• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Auf Thema antworten

Robins Erwähnung des „Steinzeitniveaus“ hat mich zu folgender These inspiriert:


Misstrauen entsteht, wenn ich das Verhalten des Gegenübers nicht eindeutig dechiffrieren kann. Wenn ich also nicht weiß, ob hinter dem, das offen daliegt, noch etwas anderes und eben dem Offenen Entgegengerichtetes liegt.


Ich denke, dass in alten Gesellschaften die Verlässlichkeit des Gegenübers derart unmittelbar für das Überleben aller Mitglieder notwendig war, die Rolle des Misstrauens eher gering war, schlicht deshalb, weil es das Überleben zu sehr gefährdet hat. Bzw. gibt es ja auch heute noch Überbleibsel, die zeigen, dass es ritualisierte Formen gab, die Vertrauenswürdigkeit unter Beweis zu stellen. Z.B. ist das Handreichen oder die Darbietung der geöffneten Hand, Hinweis, dass man eben keine Waffe trägt, bzw. auch Zeichen, dass man diese sensible Stelle der Handfläche herzeigt, Zeichen der Offenheit. Auch die (heute als Höflichkeit interpretierte) Sache, dass man seine Hand nicht in der Hosentasche hat, wenn man mit jemand anderem spricht, hat ihren Ursprung darin.


Nun ist unsere Gegenwart eine, in der es nicht mehr um Leib und Leben geht (zumindest normalerweise), und es ist eine Gesellschaft, die über kein (ich nenne es mal so) verbindliches Zeichensystem mehr verfügt. Was für den einen bedeutet, ein Zeichen des Vertrauens zu setzen, kann für den anderen völlig bedeutungslos sein. Und auch umgekehrt: Zeichen, bei denen man sich nichts (Schlechtes) denkt, können von jemandem, der aus einer anderen Zugehörigkeit kommt, wo eben ein quasi anderes Dechiffrierungssystem gültig ist, als Bedrohung gelesen werden. Da es nun aber keine zutiefst existenzielle Bedrohung mehr ist, keine, die die gesamte Gruppe betrifft, besteht wenig allgemeines Interesse, diesen Kommunikations-Misslichkeiten tatsächlich Abhilfe zu schaffen.


Zeichen können nicht mehr allgemein-verbindlich interpretiert werden, also entsteht Misstrauen. Das Misstrauen in die 1:1-Aussagekraft des Zeichens verschiebt sich auf die Person, die das Zeichen setzt: Man weiß ja nicht, wie etwas „gemeint“ war.

Dieser Vorgang greift umso stärker, je „isolierter“ die Zeichen übermittelt werden. Je mehr ich an Drumheruminformation über den betreffenden Menschen habe, umso besser werde ich das, das er aussendet, dechiffrieren können.


Wenn ich das Misstrauen wertfrei betrachte und auf seine Funktion hin untersuche, dann komme ich zu dem Schluss, dass es den Menschen davor schützt/schützen kann, „dem Schein“ aufzusitzen, also sein Handeln auf etwas auszurichten, um das es *eigentlich* gar nicht gegangen ist.

Ich halte das Misstrauen dem gegenüber, das an der Oberfläche liegt, weiters auch für einen Bestandteil dieses Zweifels, der da zu Erkenntnis führt oder führen kann.


Mit Grüßen

Katharina


Zurück
Oben