Hallo nochmal!
Hab gedacht, wo ich grad dabei bin, könnte ich ja noch eine schöne Stelle zitieren - vielleicht hat ja jemand Interesse daran:
Was gewesen ist, das ist nicht mehr; ist eben so wenig, wie Das, was nie gewesen ist. Aber Alles, was ist, ist im nächsten Augenblick schon gewesen. Daher hat vor der bedeutendesten Vergangenheit die unbedeutendeste Gegenwart die Wirklichkeit voraus; wodurch sie zu jener sich verhält, wie Etwas zu Nichts. -
Man ist mit Einem Male, zu seiner Verwunderung, da, nachdem man, zahllose Jahrtausende hindurch, nicht gewesen, und, nach einer kurzen Zeit, eben so lange wieder nicht zu seyn hat. - Das ist nimmermehr richtig, sagt das Herz: und selbst dem rohen Verstande muß aus Betrachtungen dieser Art eine Ahn|dung
V309 der Idealität der Zeit aufgehn. Diese aber, nebst der des Raumes, ist der Schlüssel zu aller wahren Metaphysik; weil durch dieselbe für eine ganz andre Ordnung der Dinge, als die der Natur ist, Platz gewonnen wird. Daher ist Kant so groß.
Jedem Vorgang unsers Lebens gehört nur auf einen Augenblick das Ist; sodann für immer das War. Jeden Abend sind wir um einen Tag ärmer. Wir würden vielleicht, beim [242] Anblick dieses Ablaufens unsrer kurzen Zeitspanne, rasend werden; wenn nicht im tiefsten Grunde unsres Wesens ein heimliches Bewußtseyn läge, daß uns der nie zu erschöpfende Born der Ewigkeit gehört, um immerdar die Zeit des Lebens daraus erneuern zu können.
Auf Betrachtungen, wie die obigen, kann man allerdings die Lehre gründen, daß die Gegenwart zu genießen und Dies zum Zwecke seines Lebens zu machen, die größte Weisheit sei; weil ja jene allein real, alles Andere nur Gedankenspiel wäre. Aber eben so gut könnte man es die größte Thorheit nennen: denn was im nächsten Augenblicke nicht mehr ist, was so gänzlich verschwindet, wie ein Traum, ist nimmermehr eines ernstlichen Strebens werth.
Gruß, Andi