Liebe Marianne,
Kühne Bilder? Metapher ist ein so weitläufiger Begriff... kann man "metaphora" denn übersetzen? Übertragen? Klar, könnte man denken. Heisst doch einfach "Transport". Aber das Problem fing bereits vorher an - das Übersetzungsproblem. Was bleibt anderes, als die Vorstellung eines sich bewegenden Vehikels (auf dem "Metaphorai" steht, wie in Griechenland noch heute üblich), um sich vorzustellen, was eine Metapher ist, wie eine metaphorische Übertragung funktioniert? Eine Allegorie zur Beschreibung des Einbruchs von "Bildlichkeit" in die Welt der Zeichen. Eine der Funktion der Metapher ziemlich analoge Art, sich der Metapher zu nähern? Man riecht den Zirkelschluss.
Wenn man etwa meint, die Metapher könne man von der Metonymie abgrenzen, bei der Res und Verbum zumindest in einem näheren Zusammenhang stünden, müsste auch erklären können, inwiefern das letztendlich bei der Metapher nicht der Fall ist. Jeder Versuch, sich irgendeinem Begriff begrifflich zu nähern, impliziert die Bewegung einer fortlaufenden metonymischen Kette von Signifikanten und ein metaphorischer Austausch ebensolcher. Doppelte Bewegung: Eine Art vektorielle Reihe bildend, zusätzlich durch seitwärts wirkende Kräfte die Erzeugung einer Virtualität unendlicher parallel verlaufender Reihen suggerierend, die nebeneinander koexistieren. Klingt alles recht kompliziert, scheint mir aber so einfach wie möglich ausgedrückt. (Das Schema wurde gedanklich stark von Roman Jakobson geprägt, etwa im Aufsatz: "Zwei Seiten der Sprache und zwei Typen aphatischer Störungen".)
Zu "kühneren" Bildern kann man nur greifen, wenn man in den oben beschriebenen Ansatz noch die Gewöhnung einführt. Erst wenn man sich an "Metaphern" gewöhnt, falls das möglich sein sollte, kann der Eindruck entstehen, man verwendete immer kühnere. Also kommt zu den bereits eingeführten räumlich-zeitlichen Bewegungen noch die Unterordnung der Differenz unter die Repräsentation dazu. Denn Gewöhnung bedeutet im Grunde nichts, als dass Differentes unter der Ordnung der Repräsentation mittels bestimmter Verfahren (Bildung von Identitäten, Gegensätzen, Analogien, Ähnlichkeiten) getilgt wird. Und das bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass "offene Fenster" kreiert werden, aus denen der "Tod des Wortes schaut" (übrigens: eine sehr schöne Metapher, Marianne).
Michel Foucault schreibt in seinem sehr schönen Buch "Raymond Roussel":
Der "Tod des Wortes" gehört jeweils zu seiner Identität. Die Maske, die Hülle, das offene Fenster, hinter dem eben nichts hervorschaut als die Ökonomie Sprache selbst, der Tod des Wortes - und das Prinzip seiner Lebendigkeit (lacht es deswegen?). Was heisst also "schweigen"? Und "Menschheit"?
Hat diese, falls es sie gibt, nicht bereits genug geschwiegen? Oder schwätzt sie noch? Oder sind das etwa keine Optionen, und tut sie gar beides unaufhörlich und unverfroren? (am Fusse des Turms zu Babel?) 