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Hallo Muzmuz,


„wenn du behauptest, dass vertrauen bzw misstrauen bewusstsein voraussetzt, dann behauptest du implizit, dass nur menschen ver- bzw misstrauen können, da sie ja die einzigen lebewesen sind, die bewusstsein zeigen (was nicht heißt, dass sie die einzigen sind, die es haben)“


Ja, das denke ich - zumindest so lange, bis mich eine andere Anschauung überzeugt.


“jedoch tiere agieren in der gleichen art und zeigen ver- oder misstrauen

ein kleiner hund, der fröhlich auf jeden menschen zuläuft und spielen will, dann aber regelmäßig verprügelt wird, wird sein verhalten auch dahingehend ändern, dass er dieses verhalten einstellt und so agiert, als ob er menschen nun misstraut“


Das meinte ich mit Konditionierung. Ich denke, dass der Mensch in der Lage ist, via Reflexion aus diesem Reiz-Reaktions-Schema herauszukommen. Bzw. stehen dem (erwachsenen) Menschen mehr Unterscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung als einem Hund. Er kann erkennen, dass es verschiedene Menschen gibt und er kann Erfahrungen auch auf andere Gebiete übertragen. Wenn z.B. einem Hund von Menschen mit weißen Kitteln öfter weh getan worden ist, wird er auf Menschen in weißen Kitteln entsprechend misstrauisch reagieren, weil er auf „weiße Kittel“ konditioniert ist.

Ich glaube, dass solche Konditionierungen auch beim Menschen greifen, aber Menschen können eben (im Gegensatz zum Tier) abstrahieren. Auch von weißen Kitteln. Sie müssen dann nicht langwierig umkonditioniert werden, sondern sie verfügen über die prinzipielle Fähigkeit, eine Situation, in der jemand mit weißem Kittel vorkommt, umfassender einzuschätzen. Und auch wenn ich vor weißkitteligen vorzugsweise: Zahnärzten Angst und großes Misstrauen in ihre DasTutNichtWehAussage habe, wird man mich trotzdem nicht am Zahnarztsessel anbinden und unter Narkose setzen müssen, damit ich den Arzt nicht beiße.


“in deinem letzten absatz lese ich implizit heraus, dass es eine bewusste entscheidung wäre, ob man ver- oder misstraut“


Nein, das war missverständlich. Ich halte den Menschen absolut nicht für ein derart rationales Wesen. Ich sehe es aber so, dass er AUCH über Ratio (im Gegensatz zu den Tieren) verfügt. Was dann letztlich sein verhalten steuerte, bzw. wie sich Ratio und Emotion mischen, hängt von den Anlange des jeweiligen Menschen, aber auch seiner Sozialisation, (kulturellen) Umgebung, seinem gesellschaftlichen Kontext,... ab.


Ich sehe das auch so, dass man Gefühle als sehr mächtig und elementar (das ist ja auch das Schöne daran, zumindest bei den schönen Gefühlen!) erlebt, was aber für mich nicht heißt, dass sie nicht beeinflussbar wären. Ganz im Gegenteil: gerade Gefühle sind leicht steuerbar, gerade weil sie sich so originär und elementar „anfühlen“, man sie also ganz intensiv als zu-sich-gehörig empfindet.


Wenn man sich aber ansieht, wozu Menschen gebracht werden können, wenn man sie entsprechend manipuliert, dann ist das für mich schon ein Indiz, dass Gefühle steuerbar sind. Und Manipulation läuft immer über die emotionale Ebene, indem bestimmte Begriff, Handlungsweisen u.ä. mit bestimmten Gefühlen verbunden werden. Und siehe da: plötzlich empfinde ich etwas als positiv, das ich zuvor als negativ empfunden habe. Oder umgekehrt. Wenn man Menschen bestimmte gefühle lang genug einredet, werden sie sie früher oder später auch haben. Oder wie anders wäre es zu erklären, dass z.B. „urplötzlich“ verschiedene kleine Abweichungen von der Normschönheit als derart schlimm empfunden werden, dass man sich für viel Geld unters Messer legt? Und diese Leute haben alle das (echte!) gefühl, dies aus alleinigem Antrieb und nur ihrer selbst wegen zu tun. Und auch ihr Leidensdruck war wirklich groß. Nur: er ist hergestellt worden.


Ein gerüttelt Maß an Misstrauen - auch seinen sich auch noch so originär und unbeeinflussbar empfundenen Gefühlen gegenüber - halte ich also für wichtig.


In wen ich mich verliebe, kann ich nicht steuern, aber wem ich vertraue oder misstraue, kann ich schon steuern. Ja, ich kann mich irren und dem Falschen vertrauen. Werde ich dann aber kein zweites Mal machen. Einen Menschen, dem ich vertraue, werde ich nicht kontrollieren. Warum sollte ich das tun? Ich werde das erst tun, wenn ich Anlass zum Misstrauen habe.



Liebe Grüße

Katharina


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