Das gehört zur Bewältigung des Begriffs Gerechtigkeit, denn es ist vor allem ein individuelles Gefühl. Wenn Du schreibst, Dich interessiert nur der Inhalt aber nicht von wem, dann ist der Ungerechtigkeit Tür und Tor geöffnet. Deshalb war Schirach gut als Strafverteidiger, er sah nicht nur den Umstand Mord, schwerstes Vergehen, sondern schaute sich Ursachen, Gründe und den ganzen Vorgang warum es zur Tat kam an, kam zu dem Schluss, der Inhalt der Anklage allein führt nicht zur Gerechtigkeit und führte dem Richter die Umstände der angeklagten Persönlichkeit vor. Es ist ja gerade nicht gerecht einen Mörder mit Todesstrafe oder Lebenslänglich zu bestrafen, denn wenn der Täter Jahre lang unter seiner herrischen Frau gelitten hat, die er am Ende erschlug, dann ist er eher das Opfer. Somit war die Tat eine Notwehr und gerecht ist der Freispruch. Ansonsten ist die Justiz meistens nicht gerecht beim Urteil im Sinne der menschlichen Empfindung, sondern im Sinne der Gesetze und des geltenden Strafkatalogs. Ein guter und kreativer Strafverteidiger kann vor Gericht ein gerechtes Urteil bewirken aber urteilt der Richter streng nach Gesetz, ist es womöglich ungerecht. Deshalb heißt es, mit dem Urteil vor Gericht ist recht gesprochen aber nicht automatisch gerecht. Das Urteil wird nach geltendem Recht gefällt aber es ist nicht automatisch gerecht gehandelt. Deshalb sehe ich den Begriff Gerechtigkeit unabhängig vom Recht. Aristoteles hat die Gerechtigkeit als Tugend gesehen, also als gutes Benehmen eines jeden Menschen. Das ist ein guter Ansatz, wenn man viele Götter hat die das menschliche Tun lenken und verantwortlich sind, geht das auch aber wir kommen heute in der Gesellschaft einer Marktwirtschaft mit Tugend allein nicht weiter. Mein Spruch zur Gerechtigkeit, weil viele in Deutschland jammern, dass sie zu kurz kommen ist, wenn es gerecht wäre auf der Welt, dürften wir lange Zeit gar nichts mehr bekommen, des materiellen Wohlstands wegen, dann sind erst einmal die Anderen dran. Wie gesagt, ich bekomme ist gerecht, wenn die Anderen bekommen ist es ungerecht, so die verbreitete Mentalität.