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Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Lilith schrieb:
Freier Wille – das heißt, ich bin weder von irgendwelchen äußeren Umständen abhängig, wie z.B. meinen körperlichen Möglichkeiten oder meinem sozialen Umfeld, noch gibt es geistige Beschränkungen. Mein Wille ist das Steuerelement, das mich zum Herrn über alles andere in der Natur macht. Er stünde nur in Konkurrenz mit dem Willen meiner Mitmenschen.

Liebe Lilith,

auf einige deiner Gedanken möchte ich gerne eingehen - um sie auch manchmal zu hinterfragen.

Der freie Wille bedeutet nicht, dass wir nicht auch von einigen Koordinaten abhängig sind. Ich nenne mal ganz banal und etwas ungeordnet: wo wir geboren wurden, in welcher Zeit wir leben, physische Merkmale (na ja, mit meinen 1,57 bin ich oft nicht so ganz unabhängig von einer Leiter …), etc…
Aber lass uns bei dieser Leiter bleiben: ich bin zwar abhängig von ihr, ob ich auf sie steige oder nicht, das entscheide ich durch meinem Willen. Also wird unter freien Willen eigentlich unsere Möglichkeit und auch Fähigkeit zwischen zwei oder mehreren Handlungsweisen zu entscheiden, verstanden – nicht eine völlige Unabhängigkeit von äußeren Gegebenheiten.
Und diese Gegebenheiten können noch lange nicht unsere Sicht auf die Welt determinieren, nicht die Art bestimmen in der wir in ihr agieren oder wie wir die Ereignisse die sich abspielen, bewerten.

Die Möglichkeiten zwischen denen wir unsere Wahl treffen, uns entscheiden, sind so begrenzt nicht und etwas weiter gedacht, nicht von einem höheren Wesen bestimmt - dies meine Auffassung.
Genau das wäre ja eine deterministische Sichtweise, die, wenn du den Gedanken weiter verfolgst, uns sogar von jeder Schuld frei sprechen würde, und unser ganzes Strafrecht als ein Unrecht erscheinen liesse. Denn es besteht keine Schuld, da wo kein freier Wille besteht, wenn das Handeln allein von den bestehenden Koordinaten abhängig ist.

Noch auf einen Punkt deines Beitrages möchte ich eingehen, der nicht unmittelbar mit dem freien Willen zu tun hat, sondern mit der Art wie Ereignisse in unserer Welt sich gegenseitig beeinflussen:

Lilith schrieb:
Ist es nicht vielmehr so, dass alles, was in dieser Welt geschieht, mit allem in Verbindung steht? Jede kleine Bewegung überträgt sich auf das Ganze, eine kleine Welle im Ozean verbreitet sich über die ganze Welt...

Lilith schrieb:
Die kleine Welle im Ozean entstand vielleicht durch ein kleines Seebeben, das durch eine Gesteinsverschiebung ausgelöst wurde.

Diese Sätze erinnert an die oft zitierte Aussage über den Schlag eines Schmetterlingflügels der am anderen Ende der Welt ein Erdbeben auslösen kann, und der in Verbindung mit der Chaostheorie oft zu hören ist. Anders ausgedrückt besagt er, dass kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Auf dieser Weise übernommen, ist der Satz falsch, und so wie ich ihn erwähnte, wie er leider oft auch zitiert wird, ist er auch unvollständig. Erstens befindet sich auch der Schmetterling in einem System, seine Bewegung, hier als Ursache betrachtet, kann ihrerseits Wirkung sein.

Die Aussage stammt eigentlich von Edward Lorenz, und bei ihm heisst es:

1. Wenn ein einziger Flügelschlag eines Schmetterlings die Auslösung eines Tornados zur Folge haben kann, so gilt dies ebenso für alle vorhergehenden und folgenden Flügelschläge und so wie für die von Millionen anderer Schmetterlinge ohne zu sprechen von den unzähligen viel stärkeren Lebewesen, insbesondere unserer eigenen Spezies.

2. Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auslösen kann, dann kann er auch den Effekt haben, ihn zu verhindern

So komplex - und oft unvorhersehbar - sind im Grunde genommen die Zusammenhänge in unserem Universum und wenn wir nach Ursachen suchen oder wenn wir denken sie entdeckt zu haben, bewegen wir uns manchmal schon am Rande des Determinismus.

Angewendet auf unser persönliches Handeln, laufen wir Gefahr die Willensfreiheit in Frage zu stellen. Aber weisen wir dabei nicht auch jede Verantwortung von uns?
Deswegen wollte ich eigentlich noch die Erkenntnisse mancher Neurobiologen erwähnen, aber nun war es verlockend erstmal auf deinen Beitrag Lilith, einzugehen.

Liebe Grüße in die Runde

Miriam
 
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AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Liebe Lilith,

auf einige deiner Gedanken möchte ich gerne eingehen - um sie auch manchmal zu hinterfragen.

Der freie Wille bedeutet nicht, dass wir nicht auch von einigen Koordinaten abhängig sind. Ich nenne mal ganz banal und etwas ungeordnet: wo wir geboren wurden, in welcher Zeit wir leben, physische Merkmale (na ja, mit meinen 1,57 bin ich oft nicht so ganz unabhängig von einer Leiter …), etc…
Aber lass uns bei dieser Leiter bleiben: ich bin zwar abhängig von ihr, ob ich auf sie steige oder nicht, das entscheide ich durch meinem Willen. Also wird unter freien Willen eigentlich unsere Möglichkeit und auch Fähigkeit zwischen zwei oder mehreren Handlungsweisen zu entscheiden, verstanden – nicht eine völlige Unabhängigkeit von äußeren Gegebenheiten.
Also hat der Ausdruck "freier Wille" gar nichts mit Freiheit zu tun, wenn er doch nur soweit frei ist, wie er nicht an die Grenzen unseres vorgegebenen Gefängnisses (=unsere Lebensumstände) stößt. Das bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass der Begriff nicht richtig angewendet wird.

Und diese Gegebenheiten können noch lange nicht unsere Sicht auf die Welt determinieren, nicht die Art bestimmen in der wir in ihr agieren oder wie wir die Ereignisse die sich abspielen, bewerten.
Woraus ziehst du diese Schlüsse? Welche Erfahrungen hast du gemacht, die dich so sicher machen, dass da der freie Wille im Spiel war/ist?

Die Art, wie wir in der Welt agieren, hat mehr mit der Erfüllung unserer Bedürfnisse zu tun. Und diese Bedürfnisse sind wiederum von unseren Lebensumständen stark bestimmt. Bewerten hat eher etwas mit Gedanken zu tun als mit Handeln. Denken kann ich viel, aber den Willen einzusetzen heißt, auch zu handeln.

Die Möglichkeiten zwischen denen wir unsere Wahl treffen, uns entscheiden, sind so begrenzt nicht und etwas weiter gedacht, nicht von einem höheren Wesen bestimmt - dies meine Auffassung.
Genau das wäre ja eine deterministische Sichtweise, die, wenn du den Gedanken weiter verfolgst, uns sogar von jeder Schuld frei sprechen würde, und unser ganzes Strafrecht als ein Unrecht erscheinen liesse. Denn es besteht keine Schuld, da wo kein freier Wille besteht, wenn das Handeln allein von den bestehenden Koordinaten abhängig ist.
Ja, es ist eine Befreiung von Schuld. Von jener Schuld, die einer Verurteilung durch einen Richter entspricht. Eine solche Verurteilung verhindert nämlich die Eigenverantwortung eines Täters. Der entscheidet sich für eine Handlung, die er gar nicht anders durchführen konnte, als er es tat, und ist dennoch verantwortlich. Er ist mitverantwortlich, gemeinsam mit dem gesamten Universum. Und damit hat er auch die Möglichkeit, die Folgen seines Handelns wahrzunehmen, weil er nicht mit Entschuldigungen und Rechtfertigungen für schon Geschehenes beschäftigt ist, sondern einen freien Blick auf das hat, was als nächste Handlung zu setzen ist, um einen Fehler zu korrigieren.

2. Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auslösen kann, dann kann er auch den Effekt haben, ihn zu verhindern

So komplex - und oft unvorhersehbar - sind im Grunde genommen die Zusammenhänge in unserem Universum und wenn wir nach Ursachen suchen oder wenn wir denken sie entdeckt zu haben, bewegen wir uns manchmal schon am Rande des Determinismus.
Gibts die Komplexität nun oder nicht? Hängt alles zusammen oder nicht? Ob ein Schmetterling einen Tornado auslöst oder verhindert - wer kann das vorhersehen? Aber ob der Schmetterling überhaupt mit dem Flügel schlägt, hängt auch von den Umständen ab.
Wir können es einfach nicht ermessen, welche Auswirkungen unsere Taten haben. Aber dass sie Auswirkungen haben, das wissen wir.Wie wollen wir also entschieden, was "richtigerweise" zu tun ist? Wir können Meinungen austauschen, um zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen, aber auch das funktioniert nur, wenn schon Anknüpfungspunkte gegeben sind.

Angewendet auf unser persönliches Handeln, laufen wir Gefahr die Willensfreiheit in Frage zu stellen. Aber weisen wir dabei nicht auch jede Verantwortung von uns?
Wie ich schon weiter oben (bei der "Schuld" geschrieben habe: Verantwortung ist nicht das selbe wie Schuld. Wieso sollten wir uns nicht mehr verantwortlich fühlen? Wenn ich weiß, dass meine Handlungen, auch wenn sie das Ergebnis des Zusammenwirkens der Gesamtheit sind, weitere Handlungen nach sich ziehen, dann bin ich, quasi als Mittäter im ganzen Universum, auch mitverantwortlich. Ich brauche keine Rechtfertigung, aber ich habe das zu tun, was zu tun ist. Das Wissen um diese Zusammenhänge bewirkt sogar ein stärkeres Verantwortungsgefühl, weil mein Tun ja nicht nur vor einem "imaginäre Gott" Bestand haben muss, sondern Auswirkungen auf das Gesamtgefüge des Universums hat.
Solange ich mich mit fadenscheinigen Ausreden selbst beschwichtige, dass ich schon "das Richtige" getan hätte, nehme ich die Auswirkungen meines Handelns gar nicht wahr. Das "Richtige" ist dabei allerdings nichts als eine Kopfgeburt, ein idealisiertes Weltbild. Das was ich wirklich tue, wird dabei nicht gesehen, wenn es nur in einer angeblich "guten" Absicht getan wird.

Unsere Handlungen sind nicht so frei, wie uns unser Denken oft vorgaukelt.

Deswegen wollte ich eigentlich noch die Erkenntnisse mancher Neurobiologen erwähnen, aber nun war es verlockend erstmal auf deinen Beitrag Lilith, einzugehen.
Die neurobiologischen Erkenntnisse werden mMn auch als Gratwanderung zum Determinismus gesehen. Es ist für mich aber kein Wunder, dass das geschieht. Denn solange Schuldzuweisung notwendig ist, sind Argumente, die "falsche" Handlungen rechtfertigen können, zur Verteidigung notwendig.

Zur Ergänzung: Ich sehe uns Menschen als Teil der Natur, als gleichwertigen Mitspieler im Universum. Wir haben dennoch eine Sonderstellung, die uns aber nicht erlaubt, uns wichtiger als alles andere zu nehmen.
Die Sonderstellung hat etwas damit zu tun, dass wir Zusammenhänge in einem gewissen Umfang erkennen können. Wir haben gewisse Gesetzmäßigkeiten erkannt, nach denen die Abläufe in der Natur funktionieren. Wir haben mit Hilfe der Technik gelernt, uns bequemer mit der Natur zu arrangieren.
Aber wir haben noch sehr wenig davon erkannt, wie wir selbst funktionieren. Ich meine nicht, wie wir biologisch aufgebaut sind, sondern die Zusammenwirkung unseres Denkvermögens mit der Umsetzung in Handlungen. Es verwundert mich oft, wie stark sich viele Menschen mit ihrer Meinung identifizieren, so dass sie davon überzeugt sind, das sei die absolute Wirklichkeit. Sie treffen Entscheidungen, die sich nicht aus der bestehenden Realität ergeben, sondern aus ihren Denkmodellen und wundern sich nachher, dass sie dauernd mit irgendetwas oder irgendjemandem Schwierigkeiten haben.

Sogar bei jenen, die sich in der "geschlossenen Abteilung" Philosophie umtun, jene, die fähig sind, Fragen zu stellen und neue Antworten von mehreren Seiten zu betrachten, ist es noch sehr üblich, das alltägliche Tun unhinterfragt zu lassen.

So geschieht es, dass die alten Meister der Philosophie und der Religionen fast mit Ehrfurcht gelesen und durchdacht werden, das eigene Leben aber davon unbeleckt bleibt.

herzlich
lilith

P.S.: Mit diesem Thema beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren, nicht nur in der Theorie. Es war auch meine Hauptmotivation, mich hier im Forum einzubringen und umzuhören. Verzeiht mir also bitte meine "Ausschweifungen", ich komme da leicht vom Hundersten ins Tausendste. :geist:
 
zu #10 und #12

liebe lilith,
selten schreibe ich dir direkt zu einem beitrag im forum (kann ich dir doch alles auch direkt sagen) - diesmal aber muss ich dich coram publico zu deinen beiden beiträgen s.o. beglückwünschen. :blume1: :blume1: :blume1:

perfekt!

:kuss1: kathi
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Hallo Lilith!
Du bevorzugst so wie auch ich oft gerne den Gesamtblick, alles hängt irgendwie zusammen und beeinflusst sich gegenseitig, wodurch wir kleinen Menschen aber nur allzu leicht den Überblick verlieren können, weil wir nie und nimmer die Zusammenhänge alle verstehen können, höchstens ein bisschen erahnen. Schließlich haben wir ja diesen Bauplan nicht gemacht, dessen Bestandteil wir selber ja auch sind, wir wissen nicht einmal, ob ein solcher überhaupt von jemand gemacht wurde (von einem höheren Wesen, was wahrscheinlich die meisten glauben) oder ob alles nur Zufall ist.

An Zufall mag man nicht so recht glauben, wenn man an so große Wunder denkt wie das Leben eines ist. Andererseits kommt man nur allzu leicht in Versuchung zu hinterfragen, ob Gott nicht "ein anderes Drehbuch" schreiben hätte können (© Fortuna), in Anbetracht der Kriege, Krankheiten und Verfolgung der Menschen untereinander. Aber das wäre schon ein anderes interessantes Thema, Deine Betrachtungsweise des Gesamten hat mich jetzt ein wenig dazu verleitet, dadurch gerate ich immer wieder so leicht "off topic". Ich hoffe, der Thread-Eröffner kann mir das nachsehen. ;)

Grundsätzlich denke ich aber bei Deinen Ausführungen und praktischen Beispielen an die Frage von Wirrlicht (ich nehme an, er/sie hat sie an mich gestellt).

>>>Auf was bezieht sich denn deine Frage genau - nur auf das, was man "will", oder darauf, ob man seinen Willen "frei" umsetzen kann?

Für mich liegt die Bedeutung des freien Willens nur im Entschluss, etwas zu tun. Ob dieser Entschluss dann umsetzbar ist, hängt von vielen anderen Dingen ab: Von einem Generalstreik der Bundesbahn, wodurch ich meinen gefassten Entschluss einer Bahnreise nicht umsetzen kann oder von den Naturgesetzen, die mir das Fliegen wie ein Schmetterling verhindern, auch wenn ich das will. Oder es scheitert ganz einfach daran, dass der freie Wille eines Anderen stärker ist als meiner - ob mir ein Anderer jetzt die Pistole ansetzt und meinen Willen bricht oder ob er/sie mir geistig überlegen ist und mir das zu spüren gibt, das ist egal: der Wille ist so gesehen für uns alle frei, aber nicht immer können wir ihn eben verwirklichen.

Im letzten Beitrag schreibst Du:
>>>Aber wir haben noch sehr wenig davon erkannt, wie wir selbst funktionieren. Ich meine nicht, wie wir biologisch aufgebaut sind, sondern die Zusammenwirkung unseres Denkvermögens mit der Umsetzung in Handlungen.

So sehe ich es auch. Aber das beinhaltet zugleich auch die Einsicht, dass es nicht so sein muss, wie ich es mir erkläre, d. h. auch der freie Wille im Sinn der Deterministen könnte "der Wahrheit" näher kommen. Aus dieser meiner Sicht bleiben uns ständig neue Fragen, neue Antworten und neue Zweifel.
Selig die Menschen, die nicht zweifeln, denn ihrer ist das Himmelreich.
(Ist nur eine "halbe Ironie", ich zähle mich leider nicht dazu).

Danke für diese wunderbaren Gedanken und neuen Gedankenimpulse!

Hallo Miriam!
Ich habe schon heute Früh Deinen fundierten Beitrag gelesen, aber leider noch keine Zeit gefunden, darauf einzugehen. Einen Beitrag zu schreiben ist momentan schon das höchste der Gefühle für mich, aber ich warte ohnehin neugierig schon auf die Fortsetzung, z. B. auf Libet! :)

lg
Andreas
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Hallo Andreas,

es haben schon weitaus kundigere und klügere Menschen auf dieses Thema geantwortet und deshalb hoffe ich, dass ich niemanden mit meinem relativ unkundigen Beitrag grämig mache.

Es gibt so oft Situationen im Leben, wo man Tage, Wochen oder gar Jahre etwas abwägt und dann eine Entscheidung fällt, aber das genaue Gegenteil der Entscheidung tut, wenn es zur Umsetzung kommt. Eine innere Eingebung? Oder die Angst vor falschen Entscheidungen? Oder ist es doch nur ein innerer Trieb der "Nein, da hab ich noch ein Wörtchen mitzureden" sagt?
Ehrlich gesagt weiß ich es nicht, aber ich denke auf jeden Fall, dass oft genug der Geist stark ist, das Fleisch jedoch schwach, womit ich keine Charakterschwäche andeuten möchte, sondernd die inneren Stimmen, die einem zu einem instinktiv gesteuertem Verhalten zwingen.

Als gesunder Agnostiker sage ich auch:
Sollte es einen Gott geben, dann greift er nur dann in das Leben ein, wenn man ihn darum bittet. (Christliche Ideologie: "Wer suchet, der findet") Für den Rest derer, die sich ihm nichtmehr zuwenden wollen, hat er jedoch nur Wenig übrig und auch keinen Plan geschmiedet.

mfG Ginsi
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Hallo Lilith,

lilith schrieb:
Aber wir faseln vom freien Willen, weil wir glauben, eine Entscheidung, ob ich meinem Gegenüber eine in die Fresse haue oder ob ich ihn doch freundlich grüße, entspringt meinem Willen. NEIN, ich habe nur die Spielregeln gelernt. Ich komme einfach besser aus mit meinen Mitmenschen, wenn ich gesellschaftliche Spielregeln einhalte. Was ist daran frei?
Ich weiß jetzt nicht so recht, ob es deiner Meinung nach überhaupt einen (individuellen) Willen gibt. Gibt es einen?

Minni
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Nein? Dann habe ich doch richtig gelesen.

Und ein "Wunsch"? Gibt es den?

Minni
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Wenn ich nun nur Lilith anspreche, geschieht dies weil ich mich auf die Beantwortung einiger ihrer Fragen beschränken möchte.

Spannend, liebe Lilith, aber auch schwierig, denn so widersprüchlich dies auch klingen mag: mein freier Wille ist etwas eingeengt durch die Erkenntnisse der Neurobiologie, die mich irgendwie zwingen mich für die eine oder die andere ihrer Richtungen zu entscheiden.
Nun verschiebe ich erneut den Wunsch darüber etwas zu schreiben, werde aber versuchen es spätestens morgen zu tun.

Lilith schrieb:
Also hat der Ausdruck "freier Wille" gar nichts mit Freiheit zu tun, wenn er doch nur soweit frei ist, wie er nicht an die Grenzen unseres vorgegebenen Gefängnisses (=unsere Lebensumstände) stößt. Das bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass der Begriff nicht richtig angewendet wird.

Ich denke, dass man zwischen Freiheit (im absoluten Sinne) und freien Willen unterscheiden müsste. Nein, eine absolute Freiheit gibt es sicher nicht. Lass es mich so definieren: wir verfügen über unseren freien Willen innerhalb eines Gefängnisses das wir uns paradoxerweise selber errichtet haben – auch wenn dieses Gefängnis keine (sichtbaren) Wände besitzt.
Wieso wir uns dieses Gefängnis erbaut haben? Nun, hauptsächlich wegen unseres Bedürfnisses nach Sicherheit. Dazu gehört auch der Wunsch nach materieller Absicherung. Ich schreibe dies nicht ohne zu wissen, dass mir selber dieses Sicherheitsbedürfnis gar nicht fremd ist und, dass ich mir auch einige Gefängniszellen deswegen errichtet habe.
Insofern sind wir ja auch geprägt durch eine Gesellschaft in der man sich das Fehlen existentieller Sicherheit sicher nicht leisten kann.

Aber innerhalb dieser Existenz gibt es m.E. genügend Freiraum um sich zwischen unterschiedlichen Optionen entscheiden zu können.

Miriam schrieb:
Und diese Gegebenheiten können noch lange nicht unsere Sicht auf die Welt determinieren, nicht die Art bestimmen in der wir in ihr agieren oder wie wir die Ereignisse die sich abspielen, bewerten

(musste mich selber zitieren um deine Frage in den Kontext zu stellen)

Lilith schrieb:
Woraus ziehst du diese Schlüsse? Welche Erfahrungen hast du gemacht, die dich so sicher machen, dass da der freie Wille im Spiel war/ist?

Durch deine Frage erst habe ich darüber nachgedacht – und ich denke, dass es da zwei entscheidende Lebensphasen gegeben hat: die erste war mein Leben in einer Diktatur (Rumänien) – sowohl meine Freunde als auch ich wären sicherlich da zugrunde gegangen, hätten wir uns nicht wesentliche Freiräume, zum Teil innerliche, geschaffen. Da war vielleicht das Gefängnis als Bedrohung richtig spürbar und hatte sogar für einigen meiner Freunde, Wände.
Doch das Unterscheiden zwischen Freiheit und freier Wille (wie gesagt: eher begrenzt auf innere Freiräume), war jeden Tag gegenwärtig. Sich von den äußeren Umständen unabhängig zu machen, bedeutete auch sich des eigenen freien Willens bewusst zu sein, auch wenn unter diesen Umständen der Abstand zwischen freien Willen (innerer Freiraum) und Freiheit (äussere Einschränkung), besonders groß war.

Der zweite Moment der persönlichen Erfahrung mit Freiheit bzw. freien Willen, war die Auswanderung in den Westen, und die Feststellung, dass hier eine Selbsteinschränkung der eigenen Freiheit (siehe oben – das Sicherheitsbedürfnis) auch stattfindet.

Lilith schrieb:
Wenn ich weiß, dass meine Handlungen, auch wenn sie das Ergebnis des Zusammenwirkens der Gesamtheit sind, weitere Handlungen nach sich ziehen, dann bin ich, quasi als Mittäter im ganzen Universum, auch mitverantwortlich. Ich brauche keine Rechtfertigung, aber ich habe das zu tun, was zu tun ist. Das Wissen um diese Zusammenhänge bewirkt sogar ein stärkeres Verantwortungsgefühl, weil mein Tun ja nicht nur vor einem "imaginäre Gott" Bestand haben muss, sondern Auswirkungen auf das Gesamtgefüge des Universums hat.

Ich stimme dir zu – aber wir sollten eines nie vergessen: das Individuum ist nur ein kleines Detail in der Landschaft. Dies nicht um Verantwortung von uns weg zu schieben, aber einfach nur um uns nicht zu überschätzen. Und auch weil ich denke, dass ein übersteigertes Gefühl der Verantwortung nicht unbedingt förderlich ist.

Zum Schluß möchte ich noch Henri Bergson zitieren: "Als freies Handeln bezeichnen wir das, was unsere ganze Perönlichkeit zum Ausdruck bringt".
Kann es nicht sein, dass auch durch die Unterschiedlichkeit unserer Persönlichkeiten der Begriff freies Handeln bzw. freier Wille so unterschiedlich verstanden wird?

Liebe Grüße

Miriam
 
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AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Also hat der Ausdruck "freier Wille" gar nichts mit Freiheit zu tun, wenn er doch nur soweit frei ist, wie er nicht an die Grenzen unseres vorgegebenen Gefängnisses (=unsere Lebensumstände) stößt. Das bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass der Begriff nicht richtig angewendet wird.


Woraus ziehst du diese Schlüsse? Welche Erfahrungen hast du gemacht, die dich so sicher machen, dass da der freie Wille im Spiel war/ist?

Die Art, wie wir in der Welt agieren, hat mehr mit der Erfüllung unserer Bedürfnisse zu tun. Und diese Bedürfnisse sind wiederum von unseren Lebensumständen stark bestimmt. Bewerten hat eher etwas mit Gedanken zu tun als mit Handeln. Denken kann ich viel, aber den Willen einzusetzen heißt, auch zu handeln.

Hallo Lilith,
liebe Miriam,

ich glaube, der Knackpunkt der zwischen Euch bestehenden Kontorverse liegt darin, wie man das Bestehen von Freiheit hinterfragt, theoretisch oder praktisch:

Um noch einmal Kant zu bemühen: Sofern ich Teile seiner Erkenntnistheorie richtig verstanden habe (was ich mir nicht unbedingt anmaßen möchte) gehört Freiheit ebenso wie die Seele und Gott zu den transzendentalen Ideen, die sich dem Erkenntisvermögen entziehen, d.h. nicht beweisbar sind.
Freiheit gehört für Kant ins Reich der Ideen, die seiner Ansicht nach "gedacht" werden müssen (ebenso wie Seele und Gott seiner Ansicht nach auch, was aber für unsere Frage mir nicht von Bedeutung erscheint).
So ganz kann ich als blutiger Anfänger in Sachen Philosophie Kant zwar in seiner Logik nicht folgen, denn mir scheint, daß er eigentlich in dem Moment seine klare Linie verläßt, in dem er sich auf Ideen zurückzieht. (Ich bin zuversichtlich, daß mir das jemand vom Fach im Verlauf der künftigen Diskussionen eingehender erläutert).

Bedenkt man aber, daß in der Philosophie des Königsbergers mehr und mehr der Zielpunkt der praktischen Vernunft/ Ethik in den Fokus geriet, wird deutlich, daß ohne Freiheit die Moral auf wackeligen Füßen steht. Wie soll selbstbestimmtes Handeln gefordert werden, wenn Freiheit als Voraussetzung gar nicht existiert? In der Tat wäre ohne jedem Straftäter die Ausrede der schweren Kindheit, miesen Gesellschaft oder gar des Befehlsnotstandes immer offen. Der Mensch als Opfer seiner Verhältnisse.

Die "Streitfrage" wird sich daher schlecht entscheiden lassen.
Vom theorethischen Standpunkt wird sich Freiheit in der Tat nie beweisen lassen. Vom praktischen Standpunkt erscheint mir der sich mir momentan noch nicht ganz logische Kants Verweis auf Freiheit als notwendige Idee durchaus nachvollziehbar. Freilich enthebt dies den einzelnen nicht der Verantwortung, wie er mit dieser Freiheit umgeht.

Viele Grüße
Zwetsche
 
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