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AW: Unser Recht zu sterben...





Hallo Ben,


auf Grund eigene, ganz persönliche Erfahrungen, sehe ich das etwas differenzierter.

Es ist ja doch nicht so, dass ein depressiver Mensch generell zu einer Therapie gezwungen wird. Wenn er dazu gedrängt wird, vom Arzt oder von Angehörigen, so wird er sich oft nur halbherzig auf die Therapie einlassen wenn er selbst nicht einsehen will/ kann, dass eine Therapie helfen könnte.


Im Falle meines Sohnes war es so: er war der Meinung, er bekäme es selbst in den Griff, er bräuchte keine Therapie – er hat sich also verweigert. Nach einem Selbstmordversuch wurde ihm im Krankenhaus unmissverständlich klar gemacht, entweder er geht für 4-6 Wochen freiwillig in eine psychiatrische Klinik oder es erfolgt eine Zwangseinweisung für eine noch längerer Zeit. Er entschied sich dafür, sich freiwillig einweisen zu lassen. Das liegt nun mehr als 10 Jahre zurück und noch heute ist er froh darüber, dass er damals sozusagen „gezwungen“ wurde, etwas gegen seine Depressionen zu unternehmen. In der Klinik kam er zunächst in die geschlossene Abteilung, eben wegen dem Selbstmordversuch, aber ans Bett gefesselt wurde er nicht.

Selbstmordversuche sind, denke ich, immer Hilfeschreie. Und so sollte Mensch auch versuchen die Person zu helfen, soweit irgendwie möglich.  Natürlich ist eine Zwangseinweisung kein Heilmittel an sich, genauso wenig wie eine Therapie es sein kann, wenn die Person selbst sich nicht wirklich auf eine Therapie einlassen will oder kann.


Weißte Ben, ich war heilfroh, dass meinem Sohn damals im Krankenhaus die Alternative aufgezeigt wurde, so oder so… Die Zeit, die er dann in der Klinik verbringen „musste“, hat zumindest dazu geführt, dass er keine Selbstmordversuche mehr unternommen hat. Die Depressionen waren nach der Klinikaufenthalt natürlich nicht wie weggeblasen, aber er lernte mit der Zeit besser damit umzugehen. Vielleicht weil er doch für sich herausfand, dass das Leben lebenswert sein kann, wenn auch nicht alles so klappt im Leben, wie ein junger Mensch es sich so vorstellt.

Es hätte natürlich auch anders kommen können – mein Sohn hätte auch später noch mal versuchen können sich umzubringen, trotz Zwangseinweisung, trotz Therapie. Aber zum Glück haben ihm diese Wochen in der Klinik damals irgendwie geholfen, für sich doch noch  Perspektive für sein Leben zu finden.


Anders sehe ich es, wenn es sich um eine unheilbare Krankheit handelt. Wenn es klar ist, dass jede weitere medizinische Maßnahme („Therapie“) eigentlich nur die Qualen verlängern würde, den Prozess des Sterbens nur hinausschieben würde, dann würde ich persönlich auch sagen: Nein! Und das haben meine Schwester und ich gemacht als es um unserer Mutter ging. Wir haben passive Sterbehilfe zugestimmt, mehr konnten wir für unsere Mutter nicht tun.


Mein Sohn stand damals am Anfang seines Lebens und hat erst später erkannt, dass es doch Dinge gibt, die das Leben lebenswert macht. Meine Mutter wusste wie lebenswert das Leben ist – sie konnte und wollte die Qualen der Krankheit aber nicht mehr aushalten (müssen).


Ich denke, das Thema „unser Recht zu sterben“ ist vielfältiger, als es hier theoretisch/ virtuell  abgehandelt werden kann….


Britt


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