AW: Vor 30 Jahren ...
S.g. Belair,
zunächst vielen Dank für den interessanten Link zu TMI-2.
Du hast recht, wenn du den Menschen, der jede technische Anlage bedienen muss, in die Risikobetrachtung einbeziehst.
Beim TMI-2-Unfall funktionierten alle Sicherheitssysteme. Trotzdem ist es zur Zerstörung des Reaktorkerns mit teilweisem Schmelzen des Brennstoffs gekommen. Das muss man zu einem grossen Teil den Handlungen des Betriebspersonals anlasten. Allerdings haben auch einige technische Mängel dazu beigetragen.
Die Handlungen des Betriebspersonals beruhen auf Informationen über den Zustand der Anlage. Bei TMI hatte das Druckentlastungsventil am Druckhalter keine Stellungsmeldung, sondern nur eine Anzeige des Steuerbefehls. Das Ventil versagte technisch (blieb offen), trotz Steuerbefehl "zu". Das Personal interpretierte dies als Stellungsmeldung (Ventil geschlossen). Dies war wohl der schwerwiegendste Fehler, denn aufgrund dessen verlor der Reaktor dauernd Kühlmittel, ohne dass es vom Personal bemerkt wurde. Erst nach 2 Stunden und 20 Minuten wurde das offen gebliebene Ventil durch einen Schieber geschlossen. Aber da war es bereits zu spät.
Ein anderer technischer Aspekt war die falsche Logik für das Auslösen der Notkühlung. Weil der Füllstand im Druckhalter hoch war, meinte das Personal, dass genügend Kühlmittel vorhanden sei, und es stoppte die Notkühlpumpen.
Kurz und gut: Am Beispiel TMI wurde die Bedeutung der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik sehr deutlich.
Du hast das mit deiner Bemerkung
treffend ausgedrückt.
Heutzutage verfügen die meisten KKW über sog. "Full Scope"- Anlagesimulatoren. Das Betriebspersonal trainiert also in einer Umgebung, welche den Kommandoraum 1:1 abbildet. Regelmässig werden diverse Störfallszenarien geübt.
Im Übrigen sei gesagt, dass die Risikoanalysen für KKW auch das mögliche Fehlverhalten des Betriebspersonals (seine "Unberechenbarkeit") berücksichtigen.
Ich meine, dass seit TMI bedeutende Fortschritte erzielt wurden, um einen Störfall wie in TMI-2 äusserst unwahrscheinlich zu machen.
Gruss
Hartmut