AW: Unser Recht zu sterben...
Hallo Ben.
Der Tod ist ein natürlicher Bestandteil unseres Lebens und ich stehe dem Tod nicht negativ gegenüber. Wir alle müssen sterben. Manche in einem hohen Alter andere leider schon früher durch eine Krankheit oder Unglücke.
Doch der Unterschied all dieser Todesarten zur Selbsttötung ist der, dass der Tod bei ihnen durch biologische Ursachen oder durch eine Verkettung unglücklicher Umstände eintritt. Diese Menschen haben es nicht gewählt zu sterben.
Ein Mensch hingegen, der sich das Leben nimmt hat, wenn man die Sache objektiv betrachtet, eine Wahl. Mir ist auch klar, dass manche Menschen aufgrund ihre psychischen Krankheiten nicht in der Lage sind zu erkennen, dass sie eine Wahl haben. Aber Fakt ist, sie haben sie. Es gibt keinen äußerlichen Grund, von der Brücke zu springen, den Abzug zu betätigen oder sich eine Überdosis Medikamente zu geben. Der einzige Grund ist eine Krankheit, die die Sicht auf das Leben blendet. Es gibt so vieles im Leben, was auf einen wartet. Und etwas besseres als den Tod findet jeder.
Der Tod bedeutet, soweit wir Menschen es beurteilen können, das absolute ENDE unseres irdischen Lebens. Was danach kommt wissen wir nicht. Himmel, Hölle, Nirwana, gar nichts- wer weiß das schon?
Vielleicht kommt ja ein besseres Leben. Aber, Gegenfrage, was wenn nicht?
Ich will es nicht drauf ankommen lassen, der Einsatz ist mir zu hoch. Ich werde es ohnehin erfahren, wenn meine Zeit gekommen ist- sofern ich dann noch in der Lage bin, etwas zu erfahren.
Wie gesagt- dem Tod an sich stehe ich nicht negativ gegenüber. Wenn sich aber Menschen, die eigentlich körperlich gesund sind das Leben nehmen, weil sie von einer psychischen Krankheit dazu gebracht wurden, wenn sie sich ihre Zukunft verbauen- nein...wenn sie sich ihrer Zukunft BERAUBEN (denn in diesem Leben hat derjenige der sich das Leben nimmt keine Zukunft mehr) dann ist das in meinen Augen in der Tat negativ- es ist ein Drama, weil dieser
Mensch nicht hätte sterben müssen.
Von Meinungsfreiheit halte ich sehr viel.
Ich würde einem Menschen nicht verbieten auf einen Berg in die Stille zu gehen, weil ich ihm zum einen nicht verbieten kann, sein LEBEN so zu gestalten wie er es für richtig hält und weil er zum anderen seine Entscheidung wieder rückgängig machen und vom Berg herunterziehen kann.
Ich würde einem Gläubigen nicht verbieten in die Kirche zu gehen, weil ich ihm auch hier nicht vorschreiben kann, wie er sein religiöses LEBEN zu gestalten hat und weil er sich jeden Sonntag jederzeit dazu entschließen kann, von heute an nicht mehr an Gott zu glauben und einfach nicht mehr in die Kirche zu gehen.
Einem Menschen, der zu viel Schokolade ist, würde ich raten, seinen Verzehr etwas zu mäßigen, aber, sofern er keinen Esszwang hat, sondern der immense Verzehr von Schokolade nur ein Tick ist, den diese Person jederzeit wieder abstellen könnte, würde ich ihr auch das nicht verbieten, weil ich wüsste, dass sie ihre Essgewohnheiten jederzeit wieder ändern kann.
Einem Menschen (und ich gehe jetzt von einem psychisch Kranken aus, nicht von einem physisch Kranken, der beispielsweise sein Siechtum beenden will.)
der sein Leben beenden will, würde ich in der Tat versuchen, mit allen Mitteln aufzuhalten. Denn den TOD kann man nicht mehr rückgängig machen. Diese Entscheidung ist endgültig.
Und deswegen darf es nicht sein, dass ein Mensch mit einem eingeschränkten, verdunkelten Blick auf sein Leben (und den hat ein psychisch kranker Suizidgefährdeter) diese endgültige Entscheidung trifft.
Selbsttötung ist kein finaler Akt uneingeschränkter Freiheit. Sie ist immer eine Verzweiflungstat.
Sie ist auch kein Ausweg aus einer Krise- sie ist die endgültige Kapitulation vor den Problemen.
Mag sein, dass es für manch einen körperlich unheilbaren Kranken besser ist zu kapitulieren, wenn er das für richtig hält- ich will das offen lassen.
Aber der psychisch Kranke könnte, wenn er sich helfen lassen würde, Waffen gegen seine Probleme und seine Krankheit in die Hand gegeben bekommen, um den Feind zu besiegen oder ihn zumindest auf Abstand zu halten.
Er muss nicht kapitulieren.
Ich weiß nicht was das Beste für einen psychisch Kranken ist.
Aber ich weiß, dass der Tod, wie ich schon sagte, zumindest das Ende dieses Lebens ist.
Und wenn ich jemanden sehe, der, geblendet durch eine KRANKHEIT dabei ist, sein Leben wegzuwerfen und sich selbst auszulöschen, dann sehe ich es als meine juristische, moralische und vor allem aber menschliche Pflicht diesem einen Menschen gegenüber, ihn aufzuhalten und dafür zu sorgen, dass ihm geholfen wird. Auch, wenn es für den Erfolg dieser Hilfe keine Garantie gibt.
Was das Zigarettenbeispiel angeht:
Meiner Meinung nach soll der Arzt dieses Recht bekommen, ja, denn ein Mensch, der wider besseren Wissens dem sicheren Tod durch Lungenkrebs etc. entgegenraucht scheint genauso ein psychisches Problem zu haben wie der depressive Selbsttötungsgefährdete oder das Mädchen, das Pro-Ana betreibt. Warum das bis heute nicht so ist- weiß der Kuckuck. Wahrscheinlich sind wir den Umgang mit Rauschmitteln schon so gewöhnt, dass wir die Augen verschließen.
Ja, es gibt schlechte Ärzte. es gibt aber auch viele gute, Ärzte sind nur Menschen, die Legende von den "Göttern in Weiß" ist schon lange überholt.
Aber dennoch glaube ich, dass für einen Großteil der Ärzte gilt, dass diese
Menschen die passende Ausbildung und Erfahrung haben, um Krankheiten zu behandeln.
Gerade im Umgang mit psychischen Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen gibt es viele Erfahrungen auf medizinischer und psycho-therapeutischer Ebene.
Und ich persönlich vertraue darauf, dass der Arzt mehr über das Wesen meiner Krankheit weiß als ich, da er sie schon in verschiedenen Erscheinungsformen gesehen hat als ich. Wie sie sich auswirkt, dass weiß vor allem ich- aber wenn es darum geht wie ich mit ihr umgehe, da vertraue ich auf die Hilfe meines Arztes.
Allerdings sind Ärzte mehr als Ratgeber. Ihre gesellschaftliche Aufgabe, die sie durch einen Eid bestätigt haben, ist es, den Menschen, so gut sie können und nach bestem Wissen zu helfen.
Und wenn sie sehen, dass ein Mensch dabei ist einen unnötigen Fehler zu begehen, dann helfen sie- notfalls auch wenn der Patient die Hilfe ablehnt.
Und das ist auch gut so. Denn viele Patienten sind aufgrund ihrer psychischen Krankheit und ihrer durch diese Krankheit beschädigte Weltsicht im Augenblick ihrer Krankheit nicht in der Lage, eine vernünftige, also sprich, gut durchdachte und sorgfältig abgewogene Entscheidung zu treffen.
Liebe Grüße,
Sunnyboy