Svensgar;443971 schrieb:
Heute war es soweit. Die Selbsthilfegruppe zur Findung und Stärkung des Selbstwertes (der Selbsthilfegruppenteilnehmer) hatte ihr erstes Treffen.
Als ersten Fotobeweis meiner Teilnahme zeige ich das T-Shirt, welches ich während der zwei Stunden trug. Nur damit Sie sehen, daß ich Sie hier nicht verscheißere.
Zum Ablauf.
Ein paar Minuten vor dem Treffen war ich vor Ort, rauchte draußen noch eine Zigarette, auf Lunge. Dann ging ich rein, in die Selbsthilfelokation.
In einem Raum waren 14 Stühle im Kreis angeordnet, auf denen 12 Gruppenteilnehmer, die Gruppenerfinderein und die Selbsthilfetreffpunktleiterin saßen. In der Mitte war ein Tablett mit Kerzen abgestellt.
Es fand unter den Wartenden keine Kommunikation statt. Ich bemerkte, daß ich leicht zitterte; ich konnte kaum mein gestern gekauftes Notizbuch (1.40 $) ruckelfrei halten. Durch mehrmaliges Verändern meiner Haltung gelangte ich in eine Lage, die Zittern nicht auffällig herzeigte. Ich beruhigte mich, langsam.
Die Gruppenerfinderin, eine dicke Frau Anfang 50, ging in die Mitte, zu den Kerzen, und zündete diese an.
Es waren sieben Frauen und fünf Herren anwesend, dazu die Erfinderin und die Chefin. Später wurde von den Letzteren erwähnt, daß ungewöhnlich viel Gliedträger in der Gruppe sind. (Ich verwende das Wort Gliedträger, obwohl ich annehme, daß es keine Rolle spielen wird.)
Das Alter der Frauen bewegte sich zwischen Ende 40 und Mitte 60, die Herren glänzten mit einer Altersspanne zwischen 28 und 65. Ich bin ein Augenmensch und stellte fest, daß keine annähernd attraktiven Menschen anwesend waren, ich sollte also nicht abgelenkt werden können.
Mir fiel auf, daß fast alle Männer rechts und fast alle Frauen links der Moderatorinnen saßen, ich saß genau in der Mitte der Geschlechtergruppen.
(Damit die Leser meines Berichtes einen Eindruck haben können, unter welchen Umständen ich diesen Bericht jetzt schreibe, zeige ich ein originales Foto meiner Schreibsituation her. )
Die erste Sitzung begann. Die Teilnehmer wurden aufgefordert, sich selbst vorzustellen. Allgemein wurde der volle Namen genannt, teilweise das Alter und ob Erfahrung in der Teilnahme an Selbsthilfegruppen bestand, manche erwähnten eine psychische Spitalisierung, und die meisten erklärten, daß sie das Thema Selbstwert interessiere.
Als ich an der Vorstellungsreihe war, sagte ich vorformulierte Sätze wie: Mein Name ist Svensgar ..., ich bin schon 48 Jahre alt. Seit dreieinhalb Jahrzehnten bin ich mir bewußt, keinen Selbstwert angeben zu können. Mein Erscheinen begründete ich mit der reißerischen Anzeige der Gruppenerfinderin in einer werbefinanzierten Wochen"zeitung", in der es hieß: Findung und Stärkung des Selbstwertes.
Nach den Vorstellungen ging die Chefin an eine großformatige Zettelstaffelei, auf der Fragen standen. Was ist wichtig, für die Gruppe? Und so ein Fragezeug. Die Antworten waren Respekt, Achtung, Verbindlichkeit (man sollte pünktlich sein und einen eventuellen Abschied aus der Gruppe nicht wortlos betreiben), keine Gewalt, nichts aus der Gruppe weitertragen und so. Wobei die Antworten, die spärlich kamen, von der Chefin, die moderierte, wie vorgesagt wurden.
Ich fragte dazwischen, inwieweit man ehrlich sein sollte, wenn klar ist, daß die Ehrlichkeit verbale Gewalt darstellen könnte. Man einigte sich darauf, daß niemand "Du blöde alte Sau" sagen sollte.
Dann wurden fünf verschiedene Zettel in die Runde gegeben, mit allgemeinen Gruppenverhaltensregeln. Dabei fiel mir auf, daß nicht wenige der Teilnehmer sich mit Spucke die Finger anleckten, um sich mutmaßlich griffsicher an den Zetteln zu bedienen. Außerdem hieß es auf einer Anordnung: ... Wir wollen lernen, ... sich nicht wertend zu verhalten. Meine nicht ausgesprochene Frage war, was das mit dem Selbstwert zu tun hat, inwieweit sich dieser Befehl mit dem Thema beißt.
Hernach ging es darum, ob geduzt oder gesiezt werden sollte. Allgemeines Gemurmel wurde von der Moderation als Zustimmung, zu duzen aufgenommen. Ich meldete mich, und erklärte, ich würde jeden siezen, hätte aber nichts dagegen, geduzt zu werden.
Bevor zur Pause gebeten wurde, ging es um die Kosten. Der erste Monat sei kostenfrei, dann würde pro Sitzung um einen $ Raumnutzungsgebühr gebeten. Man werde vom Senat Berlin finanziert, und die bestehen darauf, daß irgendetwas von den Selbsthilfeteilnehmern gezahlt werden müßte, was dann an den Senat zurücküberwiesen wird. Ich fragte nach, wieviel denn da zusammenkomme. Zur Antwort bekam ich keine konkrete Zahl, nur "eine ganze Menge". Ich fragte nicht weiter nach, weil ich in die Pause wollte, die für mich eine Rauchpause darstellte.