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Der Scheiterhaufen - ein alter Brauch

Sie hat mir immer wieder von Beuthen ezählt und das als ihre (verlorene) Heimat geschildert.

Gottseidank waren meiner Eltern da anders, die haben der "verlorenen Heimat" keine Träne nachgeweint. Denn denen ging es im Westen besser, als es ihnen in Schlesien je gegangen ist.

Diese ganze Geschichte mit der verlorenen Heimat halte ich (zumindest für diese Generation) für eine romantische Projektion, naiv im Grunde. Das ist ein Rückblick auf eine goldene Vergangenheit, die es so nie gab. Ein Sehnsuchtsort, wie Robinson Cruseos Insel oder Timbuktu, wo alle Dächer gülden sind und der Weihnachtsmann wohnt. Und wenn man sich's dann viele Jahre später anschaut, dann stellt man irgendwie fest: Ach Gottchen, das ist doch aber auch ganz schön popelig hier.

Mein Bruder hat sich in den 90ern ein Haus in Polen gekauft, im früheren Pommern. Eines Tages kam da so eine Tante daher, Deutsche aus den Nebulä, die sagte, darf ich mir das ansehen, ich habe hier als Kind gelebt.
Okay, er hat sie einmal herumgeführt, da hat sie gemeint, ach das war doch früher ganz anders, warum haben sie denn hier dies gemacht und da das, das geht doch nicht ... und schließlich ist sie immer wieder gekommen und gemeint, sie könne zu allem ihren Senf dazu geben. Dann hat mein Bruder gesagt: Dies ist heute mein Haus und Sie gehen jetzt, Sie sind hier nicht willkommen.
Dann sie schnapp-beleidigt abgezogen und ward nicht mehr gesehen.

Als Kind habe ich in einer Mietswohnung gewohnt, aus der wir dann auszogen. Man stelle sich mal vor, ich ginge jetzt zu dieser Wohnung, klingelte da und würde sagen: In der Wohnung habe ich als Kind gewohnt, darf ich mir mal Ihre Wohnung ansehen? Dann denkt sich der, der da heute wohnt: Achso, wieder so ein Geisteskranker, aber gut, dann mache ich das mal, dann geht der auch wieder. Und dann laufe ich da in der Wohnung rum und sage: Schauen Sie, da war früher ein Kachelofen, warum haben Sie den denn weggerissen? Die Tür, die hat jetzt eine andere Farbe, das gefällt mir aber gar nicht.:D
Und dann komme ich wieder und wieder, weil ich glaube, ich könnte bei dem in der Küche sitzen und Kaffee trinken.
Da würde man doch auch sagen: Der hat doch einen an der Klatsche, oder?

Gut, diese Generation, die hat ja wenigstens noch da gelebt, wenn auch als Kinder. Ich selbst habe die "verlorene Heimat" aber nie gesehen. Warum sollte ich Schlesier sein? Ein "Abstammungs-Schlesier im Hupkaschen Sinne" (Herbert Hupka, 1915-2006, war 1968-2000 Präsident der Landsmannschaft Schlesien, einem Vertriebenenverband)?
So etwas wie die "Schlesische Jugend" (Jugendorganisation der LS) ist mir Gottseidank erspart geblieben. :eek:
Was ist denn das überhaupt für ein Anachronismus?
Warum gibt es denn überhaupt noch "Vertriebenen"verbände? Die Vertriebenen waren damals Kinder und sind heute steinalt - bestenfalls. Ehrlicherweise müsste man sagen: Sie sind alle tot. Was bin ich denn für ein Vertriebener, was habe ich denn mit "Flucht & Vertreibung" zu tun? Das Land ist Polen. Den Dialekt meiner Vorfahren spreche ich nicht (und die waren z.T. auch Polen, auch mein Nachnahme ist polnisch) und teilweise verstehe ich ihn nicht einmal. Außer ein paar wenigen Spezialitäten kann ich an meiner weiteren Familie auch keine spezifisch "schlesische Kultur" erkennen. Sollte ich irgendwelche Trachten tragen und in schlesischen Volkstänzen herumhampeln? Kann man schon machen, aber was wäre es anderes, als übte ich im Federschmuck indianische Volkstänze?

Das ist alles Disneyland - es ist, als stünde ich vor Schloss Neuschwanstein und sagte: Ja, so haben sie gelebt, die alten Ritter.
 
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Gottseidank waren meiner Eltern da anders, die haben der "verlorenen Heimat" keine Träne nachgeweint. Denn denen ging es im Westen besser, als es ihnen in Schlesien je gegangen ist.
Es gibt oder gab verschiedene Kriterien für Heimat und ein Bekennen oder Ablehnen dazu. Die Abstraktion auf Rechte und Pflichten läßt eben "Gefühle" für Heimat nicht mehr zu: Wie heißts in den Märchen: arm aber glücklich - ein Widerspruch? Vielleicht sollte es heißen: arm UND glücklich.
Ich erinnere mich mit verschiedenen Gefühlen an die Zeit bis zu meinem 18.Lebensjahr zurück - dann hats mich in verschiedene Gebiete "vertragen" - für diese Zeit verwende ich - in der Erinnerung - den Begriff Heimat.
 
.....Ich empfinde "Heimat" auch weniger "als Ort", sondern mehr als "Erinnerung" an: "Kindertrotz, einen staubigen Dachboden, einen Geruch" usw....! Und wenn es denn "doch ein Ort" sein soll, so ist der "überall" dort, wo "ich mich" wohlfühle!.....

meint plotin
 
.....Ich empfinde "Heimat" auch weniger "als Ort", sondern mehr als "Erinnerung" an: "Kindertrotz, einen staubigen Dachboden, einen Geruch" usw....! Und wenn es denn "doch ein Ort" sein soll, so ist der "überall" dort, wo "ich mich" wohlfühle!..... meint plotin
Das persönliche Einschätzen von Heimat ist sicher sehr individuell. wenn ich mich allerdings mit anderen Leuten über Heimat etc. unterhalte, wird der örtliche Bezugspunkt wahrscheinlich "DAS" Kriterium.
 
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