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Ein paar Fragen zur Begrifflichkeit


Ich bin überhaupt kein Gegner "des Kapitalismus", mich irritieren bei diesem Thread aber ein paar Fragen zur Begrifflichkeit.

Zunächst überrascht der Titel: Verteidigung des Kapitalismus". Mein Eindruck war bisher, dass der Terminus "Kapitalismus" eigentlich von dessen Gegnern erfunden bzw. geprägt wurde. Das ist natürlich paradox. Man müsste vielleicht eher sagen: Der Begriff Kapitalismus wurde geprägt, um sich verändernde gesellschaftliche/wirtschaftliche Strukturen mit einem negativ konnotierten Begriff zu erfassen. Meine Frage also: Warum heißt der Thread nicht: Verteidigung der Marktwirtschaft? Mir ist nicht klar, wie man diese Begriffe trennt, bzw wie man den Begriff Kapitalismus "neutral" verwenden kann.

Das zweite ist. Es wird gesagt, Kapitalismus sei ein "System". Kapitalismus sei "sinnvoll erdacht". Da bin ich jetzt sehr irritiert, denn wer hat dieses System denn erdacht?

Ich hätte am ehesten gedacht, Kapitalismus beschreibt das Autonomwerden des Wirtschaftssystems von anderen Gesellschaftssystemen. D.h. der Besitz von Gütern, Geld und Land (Kapital) wird nicht mehr durch Schichten spezifiziert, sondern wird mehr oder weniger frei bewegliche Handelsmasse, zu der nach und nach alle Schichten Zugang haben. Aber dies hat ja niemand erdacht. Dieser Prozess hat sich evolutionär herausgebildet und wurde dann von Theoretikern beschrieben. Diese Theorien wiederumgaben der Politik Leitfäden zur Hand, die Entwicklung durch Gesetze und Regelungen zu begleiten. Aber das ist ein Begleiten, kein Erdenken gewesen, oder? M. E. bleibt das Wirtschaftssystem, das Prinzip der Marktwirtschaft, negativ "Kapitalismus" genannt, autonom.

Es ist ja gerade das Prinzip des Kapitalismus, nicht geregelt zu werden und nicht regelbar zu sein. Daher widerspreche ich auch der These, es gäbe verschiedene Arten des K. z.B. in USA oder Europa. Müsste es nicht genauer heißen: Es gibt verschiedenartige Einschränkungen der marktwirtschaftlichen Prinzipien in verschiedenen Ländern? Kapitalismus als Prinzip der Prinzipienlosigkeit (jetzt nicht moralisch gemeint) kann nur als globales Phänomen verstanden werden. Handel kennt keine Grenzen. Profite kennen nur wenige Grenzen, die schnell überwunden werden usw.


Ich würde sagen: Die Begrifflichkeit des Kapitalismus ist der Versuch, die Gesellschaft als ein fast rein ökonomisches System zu beschreiben, von dem angeblich alles abhängt. Das (ökonomische) Sein bestimmt das Bewusstsein. Die neuere Sozialwissenschaft geht aber davon aus, dass das Wirtschaftssystem nur ein Subsystem unter vielen ist (Politik, Recht, Kunst, Erziehung usw.), dass autonom agiert - und als solches natürlcih keine Verbechen begehen kann, nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann, aber auch nicht kontrollierbar ist.


Einer der wichtigsten Streitpunkte der heutigen ökonomischen Theorie ist sicherlich das Zins- und Aktiensystem. Hierin sehen viele Theoretiker eine Gefahr; weil sich Produktivität und Gewinn und Kapital entkoppeln. Hier kann eine Dynamik entstehen, die konträr sein könnte zu den optimistischen Prämissen dieses Threads. Aber das sind dann Probleme, die nichts mehr mit den "klassischen" Problematisierungen im sematischen Dunstkreis von Kapitalismuskritik und Klassenkampf zu tun haben.

Oder?


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