AW: Zum Tode von George Tabori
Miriam, dazu möchte ich auch etwas erzählen und hoffe, ich darf es.
Tabori erzählte mal in einem Interview, wie er als Dreikäsehoch mit seinem Vater im Zirkus war.
Eine schöne Seiltänzerin faszinierte den kleinen George sehr, wie sie dort oben, unter dem Chapiteau-Dach in ihrem glitzernden Trikot anmutig turnte... und dann rutschte sie aus und fiel... und da lag sie auf dem staubigen Manegeboden in einer Blutlache... tot.
Und der kleine George dachte sich dabei nur: "So muss Theater sein. Eine schöne Frau spaziert auf einem Seil, fällt runter und stirbt."
Ich glaubte und glaube zwar eher, dass dieser Gedanke erst später zu dem Erlebnis kam, aber schockiert war ich damals trotzdem ziemlich über die lakonische, zynische Schilderung.
Erst als ich die Aufführung von "Mein Kampf" sah, habe ich die Menschlichkeit darin auch richtig begriffen: Erst noch hast du dich vor Lachen gebogen und schon krümmst du dich vor Schmerz. So meine etwas pathetische "Uebersetzung".
Ein Zitat von Werner Finck (nicht darauf bezogen) trifft es wahrscheinlich noch viel besser: Humor ist die Lust zum Lachen, wenn einem zum Heulen ist.
Eine ganz kurze, unheimlich tragikomische Szene aus "Mein Kampf" möchte ich hier noch gerne dazu anfügen:
Im Männerasyl an der Blutstrasse erklärt der cholerische Neurotiker und Tagedieb Hitler dem Hausierer Schlomo Herzl seine ehrgeizigen Pläne, die ganze Welt zu erobern...
(sinngemäss)
Schlomo: "...die ganze Welt?"
Hitler: "Ja. Die ganze Welt!"
Schlomo: "Neuseeland auch?"
Hitler: "Ja. Neuseeland ganz besonders!"
