Eine Woche danch atmete man in der russischen Hauptstadt Moskau gestern erst einmal auf.
Massenkrawalle wie am 11. Dezember blieben aus. Aber dennoch nahmen Miliz und OMON vor allem rund um des Gesamtrussische Ausstellungszentrum Ostankino erneut etwa 250 Personen vorläufig fest, die Mehrzahl von ihnen Minderjährige, Schüler der 8. – 10. Klassen.
Zusätzlich wird möglicherweise übersehen, dass Ähnliches wenn auch nicht in gleichem Ausmaß in anderen russischen Städten (St. Petersburg, Wolgograd, Samara) geschah:
Ein schwer durchschaubares Gemisch aus Nationalismen und Fanatismus, logistisch verknüpft durch das RuNet, durch soziale Netzwerke, Blogs und Fußball-Fangemeinschaften verschmolz zu aktiv handelnder physischer Gewalt und geriet in Konflikt mit dem bedenkenlos eingeforderten und vorgetragenen Gewaltmonopol des russischen Staates.
OMON, Miliz und vor einer Woche gar das Militär zogen blank gegen scheinbar mehrheitlich Fußball-Fans, in Wirklichkeit jedoch junge und jugendliche Nationalisten, deren Parole u. a. lautete „Russland den Russen!“ und „Patriotismus ist kein Faschismus!“.
Was war geschehen?
Alles begann mit dem friedlichen Gedenken von hunderten Anhänger des Fußballklubs Spartak Moskau am Vormittag an ihren Freund Jegor Swiridow, der bei einer Schlägerei in der Nacht zum 6. Dezember an einer Bushaltestelle auf dem Kronstadt-Boulevard ums Leben gekommen war. Angeblich durch Schüsse aus der Waffe eines Kaukasiers. Genaueres ist bis heute nicht bekannt.
Der Anlass aber war gegeben und – virtuell durch das RuNet organisiert – marschierten schnell Fußball-Hooligans in selbstverständlicher Allianz mit Nationalisten von Organisationen wie „Slawische Union“ und „Nationaldemokratische Allianz“ Richtung Stadtzentrum. Dort jedoch erwarteten sie schon Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte, auch das Militär stand im Hintergrund bereit. Später sollte sich herausstellen, man war ebenfalls vorbereitet, kesselte die auf inzwischen 5.000 Personen angewachsene Menschenmenge auf dem Manege-Platz ein, konnte aber nationalistische Ausschreitungen, Schlägerein und Zerstörungswut nur eindämmen und nicht verhindern. Opfer waren dabei immer wieder Passanten „nichtslawischen Aussehens“, später sprach man pauschal von „Kaukasiern“.
Am späten Nachmittag gelang es der Ordnungsmacht, den Mob, wie bei deratigen Dingen üblich, in Richtung Metro abzudrängen, allerdings mit der Folge, dass die U-Bahn-Stationen „Ochotnij Rjad“ und „Theatralnaja“ verwüstet wurden. In ersterer schlug man einem haltenden Zug alle Fenster ein, zerstörte die Beleuchtung an den Rolltreppen und wütete gegen „Kaukasier“. Auch ein Usbeke wurde prompt zum „Kaukasier“ erklärt, man riss ihm die Kleider vom Leib und prügelte den Mann ins Koma.
Auf darauffolgenden Tag kam es in der Metro, vor allem im Bereich der Station „Nagornaja“, zu neuen nationalistischen Geplänkeln, die sich als Ruhe vor dem Sturm ankündigen sollten.
So warnte dann das Inneministerium bereits am Montag vor neuen Ausschreitungen russischer Nationalisten gegen „Fremdländische“. Dazu wurde im Internet das Gerücht verbreitet, am Abend des 10. Dezember sei der angebliche Spartak-Fan Pawl Kazakow von kaukasischen Fanatikern brutal ermordet worden, man solle sich verbünden und die „Kaukasier“ ausrotten. Dies war zwar nicht erfunden, aber gezielt verfälscht, denn niemand weiß bis heute, wer die Unbekannten waren, die Kazakow an der Metro-Station „Wolschskaja“ erstachen.
Doch die Staatsmacht reagierte sofort.
Das Stadtzentrum (Manegeplatz, Roter Platz und Alexander-Garten) wurde ebenso abgeriegelt, wie die umliegenden Straßen. Alle Kaufhäuser und öffentlichen Einrichtungen an diesen Orten geschlossen und so neues Unheil verhindert.
Doch nun mobilisierten die „Kaukasier“ ihre Nationalisten via Internet, man kündete Rache an und versprach den „Slawen“ einen heißen Kampf. Gerechnet wurde für den 15. Dezember mit 10.000 Fanatisierten, die sich am Handelszentrum „Ewropeiskij“ versammeln sollten. Eine „Schlacht“ schien bevor zu stehen.
Aber erneut ließen OMON und Miliz keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit. Sie griffen prophylaktisch am oben genannten Ort energisch zu, verhaftete Hunderte, stellte dabei scharfe Waffen, Baseballschläger und Stichwaffen sicher und konzentrierten sich zusätzlich auf den Kiewer Bahnhof, verhafteten dort schon auf den Bahnsteigen anreisende „Kaukasier“ oder unterzogen sie ausgedehnten Leibesvisitationen.
Doch sollte keine Ruhe einkehren. Insgesamt nahmen die Sicherheitskräfte am Mittwoch mehr als 1.300 Personen fest, mehrheitlich Minderjährige, 14 - 15 jährige. Man ließ jeweils die Eltern anreisen, um ihre Schützlinge abzuholen.
In einem Fall handelte man bewusst öffentlich, rasch und unzeremoniell: Am 17. Dezember ordnete das Gericht des Moskauer Stadtbezirks Simonow Untersuchungshaft bis mindestens 12. Februar 2011 für den 14-jährigen Ilja Kubrakow, Spitzname „Scout“, Schüler eine 8. Klasse, an. Er gilt als einer der Rädelsführer der Unruhen vom 11. Dezember und ist geständigt, gemeinsam mit neuen Mittätern am 12. Dezember den 37-jährigen Kirgisen Alisher Schamschijew umgebracht zu haben. Fünf der Verdächtigen sind bereits verhaftet, alle zwischen 14 und 23 Jahre alt.
Wie wird es nun weitergehen? Das weiß wohl niemand genau, aber Staatspräsident und Premier haben die Sicherheitskräfte zu unbarmherziger Härte gegen jede Form von Nationalismus aufgerufen. Die Partei „Einiges Russland“ hat inzwischen auch den Schuldigen an allem festgemacht. Es ist wie immer – die Schule. Nun hat man eine Konzeption zur Schulreform vorgeschlagen, die eher erschreckt, als verblüfft und über die daher noch zu berichten sein wird.
Festzustellen aber bleibt: Das Internet hat landesweit Nationalisten und Fanatiker zum Handeln motiviert und völlig neu zusammengeführt. In ganz Russland verhaftete man gestern gut 2.400 potentielle Demonstranten. Und dieses Internet ist ein Medium der Jungen und ganz Jungen. Die Gewalt war getragen von Minderjährigen!
Massenkrawalle wie am 11. Dezember blieben aus. Aber dennoch nahmen Miliz und OMON vor allem rund um des Gesamtrussische Ausstellungszentrum Ostankino erneut etwa 250 Personen vorläufig fest, die Mehrzahl von ihnen Minderjährige, Schüler der 8. – 10. Klassen.
Zusätzlich wird möglicherweise übersehen, dass Ähnliches wenn auch nicht in gleichem Ausmaß in anderen russischen Städten (St. Petersburg, Wolgograd, Samara) geschah:
Ein schwer durchschaubares Gemisch aus Nationalismen und Fanatismus, logistisch verknüpft durch das RuNet, durch soziale Netzwerke, Blogs und Fußball-Fangemeinschaften verschmolz zu aktiv handelnder physischer Gewalt und geriet in Konflikt mit dem bedenkenlos eingeforderten und vorgetragenen Gewaltmonopol des russischen Staates.
OMON, Miliz und vor einer Woche gar das Militär zogen blank gegen scheinbar mehrheitlich Fußball-Fans, in Wirklichkeit jedoch junge und jugendliche Nationalisten, deren Parole u. a. lautete „Russland den Russen!“ und „Patriotismus ist kein Faschismus!“.
Was war geschehen?
Alles begann mit dem friedlichen Gedenken von hunderten Anhänger des Fußballklubs Spartak Moskau am Vormittag an ihren Freund Jegor Swiridow, der bei einer Schlägerei in der Nacht zum 6. Dezember an einer Bushaltestelle auf dem Kronstadt-Boulevard ums Leben gekommen war. Angeblich durch Schüsse aus der Waffe eines Kaukasiers. Genaueres ist bis heute nicht bekannt.
Der Anlass aber war gegeben und – virtuell durch das RuNet organisiert – marschierten schnell Fußball-Hooligans in selbstverständlicher Allianz mit Nationalisten von Organisationen wie „Slawische Union“ und „Nationaldemokratische Allianz“ Richtung Stadtzentrum. Dort jedoch erwarteten sie schon Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte, auch das Militär stand im Hintergrund bereit. Später sollte sich herausstellen, man war ebenfalls vorbereitet, kesselte die auf inzwischen 5.000 Personen angewachsene Menschenmenge auf dem Manege-Platz ein, konnte aber nationalistische Ausschreitungen, Schlägerein und Zerstörungswut nur eindämmen und nicht verhindern. Opfer waren dabei immer wieder Passanten „nichtslawischen Aussehens“, später sprach man pauschal von „Kaukasiern“.
Am späten Nachmittag gelang es der Ordnungsmacht, den Mob, wie bei deratigen Dingen üblich, in Richtung Metro abzudrängen, allerdings mit der Folge, dass die U-Bahn-Stationen „Ochotnij Rjad“ und „Theatralnaja“ verwüstet wurden. In ersterer schlug man einem haltenden Zug alle Fenster ein, zerstörte die Beleuchtung an den Rolltreppen und wütete gegen „Kaukasier“. Auch ein Usbeke wurde prompt zum „Kaukasier“ erklärt, man riss ihm die Kleider vom Leib und prügelte den Mann ins Koma.
Auf darauffolgenden Tag kam es in der Metro, vor allem im Bereich der Station „Nagornaja“, zu neuen nationalistischen Geplänkeln, die sich als Ruhe vor dem Sturm ankündigen sollten.
So warnte dann das Inneministerium bereits am Montag vor neuen Ausschreitungen russischer Nationalisten gegen „Fremdländische“. Dazu wurde im Internet das Gerücht verbreitet, am Abend des 10. Dezember sei der angebliche Spartak-Fan Pawl Kazakow von kaukasischen Fanatikern brutal ermordet worden, man solle sich verbünden und die „Kaukasier“ ausrotten. Dies war zwar nicht erfunden, aber gezielt verfälscht, denn niemand weiß bis heute, wer die Unbekannten waren, die Kazakow an der Metro-Station „Wolschskaja“ erstachen.
Doch die Staatsmacht reagierte sofort.
Das Stadtzentrum (Manegeplatz, Roter Platz und Alexander-Garten) wurde ebenso abgeriegelt, wie die umliegenden Straßen. Alle Kaufhäuser und öffentlichen Einrichtungen an diesen Orten geschlossen und so neues Unheil verhindert.
Doch nun mobilisierten die „Kaukasier“ ihre Nationalisten via Internet, man kündete Rache an und versprach den „Slawen“ einen heißen Kampf. Gerechnet wurde für den 15. Dezember mit 10.000 Fanatisierten, die sich am Handelszentrum „Ewropeiskij“ versammeln sollten. Eine „Schlacht“ schien bevor zu stehen.
Aber erneut ließen OMON und Miliz keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit. Sie griffen prophylaktisch am oben genannten Ort energisch zu, verhaftete Hunderte, stellte dabei scharfe Waffen, Baseballschläger und Stichwaffen sicher und konzentrierten sich zusätzlich auf den Kiewer Bahnhof, verhafteten dort schon auf den Bahnsteigen anreisende „Kaukasier“ oder unterzogen sie ausgedehnten Leibesvisitationen.
Doch sollte keine Ruhe einkehren. Insgesamt nahmen die Sicherheitskräfte am Mittwoch mehr als 1.300 Personen fest, mehrheitlich Minderjährige, 14 - 15 jährige. Man ließ jeweils die Eltern anreisen, um ihre Schützlinge abzuholen.
In einem Fall handelte man bewusst öffentlich, rasch und unzeremoniell: Am 17. Dezember ordnete das Gericht des Moskauer Stadtbezirks Simonow Untersuchungshaft bis mindestens 12. Februar 2011 für den 14-jährigen Ilja Kubrakow, Spitzname „Scout“, Schüler eine 8. Klasse, an. Er gilt als einer der Rädelsführer der Unruhen vom 11. Dezember und ist geständigt, gemeinsam mit neuen Mittätern am 12. Dezember den 37-jährigen Kirgisen Alisher Schamschijew umgebracht zu haben. Fünf der Verdächtigen sind bereits verhaftet, alle zwischen 14 und 23 Jahre alt.
Wie wird es nun weitergehen? Das weiß wohl niemand genau, aber Staatspräsident und Premier haben die Sicherheitskräfte zu unbarmherziger Härte gegen jede Form von Nationalismus aufgerufen. Die Partei „Einiges Russland“ hat inzwischen auch den Schuldigen an allem festgemacht. Es ist wie immer – die Schule. Nun hat man eine Konzeption zur Schulreform vorgeschlagen, die eher erschreckt, als verblüfft und über die daher noch zu berichten sein wird.
Festzustellen aber bleibt: Das Internet hat landesweit Nationalisten und Fanatiker zum Handeln motiviert und völlig neu zusammengeführt. In ganz Russland verhaftete man gestern gut 2.400 potentielle Demonstranten. Und dieses Internet ist ein Medium der Jungen und ganz Jungen. Die Gewalt war getragen von Minderjährigen!