"König Lear hat die Bühne verlassen" – sagte gestern Claus Peymann zum Tode dieses großen Theatermenschen - aber ich bin mir nicht sicher, ob der Vergleich mit König Lear, außer das er sehr schön klingt, auch tatsächlich zutrifft. Denn König Lear ist die tragische Gestalt par exelence, George Tabori war es eigentlich nicht, obwohl - oder eben wegen der tragischen Ereignisse die seine Jugend geprägt hatten, die einen großen Teil der Themen seines schriftstellerischen Werkes ausmachen.
Die Inszenierung von König Lear bleibt übrigens ein unerfüllter Wunsch von Tabori – und wir werden nie wissen was er aus Shakespeares Drama gemacht hätte.
Elfriede Jelinek drückte es sehr treffend aus als sie sagte: "Was ich an seinen Stücken immer bewundert habe, war die ironische Leichtigkeit, mit der er die entsetzlichsten Dinge gefasst hat."
George Tabori mochte die Bezeichnung Regisseur nicht – und meinte über sich: "Ich bin ein Spielmacher" und fügte hinzu, dass das Wort Regisseur ihn zu sehr an "regieren" erinnern würde.
Sein Interesse am Theater verlor er bis zum Schluss nicht - auch wenn die körperlichen Gebrechen des Alters immer größer wurden. Bis vor einigen Wochen saß er bei der Premiere seiner Stücke in der ersten Reihe – manchmal auch mit auf der Bühne um alles verfolgen zu können, denn durch ein Augenleiden sah er gegen Ende nur noch verschwommen.
Man weiß auch, dass er schon bettlegerisch die Schauspieler bei sich zuhause empfing um sie weiterhin zu beraten.
Tabori nannte sich den "dienstältesten Theatermacher der Welt" und konnte vielleicht seine geistige Frische am besten erklären indem er sagte: "Ich betrachte die Welt mit den Augen eines Kindes und sehe daher immer neue Sachen".
George Tabori wurde 1914 in einer jüdischen Familie in Budapest geboren – er nannte sich eigentlich Györgi. Der Vater, ein strenger Journalist, wollte dass der Sohn "etwas ordentliches lernt". So zog der Sohn Anfang der der 30er Jahre nach Berlin und dann nach Dresden um einer Lehre des Hotelfachs zu folgen. Er hat übrigens einige Zeit als Hotelboy im Hotel Adlon gearbeitet. Doch bald betätigte er sich als Journalist und Übersetzer.
Da George Tabori die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannte, floh er 1936 nach England.
Der Vater wurde in Auschwitz vergast, die Mutter konnte sich mit viel Mut und Intelligenz retten – ihr setzte der Sohn ein Denkmal in seiner Erzählung "Mutters Courage". Das Stück wurde als Drama und auch filmisch später umgesetzt und wurde ein großer Erfolg.
Auch hier wie überall in seinen Erzählungen oder Theaterstücken sind Lachen und Weinen nicht voneinander zu trennen – das war die große Kunst von Tabori.
Vielleicht hat eben dadurch George Tabori den Deutschen bei der so genannten Vergangenheitsbewältigung geholfen, er machte seine Späße mit dem Holocaust, die aber nie Grenzen überschritten haben, und enttabuisierte zum Teil auf seiner Weise dieses schmerzhafte Thema.
Doch hinter seinen Späßen bleibt das Drama spürbar – die Katastrophe ist doch immer präsent.
Hatte er das vom Vater? Man erzählt, dass dieser bei seinem Gang in die Gaskammer gesagt haben soll: "Nach Ihnen, Herr Mandelbaum!" Ein Satz, der aber sehr an den eigenartigen Humor von George Tabori erinnert.
Eine zeitlang war Tabori Auslandkorrespondent auf dem Balkan, arbeitete für die BBC.
Seit 1945 war er britischer Staatsbürger – doch es zog ihn nach Hollywood wo er unter anderem auch für Alfred Hitchcock schrieb und wo er Werke von Bert Brecht ins Englische übersetzte.
Nach Berlin kehrte George Tabori im Jahr 1968 zurück – und inszenierte am Schillertheater sein Stück "Die Kannibalen". Denn es beschäftigte ihn immer das Schicksal dem er entgangen war und er war durchaus der Meinung, dass man Theaterstücke schreiben und spielen kann rund um solche tabuisierten Themen.
Nur wenn man Tabus zerstört, meinte Tabori, erstickt man nicht an ihnen. Deutlich steht das Schicksal seines ermordeten Vaters im Mittelpunkt des Stückes "Die Kannibalen" – in welchem KZ-Häftlinge vor der Wahl stehen: entweder die Gaskammer – oder sie fressen einen Mithäftling auf.
Seine manchmal sehr spezielle und direkte Ausdrucksweise lässt ihn sagen, dass unsere Alpträume genau so notwendig sind wie "der tägliche Triumph unserer Gedärme". Und außerdem:
"Unmöglich ist es, die Vergangenheit zu bewältigen, ohne dass man sie mit Haut, Nase, Zunge, Hintern, Füßen und Bauch wiedererlebt hat."
Seine Aktivitäten setzt er fort an verschiedenen deutschsprachigen Bühnen, in Bremen, München, Köln, Bochum und Wien. Mit seinem Stück "Die Akte Brecht" wurde im Jahr 2000 die neue Theaterära des Berliner Ensembles unter Claus Peymann eröffnet.
Ich erinnere mich an die wunderbare Feier die das Berliner Ensemble anlässlich des 90ten Geburtstages des großen Theatermachers organisierte, mit einem wunderbar bescheidenen Tabori der aber doch selbstbewusst und erfreut die vielen sehr persönlichen Glückwünsche entgegennahm von Freunden und Weggefährten wie Jürgen Flimm, Senta Berger, Wolf Biermann, Angelika Domröse, Hanna Schygulla, Johannes Rau, Peter Radtke, etc… um nur einige zu nennen.
Man spürte auch damals deutlich das was in den letzten zwei Tagen immer wieder zum Ausdruck kommt: Tabori war nicht nur der große Theatermensch – sondern in erster Linie ein Mensch den man liebte und der die Menschen liebte.
Wie Claus Peymann sehr treffend sagte: "Solche Menschen wachsen nicht nach."
George Tabori bei der Feier zu seinem 90ten Geburtstag:
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Die Inszenierung von König Lear bleibt übrigens ein unerfüllter Wunsch von Tabori – und wir werden nie wissen was er aus Shakespeares Drama gemacht hätte.
Elfriede Jelinek drückte es sehr treffend aus als sie sagte: "Was ich an seinen Stücken immer bewundert habe, war die ironische Leichtigkeit, mit der er die entsetzlichsten Dinge gefasst hat."
George Tabori mochte die Bezeichnung Regisseur nicht – und meinte über sich: "Ich bin ein Spielmacher" und fügte hinzu, dass das Wort Regisseur ihn zu sehr an "regieren" erinnern würde.
Sein Interesse am Theater verlor er bis zum Schluss nicht - auch wenn die körperlichen Gebrechen des Alters immer größer wurden. Bis vor einigen Wochen saß er bei der Premiere seiner Stücke in der ersten Reihe – manchmal auch mit auf der Bühne um alles verfolgen zu können, denn durch ein Augenleiden sah er gegen Ende nur noch verschwommen.
Man weiß auch, dass er schon bettlegerisch die Schauspieler bei sich zuhause empfing um sie weiterhin zu beraten.
Tabori nannte sich den "dienstältesten Theatermacher der Welt" und konnte vielleicht seine geistige Frische am besten erklären indem er sagte: "Ich betrachte die Welt mit den Augen eines Kindes und sehe daher immer neue Sachen".
George Tabori wurde 1914 in einer jüdischen Familie in Budapest geboren – er nannte sich eigentlich Györgi. Der Vater, ein strenger Journalist, wollte dass der Sohn "etwas ordentliches lernt". So zog der Sohn Anfang der der 30er Jahre nach Berlin und dann nach Dresden um einer Lehre des Hotelfachs zu folgen. Er hat übrigens einige Zeit als Hotelboy im Hotel Adlon gearbeitet. Doch bald betätigte er sich als Journalist und Übersetzer.
Da George Tabori die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannte, floh er 1936 nach England.
Der Vater wurde in Auschwitz vergast, die Mutter konnte sich mit viel Mut und Intelligenz retten – ihr setzte der Sohn ein Denkmal in seiner Erzählung "Mutters Courage". Das Stück wurde als Drama und auch filmisch später umgesetzt und wurde ein großer Erfolg.
Auch hier wie überall in seinen Erzählungen oder Theaterstücken sind Lachen und Weinen nicht voneinander zu trennen – das war die große Kunst von Tabori.
Vielleicht hat eben dadurch George Tabori den Deutschen bei der so genannten Vergangenheitsbewältigung geholfen, er machte seine Späße mit dem Holocaust, die aber nie Grenzen überschritten haben, und enttabuisierte zum Teil auf seiner Weise dieses schmerzhafte Thema.
Doch hinter seinen Späßen bleibt das Drama spürbar – die Katastrophe ist doch immer präsent.
Hatte er das vom Vater? Man erzählt, dass dieser bei seinem Gang in die Gaskammer gesagt haben soll: "Nach Ihnen, Herr Mandelbaum!" Ein Satz, der aber sehr an den eigenartigen Humor von George Tabori erinnert.
Eine zeitlang war Tabori Auslandkorrespondent auf dem Balkan, arbeitete für die BBC.
Seit 1945 war er britischer Staatsbürger – doch es zog ihn nach Hollywood wo er unter anderem auch für Alfred Hitchcock schrieb und wo er Werke von Bert Brecht ins Englische übersetzte.
Nach Berlin kehrte George Tabori im Jahr 1968 zurück – und inszenierte am Schillertheater sein Stück "Die Kannibalen". Denn es beschäftigte ihn immer das Schicksal dem er entgangen war und er war durchaus der Meinung, dass man Theaterstücke schreiben und spielen kann rund um solche tabuisierten Themen.
Nur wenn man Tabus zerstört, meinte Tabori, erstickt man nicht an ihnen. Deutlich steht das Schicksal seines ermordeten Vaters im Mittelpunkt des Stückes "Die Kannibalen" – in welchem KZ-Häftlinge vor der Wahl stehen: entweder die Gaskammer – oder sie fressen einen Mithäftling auf.
Seine manchmal sehr spezielle und direkte Ausdrucksweise lässt ihn sagen, dass unsere Alpträume genau so notwendig sind wie "der tägliche Triumph unserer Gedärme". Und außerdem:
"Unmöglich ist es, die Vergangenheit zu bewältigen, ohne dass man sie mit Haut, Nase, Zunge, Hintern, Füßen und Bauch wiedererlebt hat."
Seine Aktivitäten setzt er fort an verschiedenen deutschsprachigen Bühnen, in Bremen, München, Köln, Bochum und Wien. Mit seinem Stück "Die Akte Brecht" wurde im Jahr 2000 die neue Theaterära des Berliner Ensembles unter Claus Peymann eröffnet.
Ich erinnere mich an die wunderbare Feier die das Berliner Ensemble anlässlich des 90ten Geburtstages des großen Theatermachers organisierte, mit einem wunderbar bescheidenen Tabori der aber doch selbstbewusst und erfreut die vielen sehr persönlichen Glückwünsche entgegennahm von Freunden und Weggefährten wie Jürgen Flimm, Senta Berger, Wolf Biermann, Angelika Domröse, Hanna Schygulla, Johannes Rau, Peter Radtke, etc… um nur einige zu nennen.
Man spürte auch damals deutlich das was in den letzten zwei Tagen immer wieder zum Ausdruck kommt: Tabori war nicht nur der große Theatermensch – sondern in erster Linie ein Mensch den man liebte und der die Menschen liebte.
Wie Claus Peymann sehr treffend sagte: "Solche Menschen wachsen nicht nach."
George Tabori bei der Feier zu seinem 90ten Geburtstag:
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