Antwort an Robin
Guten Morgen Robin,
(falls ich in nächster Zeit nicht mehr antworten sollte, ist dies nicht gegen Dich gerichtet)
Richtig, eine Gesellschaft als Kollektiv kann nicht (un-)moralisch entscheiden; sehr wohl aber kann eine Mehrheit Entscheidungen treffen, die dann dieser Gesellschaft sind. Dein Kinderbeispiel – sehr gut übrigens für meine Interpretation – ist eben eine klare Mehrheitsentscheidung. Eine große Mehrheit von potentiellen Elternteilen entscheidet sich gegen Kinder. Das ist jeweils individuell ein Verstoß gegen den kategorischen Imperativ Kants, kann doch niemals diese prinzipielle Entscheidung zur „Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gemacht werden“.
Verzeih’ Robin, aber Deine Einführung des Begriffs „Selektion“ erscheint mir Wortklauberei. Was die Gesellschaft selektiert, ist nichts anderes als eine mehrheitliche Selektion, also eine Entscheidung Pro oder Contra von X.
Das Prinzip Verantwortungsethik ist ebenso wenig wie Gesinnungsethik fragwürdig, weil es nur mit Appellen durchgesetzt werden könnte – ganz abgesehen davon, daß mit Appellen allein noch nie eine bestimmte Moral „durchgesetzt“ werden konnte. Man muß hier zwischen der Norm als positiven Rechtssatz und der moralischen Norm unterscheiden. Ein Gesetz freilich, das nicht überwiegend (100%ig kann das nur eine brutale Diktatur) durchgesetzt werden kann – und wir haben viele, zu viele von solchen Gesetzen – untergräbt dien Respekt vor ihnen und die Autorität des Staates.
Was eine „moralisch codierte Selektion“ ist habe ich, lieber Robin, schon rein begrifflich nicht verstanden. Aber vehement widerspreche ich Deiner Behauptung, daß in den 80er Jahren der Schwerpunkt auf „Atomkraft und Krieg, aber nicht auf Kinderkriegen“ lag. Wer hat denn in den 80er Jahren D in einem Krieg geführt? Und waren das nicht die Jahre, in denen – was vermutlich noch bereut werden wird – der Ausstieg aus der Atomkraft begann?! Gerade weil die 80er so erfolgreich in diesen ihren politischen Zielen – „make love no war“ – waren, hätten sie doch massenhaft Kinder in die friedliche und gefahrenfreie Welt setzen können?°
„Automatisch“ entsteht in der menschlichen Kommunikation gar nichts, dahinter stecken immer Menschen, wie der Redakteur, was Du zurecht bemerkst, eben seine Meinung hat und nicht die von BILD kundtut, was mindestens sprachlich unsauber ist. Aber wieso die Lüge „allein“ (?) schon aus der Ungenauigkeit, der Unbestimmtheit entstehen und eine Versuch sein soll, das „Unbestimmbare zu bestimmen“, das alles vermag ich wieder nicht zu verstehen. Wenn ich z.B. lügen würde: „Hindenburg war im WK II ein Generalfeldmarschall unter Hitler“, dann ist das eine höchst genaue, eine sehr präzise Aussage – aber eben eine Lüge, denn ich weiß und kann beweisen, daß Hindenburg im Juli 1934 gestorben ist.
Freundlichen Gruß - Ziesemann