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Gottfried Benn

wort-schatz

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19. Mai 2005
Beiträge
10.053
Vor 50 Jahren, am 7. Juli 1956, starb Gottfrie Benn
(auf Wunsch habe ich das Thema hierher gezogen)

Gottfried Benn hat sich als Dichter (und Arzt) zur Form und Kunst bekannt, in denen sich der Geist innerhalb des Wertezerfalls durchsetzt. Ich persönlich finde, dass von seinen Gedichten eine nicht enden wollende Faszination ausgeht.

Er hat u.a. auch ein Gedicht geschrieben, das vom Titel her gut ins Forum passt und vielleicht das Gesagte unterstreicht..


V e r s e

Wenn je die Gottheit, tief und unerkenntlich,
in einem Wesen auferstand und sprach,
so sind es Verse, da unendlich
in ihnen sich die Qual der Herzen brach;
die Herzen treiben längst im Strom der Weite,
die Strophe aber streift von Mund zu Mund,
sie übersteht die Völkerstreite
und überdauert Macht und Mörderbund.

Auch Lieder, die ein kleiner Stamm gesungen,
Indianer, Yakis mit Aztekenwort,
längst von der Gier des weißen Manns bezwungen,
leben in stillen Ackerstrophen fort:
„komm, Kindlein, komm im Schmuck der Siebenähren,
komm, Kindlein, komm in Kett’ und Yadestein,
der Maisgott stellt ins Feld, uns zu ernähren,
den Rasselstab und du sollst Opfer sein -“

Das große Murmeln dem, der seine Fahrten
versenkt und angejocht dem Geiste lieh,
Einhauche, Aushauch, Weghauch - Atemarten
indischer Büssungen und Fakirie -,
das große selbst, der Alltraum, einem Jeden
ins Herz gegeben, der sich schweigend weiht,
hält sich in Psalmen und in Veden
und spottet alles Tuns und trotz der Zeit.

Zwei Welten stehn im Spiel und Widerstreben,
allein der Mensch ist nieder, wenn er schwankt,
er kann vom Augenblick nicht leben,
obschon er sich dem Augenblicke dankt;
die Macht vergeht im Abschaum ihrer Tücken,
indes ein Vers der Völker Träume baut,
die sie der Niedrigkeit entrücken,
Unsterblichkeit im Worte und im Laut.​
 
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und Miriam schrieb:
Zitat

Nur zwei Dinge

Durch so viele Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage-
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.​
 
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auch noch ein Benn

Am Saum des nordischen Meer’s

Melancholie der Seele -,
ein Haus, eine Stimme singt,
es ist ein Haus ohne Fehle,
wo englisch money klingt,
ein Heim von heiteren Losen
geselligen Verkehrs,
vier Wände aus Silber und Rosen
am Saum des nordischen Meer’s.

Sie singt -, und die hohe Klasse
der Nord- und English-Mann,
die gierige weiße Rasse
hält den Atem an,
auch die Ladies die erlauchten,
geschmückt mit Pelz und Stein
und den Perlen, den ertauchten
um die Inseln von Bahrein.

Die Stimme singt -, ohne Fehle,
fremde Worte sind im Raum:
„ruhe in Frieden, Seele,
die vollendet süßen Traum -“
vollendet -! und alle trinken
die Schubertsche Litanei
und die Räuberwelten versinken
von Capetown bis Shanghai.

Geschmuggelt, gebrannt, geschunden
in Jurten und Bambuszelt,
die Peitsche durch Niggerwunden,
die Dollars durch Opiumfeld -:
die hohe Klasse aus Norden,
die abendländische Pracht
im Raum ist es still geworden -
aus die Mythe der Macht!

Fern, fern aus Silber und Rosen
das Haus und die Stimme singt
die Lieder, die grenzenlosen,
die ein anderes Volk ihr bringt,
die machen die Macht zur Beute
einer anderen Mächtigkeit:
der Mensch ist ewig und heute
fernen Himmeln geweiht.

Englische - finnische Wände -:
Häuser -, die Stimme singt:
Germany ohne Ende,
wenn german song erklingt,
dann ist es ohne Fehle
und gibt seinen Söhnen Ruh’ -,
Melancholie der Seele
der weißen Rasse, du.​
 
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