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Das antinatalistische Argument

Doch, der Sinn der Nichtreproduktion ist der, dass man nicht eine weitere Seele aus dem Paradies der Nichtexistenz herausreißt und sie hier auf die Erde holt, wo sie in einem fragilen Körper allen möglichen Gefahren ausgesetzt ist. Es wäre eine andere Situation, wenn wir klare Beweise dafür hätten, dass Seelen inkarniert werden wollen. Diese gibt es aber nicht, es gibt nur religiöse Glaubensideen, die das andeuten, aber das ist mir zu dünn, um die Verantwortung für eine tatsächliche Inkarnation zu tragen.
Klingt nach Gedanken, deren Grundlage die Ansicht ist, das Leben wäre primär eine Bürde.
Sie ist alles andere als sinnlos, sie ist vielmehr die wichtigste Diskussion überhaupt. Ich frage mich ja, wie die Menschen einfach so dahin leben und eben auch Kinder zeugen können, ohne dass das geklärt ist.
Das machen Lebewesen nun einmal so, das ist der Lauf der Natur. Das heißt natürlich nicht, dass es dadurch moralisch gerechtfertigt ist oder für immer so bleiben müsse, aber schlagkräftige Argumente dafür, Menschen davor abzuraten oder ihnen gar zu verbieten sich fortzupflanzen, sind mir bislang noch keine untergekommen.
Vielleicht denke ich aber auch einfach zu viel nach. Kann sein. Ich will auch gar nicht abstreiten, dass man den allermeisten Kindern ihre Lebensfreude anmerkt, was ja ein Argument gegen Antinatalismus ist, nur: zum einen sind nicht alle Kinder glücklich (wir haben hier in der westlichen Welt einen Lebensstandard, der nicht repräsentativ für die ganze Welt ist und auch dieser Lebensstandard ist jederzeit gefährdet und kann wegfallen) und zum anderen werden diese Kinder irgendwann erwachsen sein und dann ist es mit der Lebensfreude oftmals vorbei.
Es steht ja jedem handlungsfähigen Menschen frei, aus dem Leben zu scheiden, wenn er seine Nichtexistenz für besser hält. Und manche tun es ja auch.
Damit sprichst du sogar ein Kernargument des Antinatalismus aus. Die Ungeborenen bleiben verschont von all den negativen Aspekten des Lebens und die positiven Aspekte können sie nicht vermissen, weil ein Ungeborener nichts vermissen kann.
Und doch sind es auch die negativen Aspekte, die unser Leben bereichern.
Analoge Frage: wärst du gerne asexuell? Dann wärst du verschont von sexueller Frustration, Enttäuschung und Notstand, und die Wonnen des Sex würdest auch nicht vermissen, da du ja gar kein Bedürfnis hättest. Oder generell: Wärst du gerne emotionslos? Auch dann hättest du die ganzen Vorteile der Nichtexistenz.
Der Kern des Menschen ist nicht die Vernunft, sondern die Leidenschaft - und der Leidenschaft wird durch Nichtexistenz nicht nachgekommen, daher erscheint die Nichtexistenz den meisten Menschen nicht attraktiv.
Menschen pflanzen sich nicht auf Grund irgendwelcher ethischen Verpflichtungen fort (vielleicht einzelne, aber deren Kinder sind arm dran) - Menschen pflanzen sich fort, weil es ein natürlicher Drang ist. Man kann auch sagen, eine natürliche Leidenschaft - die natürlich nicht bei jedem gleich ausgeprägt ist und auch nicht bei jedem zum gleichen Verhalten führt.
 
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Btw, welche Argumentation nicht funktioniert und eventuell natalistisch interpretiert werden könnte, wäre die hypothetische Argumentation von
Angela Ermakova gegenüber Boris Becker, dass ihr Samenraub nichts Verwerfliches war, sondern sie ihm damit einen Gefallen getan hat, zumal er ja seine Tochter liebt und sie nicht missen möchte. Gilt auch für jede andere Variante, jemandem ein Kind "anzuhängen".
 
Klingt nach Gedanken, deren Grundlage die Ansicht ist, das Leben wäre primär eine Bürde.

Ich würde das Leben nicht nur als eine Bürde, sondern vielmehr als eine Zumutung bezeichnen.

Das machen Lebewesen nun einmal so, das ist der Lauf der Natur. Das heißt natürlich nicht, dass es dadurch moralisch gerechtfertigt ist oder für immer so bleiben müsse, aber schlagkräftige Argumente dafür, Menschen davor abzuraten oder ihnen gar zu verbieten sich fortzupflanzen, sind mir bislang noch keine untergekommen.

Wie wäre es mit diesen Argumenten:

- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch glücklich sein wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch keine angeborenen Krankheiten haben wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch im Laufe seines Lebens keine schweren Krankheiten/Unfälle erleiden wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch nicht zu einem Schwerverbrecher wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch nicht Opfer eines Verbrechens wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch zur Erkenntnis gelangt, dass er lieber nicht geboren wäre.
- Und so weiter. Es gibt beinahe unendlich viele mögliche Argumente

Es steht ja jedem handlungsfähigen Menschen frei, aus dem Leben zu scheiden, wenn er seine Nichtexistenz für besser hält. Und manche tun es ja auch.

So redet nur einer, der noch nie in einer ähnlichen Situation war. Zum einen sind alle gängigen Methoden grausam und unsicher und zum anderen ist der blinde Lebenswille unglaublich stark, auch wenn das Leben leiderfüllt ist.

Und doch sind es auch die negativen Aspekte, die unser Leben bereichern.

Es sind sogar nur die negativen Aspekte, die unser Leben bereichern, weil nur die Aufhebung eines Negativums wirklich Befriedigung bringt. Ich habe Hunger, ich esse, ich habe Durst, ich trinke, ich habe eine Erkältung, ich bin froh, wenn die Erkältung wieder weg ist usw. Das bedeutet aber nicht, dass deshalb die negativen Aspekte an und für sich das Leben bereichern, sondern nur die Auflösung derer - was in einen endlosen, niemals ganz zu befriedigenden Kreislauf mündet.

Analoge Frage: wärst du gerne asexuell? Dann wärst du verschont von sexueller Frustration, Enttäuschung und Notstand, und die Wonnen des Sex würdest auch nicht vermissen, da du ja gar kein Bedürfnis hättest. Oder generell: Wärst du gerne emotionslos? Auch dann hättest du die ganzen Vorteile der Nichtexistenz.

Ja, ich wäre gerne asexuell und emotionslos, da muss ich keine Sekunde überlegen.

Der Kern des Menschen ist nicht die Vernunft, sondern die Leidenschaft - und der Leidenschaft wird durch Nichtexistenz nicht nachgekommen, daher erscheint die Nichtexistenz den meisten Menschen nicht attraktiv.

Für mich scheint die Nichtexistenz sogar sehr attraktiv, aber hier sind wir jetzt eben beim speziellen Fall auf mich selber bezogen: Ich glaube nicht, dass nach dem Tod eine Nichtexistenz auf uns wartet, sondern dass es irgendwie weitergeht. Ich glaube auch nicht, dass wir vor unserer Geburt nichtexistent waren, sondern schon in der geistigen Welt existiert haben. Deshalb müsste ich korrekterweise sagen, dass ich lieber niemals aus der geistigen Welt in die irdische Welt gekommen wäre - gleichwohl lehrt aber die Anthroposophie, die ich sehr verinnerlicht habe, dass wir zum einen nach dem Tod rückblickend den Sinn unserer Erdeninkarnation erkennen werden und dass zum anderen von einem Suizid definitiv abgeraten wird, weil dieser negative Folgen nach dem Tod nach sich ziehen wird, also ein negatives Erleben in der geistigen Welt für eine bestimmte Zeit. Insofern sind es weniger die oben genannten Gründe, aus denen ich grundsätzlich die Idee des Suizids ablehne, sondern vielmehr diese Gedanken, dass es gegen den Willen der geistigen Welt geht, wenn man hier sozusagen den Notausgang nimmt. Und so kämpfe ich eben immer weiter und lasse mich nicht unterkriegen, auch wenn ich keinen "irdischen Anlass" dazu erkennen kann. Ich umgebe mich auch grundsätzlich lieber mit lebensbejahenden Menschen, weil der Umgang mit "Gleichgesinnten" nur kurzzeitig eine Erleichterung bringt, wegen dem Gefühl, "nicht allein damit zu sein", langfristig hingegen nimmt man die Welt aber durch die erlangte Bestätigung nur noch schwärzer war, was auch nicht gerade zuträglich ist.

Das alles ist ja letztlich nichts neues. Melancholiker hat es schon immer gegeben und auch Philosophen wie Arthur Schopenhauer, Emil Cioran usw. Wem die schwarze Galle im Blut liegt, der muss eben damit leben. Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, dass nicht viel mehr Menschen so denken, denn aus meiner Sicht drängt sich einem diese Wahrnehmung der Welt geradezu auf. Also ich muss aktiv davor flüchten, um die Welt nicht so zu sehen.

Gegenargument: Wer nichts vermissen kann, der müsste logischerweise alle Eigenschaften von Vollkommenheit in sich tragen, - oder etwa nicht?:rolleyes:

Nichtexistenz bräuchte noch nicht einmal die Vollkommenheit, weil Nichtexistenz keine Unvollkommenheit kennt und somit auch nicht deren Gegenteil.
 
Ich würde das Leben nicht nur als eine Bürde, sondern vielmehr als eine Zumutung bezeichnen.
Nun, und doch hängen selbst die meisten Kranken und die meisten Häftlinge (auch die Lebenslänglichen und sogar die Todeskandidaten) an ihrem Leben, obwohl es ihnen objektiv doch viel schlechter gehen wird als dir. Ergo: liegt es nicht vielmehr an dir als am Leben?
Ist es daher nicht vielmehr so wie bei den Coronaleugner-Diktaturschreiern, die zwar verbal unser Länder für "das Letzte" halten, aber dennoch keine Anstalten machen, sich in irgendein anderes Land zu begeben, weil es in Wahrheit doch ein großer Glücksflal ist, hier leben zu dürfen?
Wie wäre es mit diesen Argumenten:

- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch glücklich sein wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch keine angeborenen Krankheiten haben wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch im Laufe seines Lebens keine schweren Krankheiten/Unfälle erleiden wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch nicht zu einem Schwerverbrecher wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch nicht Opfer eines Verbrechens wird.
- Niemand kann vorab garantieren, dass der gezeugte Mensch zur Erkenntnis gelangt, dass er lieber nicht geboren wäre.
- Und so weiter. Es gibt beinahe unendlich viele mögliche Argumente
Das sind zwar sehr viele aber nicht sehr nachvollziehbare Argumente, die wohl kaum ein Lebender in der Praxis heranziehen wird, denn man kann sie praktisch auf Jede Handlung oder Unterlassung anwenden, die jemand vornimmt.
Niemand kann vorab garantieren, dass diese Handlung/Unterlassung glücklich macht.
Niemand kann vorab garantieren, dass man durch diese Handlung/Unterlassung einen Krankheit/Unfall erleiden wird.
etc....
Zusätzlich kann man jedes Argument ins Gegenteil verkehren, wodurch dieses Argumentationskonvolut weder für oder gegen das Geborenwerden spricht.
So redet nur einer, der noch nie in einer ähnlichen Situation war. Zum einen sind alle gängigen Methoden grausam und unsicher und zum anderen ist der blinde Lebenswille unglaublich stark, auch wenn das Leben leiderfüllt ist.
Es gibt durchaus sichere Methoden, mit denen man schmerzlos aus dem Leben scheiden kann. Sterbehilfeinstitutionen wenden sie an bzw unterstützen dabei.
Und ja, der Lebenswille ist ist stark, also hat das Leben offensichtlich sehr wohl einen Wert. Zumindest für den Lebenden. Natürlich kann man argumentieren, dass das Leben für den Ungeborenen keinen Wert hat, was durchaus richtig ist. Dies ist aber kein Argument gegen das Geborenwerden, sondern ist nur neutral - weil das Nichtgeborenwerden ja keinen Mehrwert schafft sondern nur verhindert, dass ein Lebender dem Leben einen Wert zumisst, trotz Leiden.
Es sind sogar nur die negativen Aspekte, die unser Leben bereichern, weil nur die Aufhebung eines Negativums wirklich Befriedigung bringt. Ich habe Hunger, ich esse, ich habe Durst, ich trinke, ich habe eine Erkältung, ich bin froh, wenn die Erkältung wieder weg ist usw. Das bedeutet aber nicht, dass deshalb die negativen Aspekte an und für sich das Leben bereichern, sondern nur die Auflösung derer - was in einen endlosen, niemals ganz zu befriedigenden Kreislauf mündet.
Das ist richtig, aber deswegen auch die Frage, ob du gerne asexuell wärst.
Aber, schau dir nur deinen ersten Satz in diesem Absatz an. ".... die unser Leben bereichern". Also letztendlich bereichern - also die Summe, trotz der "Qualen" positiv ist. Weswegen ein sexueller Mensch seine Sexualität nicht missen möchte und Menschen überhaupt ihre Gefühle nicht verlieren möchten und ein reines Vernunftsleben oder sogar einen Vernunftstod ganz und gar nicht für erstrebenswert halten. Außer eben in Ausnahmesituationen, wo Menschen tatsächlich ernsthaft an Suizid denken.
Ja, ich wäre gerne asexuell und emotionslos, da muss ich keine Sekunde überlegen.
Das hört sich sehr nach eine ausgeprägten Despression an.
Ich bin kein Arzt, aber dennoch aufrichtig besorgt und rate dir eindringlich, mit jemandem Professionellen zu sprechen.
Im Gegenteil zu der landläufigen Meinung, dass ein Depressiver explizit traurig wäre ist es vielmehr so, dass es dem Depressiven
schwer oder gar unmöglich ist, Freude zu empfinden, und es das ist, was ihn deprimiert. Also nicht Schmerz oder negative Gefühle,
sondern das Ausbleiben von positiven Gefühlen. Wie verhält es sich bei dir?
Für mich scheint die Nichtexistenz sogar sehr attraktiv, aber hier sind wir jetzt eben beim speziellen Fall auf mich selber bezogen: Ich glaube nicht, dass nach dem Tod eine Nichtexistenz auf uns wartet, sondern dass es irgendwie weitergeht. Ich glaube auch nicht, dass wir vor unserer Geburt nichtexistent waren, sondern schon in der geistigen Welt existiert haben. Deshalb müsste ich korrekterweise sagen, dass ich lieber niemals aus der geistigen Welt in die irdische Welt gekommen wäre - gleichwohl lehrt aber die Anthroposophie, die ich sehr verinnerlicht habe, dass wir zum einem nach dem Tod rückblickend den Sinn unserer Erdeninkarnation erkennen werden und dass zum anderen von einem Suizid definitiv abgeraten wird, weil dieser negative Folgen nach dem Tod nach sich ziehen wird, also ein negatives Erleben in der geistigen Welt für eine bestimmte Zeit. Insofern sind es weniger die oben genannten Gründe, aus denen ich grundsätzlich die Idee des Suizids ablehne, sondern vielmehr diese Gedanken, dass es gegen den Willen der geistigen Welt geht, wenn man hier sozusagen den Notausgang nimmt. Und so kämpfe ich eben immer weiter und lasse mich nicht unterkriegen, auch wenn ich keinen "irdischen Anlass" dazu erkennen kann. Ich umgebe mich auch grundsätzlich lieber mit lebensbejahenden Menschen, weil der Umgang mit "Gleichgesinnten" nur kurzzeitig eine Erleichterung bringt, wegen dem Gefühl, "nicht allein damit zu sein", langfristig hingegen nimmt man die Welt aber durch die erlangte Bestätigung nur noch schwärzer war, was auch nicht gerade zuträglich ist.
Na, das ist ja schon einmal ein Lichtblick. Du hast noch einen gewissen Antrieb.
Das alles ist ja letztlich nichts neues. Melancholiker hat es schon immer gegeben und auch Philosophen wie Arthur Schopenhauer, Emil Cioran usw. Wem die schwarze Galle im Blut liegt, der muss eben damit leben. Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, dass nicht viel mehr Menschen so denken, denn aus meiner Sicht drängt sich einem diese Wahrnehmung der Welt geradezu auf. Also ich muss aktiv davor flüchten, um die Welt nicht so zu sehen.
Glücklichsein ist eine Entscheidung. Manchen fällt sie angesichts der Umstände leichter, manchen schwerer. Aber möglich ist sie wohl so ziemlich jedem - außer, es sprechen körperliche Gründe dagegen (Bewusstlosigkeit, neurale Schäden, etc...).
 
Nun, und doch hängen selbst die meisten Kranken und die meisten Häftlinge (auch die Lebenslänglichen und sogar die Todeskandidaten) an ihrem Leben, obwohl es ihnen objektiv doch viel schlechter gehen wird als dir.

Ich weiß nicht, ob du Schopenhauer kennst, aber wenn man seine Lehre vom blinden Willen zum Leben verstanden und verinnerlicht hat, dann ist es kein Rätsel mehr, warum selbst schwer Kranke und Häftlinge am Leben hängen - sie können nicht anders. Der blinde Wille zum Leben will das Leben, egal unter welchen Umständen. Schopenhauer ist überhaupt derjenige, der den Antinatalismus schon vor 200 Jahren vorweggenommen hat. Hier mal eines meiner Lieblingszitate von ihm:

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"Um allezeit einen sichern Kompaß, zur Orientierung im Leben, bei der Hand zu haben, und um dasselbe, ohne je irre zu werden, stets im richtigen Lichte zu erblicken, ist nichts tauglicher, als daß man sich angewöhne, diese Welt zu betrachten als einen Ort der Buße, also gleichsam als eine Strafanstalt, eine Strafkolonie, ein Arbeitslager. (...) Hat man jene Gewohnheit angenommen; so wird man seine Erwartungen vom Leben so stellen, wie sie der Sache angemessen sind, und demnach die Widerwärtigkeiten, Leiden, Plagen und Not desselben, im Großen und im Kleinen, nicht mehr als etwas Regelwidriges und Unerwartetes ansehn, sondern ganz in der Ordnung finden, wohl wissend, daß hier Jeder für sein Dasein gestraft wird, und zwar Jeder auf seine Weise. Zu den Übeln einer Strafanstalt gehört dann auch die Gesellschaft, welche man daselbst antrifft. Wie es um diese hieselbst stehe, wird, wer irgendwie einer besseren würdig wäre, auch ohne mein Sagen wissen. Der schönen Seele nun gar, wie auch dem Genie, mag bisweilen darin zu Mute sein, wie einem edlen Staatsgefangenen, auf der Galeere, unter gemeinen Verbrechern; daher sie, wie dieser, suchen werden, sich zu isolieren. Überhaupt jedoch wird besagte Auffassung uns befähigen, die sogenannten Unvollkommenheiten (...) der meisten Menschen, ohne Befremden, geschweige mit Entrüstung, zu betrachten: denn wir werden stets im Sinne behalten, wo wir sind, folglich jeden ansehen zunächst als ein Wesen, welches nur in Folge seiner Sündhaftigkeit existiert, dessen Leben die Abbüßung der Schuld seiner Geburt ist. (...) In der Tat ist die Überzeugung, daß die Welt, also auch der Mensch, etwas ist, das eigentlich nicht sein sollte, geeignet, uns mit Nachsicht gegen einander zu erfüllen: denn was kann man von Wesen unter solchem Prädikament erwarten? - Ja, von diesem Gesichtspunkt aus könnte man auf den Gedanken kommen, daß die eigentlich passende Anrede zwischen Mensch und Mensch "Leidensgefährte" sein sollte."
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Das sind zwar sehr viele aber nicht sehr nachvollziehbare Argumente, die wohl kaum ein Lebender in der Praxis heranziehen wird, denn man kann sie praktisch auf Jede Handlung oder Unterlassung anwenden, die jemand vornimmt.
Niemand kann vorab garantieren, dass diese Handlung/Unterlassung glücklich macht.
Niemand kann vorab garantieren, dass man durch diese Handlung/Unterlassung einen Krankheit/Unfall erleiden wird.
etc....
Zusätzlich kann man jedes Argument ins Gegenteil verkehren, wodurch dieses Argumentationskonvolut weder für oder gegen das Geborenwerden spricht.

Hier sind wir auch schon an dem Punkt angelangt, wo ich nicht weiter argumentieren will, obwohl ich es könnte, weil ich niemanden von dieser Denke überzeugen will.

Es gibt durchaus sichere Methoden, mit denen man schmerzlos aus dem Leben scheiden kann. Sterbehilfeinstitutionen wenden sie an bzw unterstützen dabei.

Aber solche Organisationen helfen nur unheilbar körperlich Kranken, allen anderen nicht. Außerdem sind die Kosten zum Beispiel bei Dignitas in der Schweiz enorm, mein letzter Stand sind 10.000 Euro plus für Gutachten etc. - das hat nicht jeder auf der Seite, zumal ja der Ausgang des Verfahrens immer ungewiss ist. Ich hatte dazu schon mal einen eigenen Thread gestartet:


Das hört sich sehr nach eine ausgeprägten Despression an.
Ich bin kein Arzt, aber dennoch aufrichtig besorgt und rate dir eindringlich, mit jemandem Professionellen zu sprechen.
Im Gegenteil zu der landläufigen Meinung, dass ein Depressiver explizit traurig wäre ist es vielmehr so, dass es dem Depressiven
schwer oder gar unmöglich ist, Freude zu empfinden, und es das ist, was ihn deprimiert. Also nicht Schmerz oder negative Gefühle,
sondern das Ausbleiben von positiven Gefühlen. Wie verhält es sich bei dir?

Ich danke dir für (und bin überrascht über) deine einfühlsamen Worte, aber weder du noch jemand anderes sollte sich da Gedanken machen, denn das ist bei mir eine chronische Sache und ich bin seit 20 Jahren deshalb in Behandlung. Also für mich ist diese Thematik ziemlich alltäglich, und ich hatte auch schon vor ein paar Jahren ausführlich hier im Forum darüber geschrieben, aber ich kann ja nicht erwarten, dass sich das jeder merkt.

Es ist eben immer ein Dilemma, was philosophisch gerechtfertigt ist (siehe Schopenhauer) und was dann schon pathologisch depressiv ist. Diese Grenze zu finden ist ein schwieriges Unterfangen.

Na, das ist ja schon einmal ein Lichtblick. Du hast noch einen gewissen Antrieb.

Mein Antrieb ist unendlich. Das ist das komplett Paradoxe an der Sache. Bei mir gibt es kein Relaxen, kein Lotterleben, sondern nur Programm, also nur Funktionieren. Es wäre mir unmöglich, einfach mal einen Tag lang, oder auch nur drei Stunden lang, im Bett zu liegen und mir irgendwelche Tiktok-Videos zu schauen oder ähnliches. Dauerhafte Aktivität ist die einzige Ablenkung, deshalb arbeite ich auch in der Gastronomie, wo es nur Stress gibt und nichts anderes.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe eigentlich schon immer so gedacht, aber wenn ich mir überlege, was auf zukünftige Generationen zukommt beim derzeitigen Weltgeschehen, dann kann ich beim Anblick eines kleinen Kindes eigentlich nur eine Mischung aus Trauer und Mitleid empfinden. Ist das Schwarzmalerei oder Realismus?
Wenn das kleine Kind sich freut, empfinde ich keine Trauer.
 
Ich weiß nicht, ob du Schopenhauer kennst, aber wenn man seine Lehre vom blinden Willen zum Leben verstanden und verinnerlicht hat, dann ist es kein Rätsel mehr, warum selbst schwer Kranke und Häftlinge am Leben hängen - sie können nicht anders. Der blinde Wille zum Leben will das Leben, egal unter welchen Umständen. Schopenhauer ist überhaupt derjenige, der den Antinatalismus schon vor 200 Jahren vorweggenommen hat. Hier mal eines meiner Lieblingszitate von ihm:

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"Um allezeit einen sichern Kompaß, zur Orientierung im Leben, bei der Hand zu haben, und um dasselbe, ohne je irre zu werden, stets im richtigen Lichte zu erblicken, ist nichts tauglicher, als daß man sich angewöhne, diese Welt zu betrachten als einen Ort der Buße, also gleichsam als eine Strafanstalt, eine Strafkolonie, ein Arbeitslager. (...) Hat man jene Gewohnheit angenommen; so wird man seine Erwartungen vom Leben so stellen, wie sie der Sache angemessen sind, und demnach die Widerwärtigkeiten, Leiden, Plagen und Not desselben, im Großen und im Kleinen, nicht mehr als etwas Regelwidriges und Unerwartetes ansehn, sondern ganz in der Ordnung finden, wohl wissend, daß hier Jeder für sein Dasein gestraft wird, und zwar Jeder auf seine Weise. Zu den Übeln einer Strafanstalt gehört dann auch die Gesellschaft, welche man daselbst antrifft. Wie es um diese hieselbst stehe, wird, wer irgendwie einer besseren würdig wäre, auch ohne mein Sagen wissen. Der schönen Seele nun gar, wie auch dem Genie, mag bisweilen darin zu Mute sein, wie einem edlen Staatsgefangenen, auf der Galeere, unter gemeinen Verbrechern; daher sie, wie dieser, suchen werden, sich zu isolieren. Überhaupt jedoch wird besagte Auffassung uns befähigen, die sogenannten Unvollkommenheiten (...) der meisten Menschen, ohne Befremden, geschweige mit Entrüstung, zu betrachten: denn wir werden stets im Sinne behalten, wo wir sind, folglich jeden ansehen zunächst als ein Wesen, welches nur in Folge seiner Sündhaftigkeit existiert, dessen Leben die Abbüßung der Schuld seiner Geburt ist. (...) In der Tat ist die Überzeugung, daß die Welt, also auch der Mensch, etwas ist, das eigentlich nicht sein sollte, geeignet, uns mit Nachsicht gegen einander zu erfüllen: denn was kann man von Wesen unter solchem Prädikament erwarten? - Ja, von diesem Gesichtspunkt aus könnte man auf den Gedanken kommen, daß die eigentlich passende Anrede zwischen Mensch und Mensch "Leidensgefährte" sein sollte."
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Ja, und dieser "blinde Wille" ist nun einmal evident. Er ergibt sich aus natürlichen Ursachen, deren Notwendigjeit sich im anthropischen Prinzip wiederfinden. Und dieser Wille betrifft nicht nur die Vermeidung des Ablebens, sondern generell der Vermeidung der eigenen Nichtexistenz.
Hier sind wir auch schon an dem Punkt angelangt, wo ich nicht weiter argumentieren will, obwohl ich es könnte, weil ich niemanden von dieser Denke überzeugen will.
Musst du ja nicht, aber wenn du Argumente hast wäre ich neugierig darauf sie zu lesen.
Aber solche Organisationen helfen nur unheilbar körperlich Kranken, allen anderen nicht. Außerdem sind die Kosten zum Beispiel bei Dignitas in der Schweiz enorm, mein letzter Stand sind 10.000 Euro plus für Gutachten etc. - das hat nicht jeder auf der Seite, zumal ja der Ausgang des Verfahrens immer ungewiss ist. Ich hatte dazu schon mal einen eigenen Thread gestartet:

Die Methoden gibt es auch unabhängig von den Organisationen - jene wenden sie nur an bzw unterstützen dabei.
Klar, manche Methoden bedürfen Mittel, auf die man als Privater nicht oder nur schwer zugreifen kann, aber andere Methoden hätten dieses Problem nicht.
Ich danke dir für (und bin überrascht über) deine einfühlsamen Worte, aber weder du noch jemand anderes sollte sich da Gedanken machen, denn das ist bei mir eine chronische Sache und ich bin seit 20 Jahren deshalb in Behandlung. Also für mich ist diese Thematik ziemlich alltäglich, und ich hatte auch schon vor ein paar Jahren ausführlich hier im Forum darüber geschrieben, aber ich kann ja nicht erwarten, dass sich das jeder merkt.

Es ist eben immer ein Dilemma, was philosophisch gerechtfertigt ist (siehe Schopenhauer) und was dann schon pathologisch depressiv ist. Diese Grenze zu finden ist ein schwieriges Unterfangen.
"Die Grenze" mag schwierig zu finden sein, aber ich denke, das Unterscheidungskriterium ist einfach.
"Philosophisch gerechtfertigt" erschließt sich durch Überlegungen auf Basis von Prinzipien, die sodann zu dem Schluss führen, während Depression eine unmittelbare, evidente Gefühlssache ist, die keiner Erklärung oder Rechtfertigung bedarf.
Mein Antrieb ist unendlich. Das ist das komplett Paradoxe an der Sache. Bei mir gibt es kein Relaxen, kein Lotterleben, sondern nur Programm, also nur Funktionieren. Es wäre mir unmöglich, einfach mal einen Tag lang, oder auch nur drei Stunden lang, im Bett zu liegen und mir irgendwelche Tiktok-Videos zu schauen oder ähnliches. Dauerhafte Aktivität ist die einzige Ablenkung, deshalb arbeite ich auch in der Gastronomie, wo es nur Stress gibt und nichts anderes.
Was jetzt eigentlich gegen eine Depression sprechen würde, denn die depressive Grundstimmung "alles sinnlos" wäre demnach nicht gegeben, auch wenn die Motivation deiner Umtriebigkeit keine "gesunde" ist.
 
Musst du ja nicht, aber wenn du Argumente hast wäre ich neugierig darauf sie zu lesen.

Ein weiteres Argument wäre, dass kein Ungeborener seine Zustimmung zu einer Inkarnation geben kann - jedenfalls lässt sich das von "dieser Seite aus" nicht beweisen.

Die Methoden gibt es auch unabhängig von den Organisationen - jene wenden sie nur an bzw unterstützen dabei.
Klar, manche Methoden bedürfen Mittel, auf die man als Privater nicht oder nur schwer zugreifen kann, aber andere Methoden hätten dieses Problem nicht.

Ich glaube nicht, dass Walter hier eine Suizidmethoden-Diskussion haben will, das ist eigentlich in keinem Forum gerne gesehen.

"Die Grenze" mag schwierig zu finden sein, aber ich denke, das Unterscheidungskriterium ist einfach.
"Philosophisch gerechtfertigt" erschließt sich durch Überlegungen auf Basis von Prinzipien, die sodann zu dem Schluss führen, während Depression eine unmittelbare, evidente Gefühlssache ist, die keiner Erklärung oder Rechtfertigung bedarf.

Man kann die komplette depressive Gefühlslage argumentativ verteidigen, das nennt sich philosophischer Pessimismus. Schopenhauer, Cioran, Mainländer, Horstmann sind nur einige Philosophen, die das getan haben. Am besten hat es der YouTuber Gary Inmendham gemacht, aber der hat einen sehr eigenwilligen Stil, weshalb nicht jeder ihm folgen kann.

Was jetzt eigentlich gegen eine Depression sprechen würde, denn die depressive Grundstimmung "alles sinnlos" wäre demnach nicht gegeben, auch wenn die Motivation deiner Umtriebigkeit keine "gesunde" ist.

Doch, diese Grundstimmung ist gegeben, aber wenn sie chronisch ist, nimmt man sie irgendwann gar nicht mehr bewusst wahr, es sei denn sie ist gerade besonders stark. Mein Eskapismus durch Ablenkungen aller Art ist gerade dann gefragt. Es gibt allerdings wesentlich heftigere Fälle als mich, keine Frage. Und das ist auch wieder ein Grund für mich, warum ich das Kinder in die Welt setzen nicht unterstützen kann. Ich weiß aus eigener Erfahrung, in welchen absurden, dauerhaften Situationen sich ein bewusstes Lebewesen wiederfinden kann und doch weiß ich gleichzeitig auch, dass es doppelt so heftige, drei mal so heftige, vier mal so heftige Fälle gibt. Das Risiko einzugehen, einen Menschen zu erzeugen, der in diese Kategorien fällt, ist schon alleine Grund genug für Antinatalismus. Und doch geht jeder, der sich fortpflanzt, dieses Risiko ein.
 
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Ein weiteres Argument wäre, dass kein Ungeborener seine Zustimmung zu einer Inkarnation geben kann - jedenfalls lässt sich das von "dieser Seite aus" nicht beweisen.
Ja, weil er ja auch nicht ist. Und hier kommt die übliche ethische Herangehensweise an ihre Grenzen.
Denn, auch wenn kein Ungeborener seine Zustimmung geben kann, es kann sie auch Ungeborener verweigern. Insofern ist diese Fragestellung obsolet. Eine eventuelle Antwort erhält man nur, nachdem man Fakten geschaffen hat, und hat man diese einmal geschaffen, lässt sich die ursprüngliche Frage nicht mehr stellen - weil die Existenz ja schon gegeben ist.
Ich glaube nicht, dass Walter hier eine Suizidmethoden-Diskussion haben will, das ist eigentlich in keinem Forum gerne gesehen.
Deswegen habe ich auch keine aufgezhält oder irgendwelche Details genannt.
Man kann die komplette depressive Gefühlslage argumentativ verteidigen, das nennt sich philosophischer Pessimismus. Schopenhauer, Cioran, Mainländer, Horstmann sind nur einige Philosophen, die das getan haben. Am besten hat es der YouTuber Gary Inmendham gemacht, aber der hat einen sehr eigenwilligen Stil, weshalb nicht jeder ihm folgen kann.
Ja, das mag schon sein, aber es kommt dabei auf die Ursachen jener "depressiven Gefühlslage" an. Einerseits kann die Gefühlslage da sein und wird a posteriori durch diverse Überlegungen versucht zu rechtfertigen, andererseits kann eine neutrale Betrachtung und Erwägung zu einem Ergebnis führen, das jene 'depressive Gefühlslage' hervorruft. Kurz: unterschiedliche Positionen von Ursache und Auswirkung.
Doch, diese Grundstimmung ist gegeben, aber wenn sie chronisch ist, nimmt man sie irgendwann gar nicht mehr bewusst wahr, es sei denn sie ist gerade besonders stark. Mein Eskapismus durch Ablenkungen aller Art ist gerade dann gefragt. Es gibt allerdings wesentlich heftigere Fälle als mich, keine Frage. Und das ist auch wieder ein Grund für mich, warum ich das Kinder in die Welt setzen nicht unterstützen kann. Ich weiß aus eigener Erfahrung, in welchen absurden, dauerhaften Situationen sich ein bewusstes Lebewesen wiederfinden kann und doch weiß ich gleichzeitig auch, dass es doppelt so heftige, drei mal so heftige, vier mal so heftige Fälle gibt. Das Risiko einzugehen, einen Menschen zu erzeugen, der in diese Kategorien fällt, ist schon alleine Grund genug für Antinatalismus. Und doch geht jeder, der sich fortpflanzt, dieses Risiko ein.
Ja, und jeder, der sich ein Auto setzt geht das Risiko ein, darin zu sterben sowie jeder, der zu Hause bleibt das Risiko eingeht, zu Hause zu sterben. Aber, der Mensch ist nicht primär ein Vernunftswesen, sondern ein Wesen der Leidenschaft - und Menschen am Sterbebett möchten in der Regel gerade jene Momente nicht missen, in denen sie unvernünftig waren. Ich kenne niemanden, der am Sterbebett gemeint hätte "Ich hatte ein erfülltes Leben, denn ich war immer vernünftig."
 
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