AW: Wie nehmen wir die Kinder wahr?
Schön, Salem, dass du deine Ankündigung wahr gemacht hast.
Es ist keine staatliche Schule, sondern eine private Weitebildungsinstitution, in der Leute zwischen 16 und 24 Jahren, die keinen oder einen schlechten Schulabschluss haben, sei es aus der Haupt- oder Realschule oder dem Gymnasium, in ein Ausbildungsverhältnis gebracht werden sollen.
Viele, fast die Hälfte der Teilnehmer, sind sogenannte Reha-Fälle; weisen also Verhaltensauffälligkeiten auf, die bis zu Drogenkonsum und Kleinkriminalität reichen. Manche haben eine Heimvergangenheit, kommen aus kaputten Familienverhältnissen. Es sind Leute aus der Stadt Karlsruhe und aus den umliegenden Ortschaften, die aber alle städtisch geprägt sind. Es ist nicht ganz das, was man "sozialen Brennpunkt" nennen müsste, aber es ist nicht weit weg davon.
Es sind etwa hälftig sogenannte "Original-"Deutsche und Leute mit Migrationshintergrund, z. T. hier in Deutschland geboren und aufgewachsen, z. T. erst zwei oder drei Jahre hier, sodass es noch erhebliche Sprachprobleme, schriftlicher und mündlicher Art gibt.
Sie sollen lernen, einen Lebenslauf und Bewerbungen zu schreiben, sie trainieren Vorstellungsgespräche, bemühen sich mit Hilfe der Kollegen um Praktikumsplätze und sollen auch noch - und da komme ich ins Spiel - ihre Deutschkenntnisse und -fähigkeiten und ihre Allgemeinbildung, auch auf dem Gebiet der Geschichte, der Politik - in der Schule: Gemeinschaftskunde genannt -, und der Landeskunde - in der Schule: Geografie -, ergänzen und verbessern.
Dies ist besonders schwierig bei einigen, die sich rühmen, noch nie ein Buch gelesen zu haben. Die bei jedem Thema zuerst sagen: Das ist doch Scheiße! Das ist langweilig! Das interessiert mich nicht.
Dabei zeigt sich, dass manche noch nie etwas über deutsche Geschichte gehört haben. Auf die Frage: Seit wann gibt es Deutschland? erhielt ich die ernsthafte Antwort: Seit Hitler!
Es ist also sicher nicht die Elite und auch nicht der Durchschnitt der Jugendlichen, den ich da vor mir habe.
Doch habe ich in meiner Zeit am Gymnasium durchaus ähnliches erlebt. Nicht so geballt, aber doch auch.
Auch dort flogen Stühle durchs Klassenzimmer, kam es zu "happy slapping", wurden Leute massiv ausgegrenzt, und natürlich spielten alle Jungen Gewaltspiele.
Ich hoffe, das gibt einen Einblick.
Beste Grüße
Fritz