AW: Wenn das so einfach wäre...
Die gesunde Mischung gibt es m.E. nicht. Jeder Mensch hat seine ganz individuellen Erfahrungen und wunden Punkte, die durch den anderen angerührt werden können. Jeder hat seinen eigenen individuellen Wertekatalog, den er - bewusst oder unbewusst - als Maßstab nimmt.
Beziehung ist in erster Linie ein Sich-selbst-Kennenlernen durch den Spiegel, der der Andere für mich ist. Nur für mich selbst ist relevant, was ich verstehe und wie ich mich dabei fühle.
Welche Gefühle meine Reaktion beim Anderen auslösen, ist wiederum für ihn relevant. Deshalb bringt ja auch ein Streit nichts, wenn es nur drum geht, dem anderen vorzuwerfen, was er falsch gemacht hat.
Eingehen auf den anderen setzt voraus, dass das, was ich von ihm wahrnehme auch das ist, was er mir mitteilen wollte. Und da beginnen schon sehr viele Schwierigkeiten.
Wenn ich wirklich verstanden habe, dann kann ich dem anderen einen befriedigende Antwort geben. Er spürt, dass er wirklich verstanden wurde.
Wenn ich glaube, etwas verstanden zu haben, aber das stimmt nicht damit überein, wie es der andere gemeint hat, dann ist meine Antwort, die mir selbst als die richtige erscheint, für den anderern unbefriedigend. Er ist vielleicht irritiert, oder sogar gekränkt.
An diesem Punkt entstehen leicht Konflikte, weil ja oft nicht so klar ist, warum man aneinander vorbei redet oder agiert. Jeder glaubt ja auf den anderen eingegangen zu sein.
Um zur gesunden Mischung zurückzukehren: Wahrscheinlich können nur solche Menschen in einer längeren Beziehung leben, die die Bereitschaft haben, den anderen in seiner Eigenart zu akzeptieren in dem Vertrauen, dass jeder sein Bestes tut.
Mit dem Herumerziehen am andern aufzuhören wäre ein hilfreicher Schritt für eine Verbesserung der Beziehung. Denn das ist eine Anmaßung, die den anderen in die Position des Unmündigen drängt.
Vor kurzem hab ich eine nette Metapher gelesen: Wem an seinem Partner etwas nicht passt und er ihm nahelegt, er möge sich ändern, der handelt so, als ob er zur Verschönerung seines Aussehens seinem Spiegelbild Lippenstift aufmalen würde.
Da Menschen ständig mit neuen Eindrücken konfrontiert werden, sind sie auch nicht wie Roboter immer gleich. Das was gestern gepasst hat, ist vielleicht heute das Falsche. Ich denke, die Aufmerksamkeit, mit der wir uns begegnen, ist immer wichtig. Auch nach vielen Jahren.
