• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Auf Thema antworten

AW: Unser Recht zu sterben...


Hier noch ein flammendes Plädoyer für ein gegenwartsbezogenes Leben von Anton Wildgans:


DAS  LÄCHELN


Wie doch die Menschen sind! Sie sorgen,

was morgen wird und übermorgen -

Und ihre Seelen bleiben blind und arm;

an Gärten wandern sie vorbei, an Gittern,

die von dem Drängen junger Sträucher zittern,

und ihre Seelen füllt der ewig gleiche Harm.


Daß über Nacht ein Wunder neu geboren,

daß aus der alten Häuser tiefen Toren,

nun wieder Kinderlaut und Kühle weht,

und daß sich Wölkchen bilden in den Lüften,

von Zigaretten- und Orangendüften,

oder Parfum, wenn eine schöne Frau vorübergeht.


Sie fühlen dieses nicht, und nicht das Neigen

der Abende, wenn sich in langen Reigen

müd-armes Volk die Straßen heimwärts drängt.

Sie sehen nicht, daß diese bleichen Wangen

der jungen Mädchen vor dem Frühling bangen,

der soviel Sehnsucht und Gefahr verhängt....


In meinem Leben weiß ich einen Kranken,

gelähmt an Gliedern, Willen und Gedanken.

Nur seine Seele war dem Wunder heil;

der konnte lächeln, wenn der erste Schimmer

der Frühlingssonne in sein trauriges Zimmer

sich leise schob, ein goldner, zarter Keil.


Der konnte lächeln über jede Blüte,

daß dieses Lächelns wundervolle Güte

dem toten Auge flüchtig Leben gab;

der konnte weinen über Kinderlieder

und tiefer atmen, wenn der Duft vom Flieder

ihn grüßen kam in seiner Kissen Grab.


Und dieses Lächeln, diese Tränen waren

so überreich an jenem Wunderbaren,

das alle darben, die so dumpf-gesund.

Und ich hielt dieses Mannes Hand im Sterben

und ward zu seines Lächelns Erben,

das wie ein Blühen lag um seinen blassen Mund.


Drum faß ich diese Menschen nicht, die sorgen,

was morgen wird und übermorgen,

denn ihre Seelen bleiben blind und arm;

An Gärten wandern sie vorbei, an Gittern,

die von dem Drängen junger Sträucher zittern,

und ihre Seelen füllt der ewig gleiche Harm.


-----------------------------------------------


Liebe Grüße


Zeili


Zurück
Oben