"Erfahrung" ist wohl zu viel gesagt, es waren Nachbarn der Wohngemeinschaft, in der ich damals lebte. Inwieweit die Mitglieder sich bewußt zu dieser Lebensform entschieden hatte weiß ich gar nicht - mir schien das eher gewachsen zu sein.
Die Kinder kamen prima damit zurecht. 2 oder 3 (weiß nicht mehr genau wieviele) von den Erwachsenen waren Studenten, es war eigentlich immer jemand zu Hause. Wichtigste Bezugspersonen blieben natürlich trotzdem die Mütter. Die Kinder machten einen glücklichen Eindruck, wenn auch der älteste für meinen Geschmack hoffnungslos verzogen war.
Umfeld: reagierte sehr negativ. Stell Dir einen kleinen bayerischen Ort in der Peripherie Münchens vor, Bauernhöfe im Umland, bei einem habe ich im Fenster sogar einen Aufkleber "Deutschland den Deutschen" (Republikaner) gesehen.
Wir wohnten in einer kleinen Seitenstraße, 8 Reihenhäuser aneinandergereiht, 2 betreute Wohngemeinschaften für psychisch Kranke (in einer davon wohnte ich), auch die anderen 6 Häuser mit jeweils 6 - 8 Bewohnern ausnahmslos Wohngemeinschaften. Als Schülerin, die ich damals war, ging ich gelegentlich nachmittags mit meinem Hund durch den Ort - dann gab's schon mal Sprüche "schon wieder so a Arbeitslose aus den Kommunen!" (so nannten uns die Dörfler), ging einer von uns im örtlichen Supermarkt einkaufen, wurden grundsätzlich unsere Taschen kontrolliert.
Besonders belastet hat sich dadurch keiner von uns gefühlt (glaube ich jedenfalls), man mied eben den Kontakt mit den Dorfleuten. Wie das für die Kinder war kann ich nicht beurteilen - kann sein daß der älteste die Vorurteile zu spüren bekam, jedenfalls habe ich nie gleichaltrige Dorfkinder bei den Nachhbarn gesehen.
Das gilt für jede Lebensweise, die von der gängigen Norm abweicht - z.B. auch für homosexuelle Beziehungen. Mal abgesehen von den üblichen Klischees, die ja auch Schwule und Lesben verinnerlicht haben (daß in einer solchen Beziehung immer eine/r die Rolle des gegengeschlechtlichen Parts übernähme z.B. - kommt meiner Erfahrung nach allerdings nicht sehr häufig vor) muß immer dann, wenn angebliche "natürliche" Rollen nicht eindeutig zugeordnet werden können, von allen Beteiligten überlegt werden, auf welche Art man viele Dinge händelt - das siehst Du ganz richtig.
LG, wirrlicht