AW: über die erwartungen an die kommunikation
Hallo Andreas!
Ich kann dir auf deinen langen Beitrag weiter oben leider nicht antworten. Zu viele widersprüchliche Argumente purzeln da gleichzeitig auf mich ein.
Ich nehme lieber diesen Beitrag hier. Denn du hast ja auch hier zwei total gegensätzliche Aussagen angeführt.
Das Goethe-Zitat drückt mE eine pädagogische Haltung aus. Ein Mensch, der einen anderen erzieht, wird vielleicht so denken. Denn da wird ein Idealzustand als Maß genommen, von dem aus besehen jemand schlechter oder besser sein kann. Und wer legt fest, wie das Ideal auszusehen hat?
Auch wenn Goethe oder Frankl darin etwas sehen, was du als hilfreich für dich erkannt hast, ich kann darin nur eine Ablehnung des Menschen, wie er gerade ist, erkennen.
Mir fällt zunehmend auf, dass eine partnerschaftliche Beziehung so betrachtet wird, als ob da zwei Menschen losgelöst und ohne andere Verknüpfungen und Bezüge zu ihrem gemeinschaftlichen Umfeld leben könnten. Wenn ich ein Problem mit meinem Partner habe, dann ist es doch nicht unwesentlich, dass ich auch noch andere Beziehungen (zu Eltern, Kindern, Freunden, Kollegen.......) habe. Die beeinflussen ja auch mein Verhalten.
Um zum Zitat zurückzukommen: Wenn ich jemanden so nehme, wie er ist, dann gestehe ich ihm zu, dass ich nur einen Bruchteil von ihm wahrnehmen kann und also gar nicht beurteilen kann, was ihn veranlasst so zu sein wie er ist.
Wenn ich glaube, ihn so nehmen zu dürfen, wie er sein könnte, dann stelle ich mich als Erzieherfigur über ihn. Dann glaube ich, besser zu wissen als er selbst, was gut für ihn ist. Und dann maße ich mir etwas an, nämlich zu glauben, dass ich diesen Menschen ganz und gar wahrgenommen habe. Dabei hab ich bloß meine eigene Vorstellung davon, wie man "richtig" ist, über ihn drübergestülpt.
Mir scheint, dass sehr viele Probleme in der Beziehung da entstehen, wo ich am anderen herumerziehe und nicht bemerke, dass es eine Anmaßung ist, sich selbst zum rechten Maß zu erheben. Der andere ist nämlich nicht aus bösem Willen anders, sondern weil er auch so sein muss, wie er ist, um seinem Lebensentwurf gerecht zu werden.
Bei mir ist es so, ich muss hinterfragen, und nochmal hinterfragen, vor allem meine eigenen Überlegungen. Ich kann nicht anders. Und mittlerweile weiß ich schon, dass ich nicht gegen mich selbst leben kann, weil ich mir damit meine Lebensberechtigung absprechen würde. Ich habe nicht den freien Willen, meinen Charakter zu ändern, ich hab bloß den freien Willen, meinen Kritikern wenigstens nicht mehr freundlich lächelnd zuzustimmen, während ich mich innerlich gräme und die Wut in meinem Bauch grummeln spüre. Das hab ich auch gelernt, und das war mir eine große Hilfe zu erfahren, dass "die anderen" lieber an mir herumerziehen wollten, damit sie selbst nicht allein so blöd dastehen, als dass sie vor ihrer eigenen Tür kehrten.
Kritiker können einiges bewirken, allerdings sollten sie nicht glauben, dass es immer etwas Gutes ist. Es ist bloß eine andere Sicht. Und ob das besser oder schlechter ist, das sei dahingestellt.
