Selbstannahme und Bedürfnisforschung
Hallo Kathi,
den Faden möchte ich mal weiterspinnen... nehmen wir einmal an, Selbstannahme und ein gesundes Selbstwertgefühl seien elementare Voraussetzungen bz. Bestandteile der Beziehungsfähigkeit. Dann liegt es nahe, von einem Zusammenhang zwischen Sichzusichverhalten und Sozialverhalten anzunehmen. Anders formuliert: in der Art und Weise, wie ich mit anderen umgehe, spiegelt sich mein Umgang mit mir selbst und umgekehrt.
Akzeptiere ich mich selbst als ein sich gelegentlich irrendes, nicht perfektes, begrenztes und unvollkommenes Wesen, werde ich andere eher nachsichtig und verständnisvoll behandeln können.
Dort, wo ich meine eigenen Bedürfnisse erkenne und anerkenne, werde ich auch auf die Bedürfnisse anderer eher Rücksicht nehmen können. Selbstwahrnehmung und Empathie bedingen einander. Das mag sehr schwer sein, wenn ein Mensch viel Ablehnung und Kritik erfahren hat, sich selbst nicht angenommen und geliebt fühlt. Das Sichzusichverhalten aber bietet immer einen Ansatzpunkt - eben mit sich selbst bewusster umzugehen, sich selbst zu befragen und im Sichbefragen immer mehr von dem anzunehmen, was zunächst unannehmbar erscheint. Jene dunkle Seite zu integrieren, die C.G.Jung als Schatten bezeichnet hat, rundet die Persönlichkeit erst ab und ermöglicht tiefer gehende Beziehungen, in denen das Dunkle des Anderen in seiner Existenz nicht mehr beiseitegeschoben werden muss.
Das Unangenehme, das ich in mir selbst erkenne, wahrzunehmen, bedeutet aber nicht, einfach unkontrolliert alles nach aussen zu transportieren, was mir da an Fantasien durch den Kopf geht. Gefühle wahrzunehmen und zu untersuchen lässt immer noch mehrere Möglichkeiten offen, ihnen Ausdruck zu verleihen - oder auch nicht. Nachdenklich gemacht hat mich da vor langer Zeit Mahatma Gandhi mit einem Satz, den ich mir gemerkt habe:
"Man muss den Zorn in sich aufstauen, und so wie gestaute Energie in Wärme verwandelt werden kann, kann unser gestauter Zorn zu einer Kraft werden, die die Welt zu bewegen vermag."
Heute spreche ich lieber vom "kreativen Sauersein", vom Bemühen, Aggression, insbesondere Ärger-Aggression so einzusetzen, dass sich das Ärgerliche ändern kann...
Aber zurück zur Selbstannahme, hier habe ich auch noch einen Spruch auf Lager, er stammt von einer meiner "grossen Lehrerinnen", Ruth Cohn:
"Ich akzeptiere mich selbst so wie ich bin, was meine Wünsche, mich zu ändern, einschliesst."
Älter werden, wachsen und reifen, das ist ein ganz natürlicher Vorgang und entspricht dem Menschen elementar. Anders zu werden, das ergibt sich daraus und mag manchmal sehr mühevoll sein. Nur - ein ganz Anderer zu sein, das wird nicht gelingen - so sehr ich mich auch darum bemühe, ein Anderer zu sein, am Ende bin ich doch immer wieder "nur" ich. Diese Begrenztheit zu akzeptieren verweist die Menschen immer wieder aufeinander - Identität gibt es nur in der Relation.
Oder, wie es Martin Buber ausdrückte:
"Der Mensch wird am Du zum Ich"
lg Methusalem