eutroph = überdüngt
mesothroph = gedüngt
oligotroph = ungedüngt

zum Thema Demokratie habe ich mal geschrieben

es gibt zwei Worte dafür,
wie man ohne Kommunikation miteinander 'kommuniziert',
und zwar:

Konsens
Kompromiss

im Falle des Konsenses sind alle Beteiligten derselben Meinung
und weil sie sich dessen sicher sind,
sprechen sie auch nicht über ihre Meinung

im Falle des Kompromisses wollen die Beteiligten ihre
Meinungsunterschiede nicht ausdiskutieren,
sondern suchen nach Mehrheiten für ihre Meinung​

der Unterschied zur eigentlichen Kommunikation besteht darin,
daß beim Konsens und beim Kompromiss ZIELE verfolgt werden,
während bspw. in einer Diskussion der SINN entscheidet

die Ziele werden beim Konsens durch Einsicht
und beim Kompromiss durch Absicht (Koalition, Veto) erreicht

der Sinn ergibt sich
(dialogisch) durch das Abgrenzen des Gesprächsgegenstandes
(dialektisch) durch die Synthese des Gesprächsgegenstandes
(hermeneutisch) durch die Schöpfung (Genese) des Gesprächsgegenstandes​

zum Thema Freiheit besteht viel Gesprächsbedarf:

z. B.
wann ist ein 'alter Mensch'? frei

1) wenn er gesund ist
2) wenn er einen Sinn in seinem Leben sieht
3) wenn er eine hohe Rente bekommt
4) wenn er sein eigenes Geld verdient
5) ...

römische Freiheit meint die Trennung von res publica und res privata
griechische Freiheit meint Autonomie, Autarkie, Eleutherie
 
AW: Grenzen des Demokratismus?

Was jedoch nicht angeht, ist aufgrund von Differenzen in der Meinung zu bestimmten Themen das ganze System infrage zu stellen oder es gar als "demokratistisch" zu denunzieren.

Alles weitere regelt ein Gesetz.

wie meinst du das? was regelt das gesetz? was "geht nicht an"?
 
AW: Grenzen des Demokratismus?

amouritme schrieb:
was "geht nicht an"?
:D Daß ich mich immer wieder so daran erheitere, wenn ich klar zugespitzte Aussagen getroffen habe und dann gefragt werde, was ich eben geschrieben hätte.

Scherz beiseite: ich bin der Auffassung, daß die staatliche Verfassung Deutschlands in erster Linie einen freiheitlichen Rechtsstaat mit den dazugehörigen Organen bildet und erst in zweiter Linie eine Demokratie, in der durch Abstimmung und Verhandlung politische Ziele formuliert werden.

So daß einem überbordenden "Demokratismus" schon von vornherein klare Grenzen gesetzt sind. In diesem Zusammenhang hochinteressant:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,490593,00.html

Grüße, Thorsten
 
AW: Grenzen des Demokratismus?

hi amoruritme,

amoruritme schrieb:
s ist klar, dass es keine realistische Alternative zur Demokratie gibt, aber sie ist mMn auch kein perfektes System.
Wie sehe für dich unrealistischerweise ein perfektes System aus?

lg,
fussel
 
AW: Grenzen des Demokratismus?

ein "relativ perfektes system" würde sich seiner unperfektheit sehr bewusst sein. manchmal habe ich den eindruck, dass wir glauben, dass die demokratie fast schon das perfekte instrument wäre, um fast alle politischen probleme zu lösen, dh: vielleicht halten nicht wenige die demokratie für perfekt. mit meinem hinweis auf die "hitlersche demokratie" wollte ich dieser selbstgenügsamkeit einen gelsenstich versetzen. vielleicht braucht lebendige demokratie - demokratiekritik! in einigen us-bundesstaaten ist oral- und analverkehr (theoreitisch zumindest) verboten, in anderen die missionarsstellung vorgeschrieben. diese gesetze werden wohl kaum exekutiert werden, man sieht aber, dass der staat, so man ihn lässt und auch wenn er sich demokratisch schimpft, sich manchmal in dinge einmischt, die ihn nichts angehen. mmn sollte man auch in der demokratie darauf achten, dass politische entscheidungen nicht gewisse grenzen überschreiten. leider kann man nicht darauf hoffen, dass die mehrheit immer das richtige tut oder entscheidet, die letztverantwortung liegt wohl noch im individuum, und der staat ist somit ein notwendiger kompromiss - niemals ein unkritisierbarer überpapa - mmn.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Grenzen des Demokratismus?

man sieht aber, dass der staat, so man ihn lässt und auch wenn er sich demokratisch schimpft, sich manchmal in dinge einmischt, die ihn nichts angehen.

res publica
res privata

leider kann man nicht darauf hoffen, dass die mehrheit immer das richtige tut oder entscheidet,

hängt vom Bildungsstand ab
(die privaten Fernsehsender sind da eher kontraproduktiv)

hängt davon ab,
ob vor der Entscheidung diskutiert wurde
(das passiert zur Zeit auf äußerst flachem Niveau)

die letztverantwortung liegt wohl noch im individuum

Autonomie, Autarkie, Eleutherie
 
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AW: Grenzen des Demokratismus?

hallo, amoruritme!

ich glaube du unterscheidest nicht ganz genau zwischen dem problem, wie total ein staat ist und wie demokratisch er ist!
in demokratien herrscht immer das volk, also eine große anzahl von leuten. damit ist die macht, die sie ausüben sehr stark. (ich rede vom idealfall) da die herrschaft des volkes auf dem politischen wirken aller basieren sollte, muss sich da der staatsbürger mehr in den politischen prozess mit einbringen. der staat und sein wirken in das privatleben jedes einzelnen werden intensiviert. allerdings sind die totalitären systeme, die schlimmsten, die es bisher gegeben hat, führersysteme gewesen, also das genaue gegenteil vom einbringen jedes einzelnen. es folgt, dass ein stark eingreifender staat eine demokratie sein kann, es aber nicht sein muss.

ich stimme dir zu, dass die demokratie nicht das allheilmittel ist, wie viele politiker und wissenschaftler glauben, es kommt auf die bedürfnisse der situation und die jeweiligen territorialspezifischen gegebenheiten an. schon rousseau erkannte das, obwohl streiter für die demokratie. er schlug die monarchie für sehr große staaten vor, da dort der verwaltungsmehraufwand einer demokratie und die masse von menschen eine volksregierung von vornherien zum scheitern verurteilt hätten
 
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