• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Auf Thema antworten

Ärger-Aggression, Sein und Sollen


Hallo Kathi,


bevor ich auf das "kreative Sauersein" eingehe, möchte ich von einer Einsicht berichten, die noch aus der Zeit VOR meinem Studium stammt.

Stinksauer war ich durch die Gegend gestapft und fragte mich, warum ich eigentlich so wütend bin. Und dabei klingelte dann die Idee, dass es hier ein Prinzip gibt. Ich ärgere mich, wenn die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollen.

Viele Jahre später habe ich diesen Gedanken erweitert: Warum sollte eigentlich irgend jemand oder irgendetwas auf der Welt so sein, wie ich es haben möchte? Stelle ich das Sollen in Frage und löse mich davon ab, löst sich der Ärger in Luft auf. Wie oft ärgern sich die Menschen darüber, dass "im Wald Bäume stehen" oder "der Himmel blau" ist. Der Umgag mit anderen Menschen verändert sich, wenn ich mich davon distanziere, sie nur durch die Brille meiner eigenen Erwartungen zu sehen, festzulegen, was wie sein soll und mich daran zu klammern.

Hilfreich war auch eine Bemerkung meines Stationsleiters in der Zeit, als ich als Zivildienstleistender in einem gerontopsychiatrischen Pflegeheim arbeitete: ich sollte mir immer dessen bewusst bleiben, was andere aus ihrer Krankheit heraus tun. Jahre später beobachtete ich, wie eine Altenpflegerin einen Parkinsonkranken anmeckerte, er solle doch nicht so zittern. Inzwischen etwas schlauer geworden, dachte ich mir: Parkinson heisst, das extrapyramidalmotorische Zentrum ist gestört, der Mann KANN GAR NICHT ANDERS als Zittern, also warum sollte ich ihm deshalb Vorwürfe machen. Also ärgere ich mich eben nicht - und das Merkwürdige ist, dass die Analyse dieses Sichzusichverhaltens ("ich ärgere mich" - wer ärgert da wen und warum?) potentiell immer die Chance in sich birgt, sich anders zu sich selbst zu verhalten. Manchmal kann ich mich einfach dazu entschliessen, ich eben nicht zu ärgern, indem ich mir sage: Nein, darüber rege ich mich jetzt nicht auf (mein persönliches Energiesparprogramm).

Ärger kann aber auch etwas Wertvolles haben. Einer meiner Lehrer hatte sich angewöhnt, seinen Garten umzugraben, wenn er sich mal wieder geärgert hatte und - vermutlich war sein Garten recht gepflegt. Verschieben und anderswo die Energie abbauen, kann also eine kreative Möglichkeit sein.

Andererseits... gibt es auch Situationen, in denen Ärger zu einem Impuls werden kann, das Ärgerliche zu verändern. Es muss ärgerlich gewesen sein immer wieder nass zu werden, wenn es regnet. Es muss ärgerlich sein, wenn dann gerade keine Höhle in der Nähe ist, in die man sich zurückziehen kann. Also... haben die Menschen das HAUS erfunden. Vielleicht hat Edison die Glühbirne erfunden, weil er Goethes Ärger über die tropfenden Kerzen irgendwie nachempfinden konnte?


Damit ist bestimmt noch nicht alles erschöpfend reflektiert.

Aber... ich brauche jetzt mal eine Denkpause...


lg Mehusalem:regen:


Zurück
Oben