AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie
Hallo Axl,
die Frage, ob das [der Scharfsinn] ausreiche, bezieht sich vermutlich auf den Anspruch eines zu erreichenden Wahrheitsideals. In diesem Falls müsste man wohl verneinend antworten, zumal das - soweit ich beurteilen kann - ja garnicht Machs Intention ist, er möchte schließlich gerade solche Ideale (bspw. absolute Wahrheit, Seele, Gott, Ding ansich usf.) als zwar mitunter praktisch notwendige, aber eben nicht dem eigentlichen und einheitlichen wissenschaftlichen Erkennen entsprechende und also metaphysische Vorstellungen erweisen.
Um es stark verkürzt (und daher notwendig unzureichend) darzustellen:
Das nennt Mach wiederum die "reine Erkenntnis", die einsieht, dass die Welt weder Geist noch Materie ist, sondern alles zusammenhängt (daher wird seine Ansicht später auch neutraler Monismus genannt) und sich Unterschiede allein aus der Untersuchungsrichtung heraus ergeben. Demnach ist die Welt aus Empfindungskomplexen bestehend, die - sofern eine nicht selbstreflexive Untersuchungsrichtung vorliegt - auf die kleinsten Bestandteile, Elemente genannt, gebracht werden können: die sog. Elementenkomplexe also. Hier ist der Gedanke der Relationen zu finden, wonach also die Art und Weise des Zusammenspiels jener Elementenkomplexe untereinander das ergibt, was wir uns gemeinhin als separiert und getrennt (in materieller wie metaphysischer Hinsicht) vorstellen. Als Beispiel: es gibt eigentlich kein Ding (bspw. Stuhl), sondern lediglich verschiedene Empfindungskomplexe (Elemente (bspw. Gerüche, Töne, Farben, Drücke)), die in bestimmter (wandelbarer) Relation zueinander stehen.
Mach baut hier offenbar auf die Feststellung, dass wir unsere Welt (gleich ob Innen- oder Außenwelt) stets nur qua Empfindung wahrnehmen können. Und eben hier setzt sein Einheitsgedanke an, an jener Stelle sieht er die Basis gegeben, um eine Einheitswissenschaft zu begründen. Zugleich ist das aber auch einer der kritikwürdigsten Momente seiner Sichtweise, denn was eine Empfindung eigentlich (positiv) sein soll, diese Antwort bleibt er - soweit ich dies bislang sehe - schuldig. Er geht wohl sogar davon aus, dass man Empfindungen nicht erklären müsse, resp. könne. Dies ist einigermaßen verständlich, denn in diesem Falle würde sich Mach wohl selbst ad absurdum führen. Dennoch mutet gerade dies kritikabschottend an.
Nun wird auch klar, weshalb er von verschiedenen Seiten des Solipsismus und Idealismus bezichtigt wird (u.a. von Lenin höchstselbst), obwohl ja sein Grundanliegen ist, sich allein auf das Gegebene zu beziehen. Es liegt also nahe davon auszugehen, dass sich die Anti-Metaphysische Katze letztlich selbst in den Schwanz beißt, da Empfindung (Geruch, Druck, Gehör usf.) doch offensichtlich zwar etwas Gegebenes sind, jedoch mehr Mittlerfunktionen zwischen verschiedenen Gegebenheiten darstellen und damit nicht selbst als letzte Gegebenheit annehmbar/verstehbar sind. Das, was er unter Empfindungen versteht, wäre somit nicht das, was man positiv vorfindet und damit selbst metaphysisch/ideel aufgeladen.
Derzeit bemühe ich mich, eben diese Problematik etwas zu beäugen. Dabei geht es mir weniger darum, Mach abwertend zu kritisieren, sondern seinen Ansatz erstmal umfassend genug nachzuvollziehen. Denn oftmals hören Kritiken schon beim ersten Machschen Ansatz auf, nämlich dass es ja nicht sein könne, dass alles Empfindung sei, weil...
So plump denkt Mach jedoch nicht und vieles von dem, was er schreibt, resultiert aus überaus exakten und scharfsinnigen (mitunter auch selbstkritischen) Beobachtungen. So jedenfalls meine vorläufige Ansicht hierzu.
Es grüßt herzlich,
Philipp