Kleine Randbemerkung: es lohnt ein solches waghalsiges Unterfangen wie einen Rückblick zu schreiben, um zu verstehen wie schwierig so etwas zu gestalten ist. Nicht nur wegen der Subjektivität mit der wir aus einem Wust von Ereignissen die wichtigsten selektieren möchten, aber auch weil jedem einzelnen Fakt im Laufe der Zeit eine sehr persönliche Note anhaftet.
Ich bleibe noch bei den politischen Ereignissen.
Der Irakkrieg wirft nach wie vor seine langen und bedrohlichen Schatten - und in den USA scheint wenigstens ein Teil der Bevölkerung die Politik von Bush in Frage zu stellen.
Doch die USA berufen sich in allen Entscheidungen, auch in denen die im Senat missbilligt werden, auf den Kampf gegen den Terror und scheuen dabei nicht vor sehr fragwürdigen Maßnahmen zurück.
Ich möchte hier den italienischen Philosophen Giorgio Agamben zitieren:
"Just in dem Moment, in dem die politische Kultur des Westens anderen Kulturen Unterricht in Sachen Demokratie geben will, macht sie sich nicht klar, dass ihr der Maßstab dafür völlig abhanden gekommen ist."
Inwiefern waren deutsche Behörden informiert z.B. über den Fall des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri, der anlässlich einer Urlaubsreise in Mazedonien verschleppt wurde, und in Afghanistan in Geheimgefängnissen fünf Monate lang verhört und auch misshandelt wurde? Die CIA hielt ihn für einen potentiellen Terroristen.
Grobe Fehler, wir sehen es, werden entschuldigt mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Es gilt wirklich unser demokratisches Rechtssystem nicht mit diesem Vorwand auszuhebeln.
Erinnern möchte ich hier auch an den Auftakt des Prozesses gegen Saddam Hussein, in Oktober dieses Jahres. Der Aufwand für diesen Prozess war enorm, aber man sollte hier anerkennend erwähnen, dass die Amerikaner jede Art der Siegerjustiz meiden. Doch der Rahmen in dem der Prozess stattfindet, also der immerwieder eskalierende Terror im Irak, wird aus diesem Prozess nicht den Auftakt der Demokratisierung des Landes machen.
Noch ein Wort zum Irakkrieg. Man hat wiederholt Parallelen gezogen zu den Vietnamkrieg und der Art wie dieser eine ganze Generation wach gerüttelt hat - als sie bemerkte, dass sie belogen wurde.
Wie aber Evan Wright in seiner "Generation Kill" zu bedenken gibt:
"Die heutigen Soldaten sind da ganz anders. Sie erwarten geradezu, von ihrer Regierung belogen zu werden. Dem Fernsehen glauben sie schon gar nicht. Sie sind schon von Beginn an zynisch und abgestumpft. Es ist also nicht so als ob sie ihre Unschuld im Irak verlieren würden."
In diesem Zusammenhang noch eine Stimme, die mich beeindruckt hat und m.E. sehr symptomatisch ist: die des Sergeants Tony Espera. Er ist einer der Marines, die wegen "seines Mitgefühls für die Zivilisten" im Irak, degradiert wurde - denn seine Empathie wurde als Feigheit gewertet.
Eine Gruppe Marines wurde wegen ihres Mitwirkens bei der Reportage von Wright degradiert - Wright gibt deren Haltung durch die Worte von Tony Espera wieder:
"Wir wirken in dem Buch vielleicht wie Durchgeknallte und Verrückte. Aber wir haben einen Ehrenkodex, für den wir sterben. Die Wahrheit gehört dazu, gegenüber dir selbst und den Kameraden. Evan Wright hat die Wahrheit geschrieben. Hätte er gelogen, dann hätten wir uns beschwert. Aber er hat nicht gelogen."
(Fortsetzung folgt)