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Tugend Toleranz

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Robin

Guest
Toleranz galt lange unangefochten als eine Tugend.

In letzter Zeit kursieren jedoch öfter Begriffe wie "zero tolerance", "falsche" oder "falsch verstandene" Toleranz.

tolerare im Lateinischen heißt dulden - aber auch "ertragen".

Geht Toleranz für Euch eher in Richtung "Respektieren" oder in Richtung "Ertragen"?

Ist Toleranz eher eine Haltung - oder eine Handlung?

Und - mal ganz ehrlich - wie haltet ihr es mit der Toleranz?
 
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Original geschrieben von Robin
Geht Toleranz für Euch eher in Richtung "Respektieren" oder in Richtung "Ertragen"?
Toleranz ist Respektieren. Wenn sie in Richtung "Erdulden" geht, dann ist sie nach außen gezeigt und ist im Kern schon nicht mehr vorhanden.
Toleranz ist für mich nicht immer das oberste Gebot.
Kann ich dem zur Gewalt neigenden Psychioten den offenen Therapievollzug wünschen? Kann ich nicht.
Kann ich, der ich für Religionsfreiheit bin, für die christlichen und islamischen Religionen - wenn sie auf eine strenge Variante der Koran- und Bibelauslegung bestehen, die die Religion zu einer Angstreligion macht - den Zugang zu den Schulen gutheißen? Kann ich nicht.
Kann ich eine quasi-imperialistische Bush-Herrschaft gutheißen, weil der Mann doch "vom Volk" gewählt ist? Kann ich nicht.

Kann ich hingegen Frauen in Shadors und Burkas herum laufen sehen. Schade für die Frauen. Aber: Ja, das kann ich.
Kann ich Afrikaner in ihrer traditionellen Kleidertracht herum laufen sehen? Natürlich, gerne, kann ich.
Kann ich die Engländer - wenn auch besoffen - nationalfahnenschwingend durch die Straßen stolpern sehen? Natürlich! Breit grinsend - wenn sie verloren haben... :D

Gysi
 
1)
Toleranz ist Bestandteil des bürgerlichen Tugendkanons (wie Frömmigkeit, Sparsamkeit, Fleiß, usw.), etabliert in der Aufklärung, bekanntestes lit. Monument ist Lessings Nathan.
Und wie es mit den hohen Tugenden so ist: im Prinzip ist ein jeder dafür (was historisch gesehen: NS-Zeit, Apartheit-Politik, Rassenpolitik in USA SO aber eigentlich auch nicht stimmt), allein was die konkrete Umsetzung betrifft, gibt es Differenzen. – Wobei Lessing hier sehr pragmatisch denkt: In seiner Ringparabel meint er, dass sich die „wahre Religion“ an ihrer Wirkung auf die Menschen zeigen müsse.

2)
Toleranz ist eine Richtlinie für den Umgang mit dem Fremden, Unbekannten, Gegenläufigen den Andersdenkenden, spielt sich häufig in einem Mehrheit-Minderheit-Szenario, bzw. Randgruppendefinitionsmodell ab.
Ob man unter Toleranz eher „Erdulden“ oder eher Offen-Sein, Auseinandersetzung, Beschäftigung versteht, wird wohl individuell unterschiedlich sein. Gesellschaftlich scheint mir Zweiteres darunter verstanden zu werden.

3)
Nun ist unsere Gesellschaft nicht (mehr) homogen, v.a. sind die Zuordnungen gar nicht (mehr) so einfach. Und wenn es um Fragen wie „Wer darf in einer Gesellschaft was machen“, bzw. „Welche Folgen hat das“, dann gehen die Antworten eben auseinander.

Zu verfolgen ist das am Kopftuchstreit, an der Homosexuellen-Heiratsdebatte, an der Frage, ob es „geschützte Räume“, bzw. Quoten, bzw. Bevorzugungsmodelle für Frauen, Schwarze, Behinderte usw. geben soll, ...
Denn letztlich ist Toleranz, wenn sie „passiv“ verstanden wird (als „erdulden“ oder auch als das reine/ausschließliche/ Respektieren aufgefasst), wenig ergiebig, wenn man mal vom allgemeinen Vorteil absieht, dass es keine Verfolgung (mehr) gibt, dass es Press- und Pressefreiheit, usw, also die bürgerlichen Grundrechte (mehr oder weniger) ja gibt. Die Frage bleibt, ob und welche Rechte man dem zu Tolerierenden noch einräumt.

4)
Toleranz – nun „privat“ geantwortet . bedeutet für mich Auseinandersetzung, in die ich mich „als Ganze“ einbringe, wobei ich im Prinzip davon ausgehe, dass es sich um einen vollwertigen Menschen handelt, mit dem ich auch „Tacheles“ reden kann. Nichts ist mir in diesem Zusammenhang widerlicher, als ein Herumsäuseln, das letztlich herabwürdigend ist, weil das Gegenüber von Haus aus nicht für voll genommen wird. Harmonieterror, Nivellierungssucht von Unterschiedlichkeiten,... haben für mich nichts mit Toleranz zu tun. Dann schon eher (und das mag paradox klingen): Streitkultur.

Mit Grüßen
Katharina
 
Zuletzt bearbeitet:
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Hallo erstmal bin neu :) Und kein großer redner und lege auch nicht so viel wert auf rechtschreibung :) Aber nun zum thema . Ich denke TOLERANZ hat man einfach .Das ist kein ertragen oder respektieren . Toleranz hat man wenn man sich in den menschen oder die menschen reinversetzen kann . Dann versteht man den/diese Mensch/en . Naja so is es denke ich :)
 
Hallo Gysi,
ich sehe das auch so, dass Toleranz nicht bedeutet, dass man ALLES tolerieren soll, Toleranz kann nicht Laissez-Faire bedeuten. Ich denke, dass Toleranz eine Grundhaltung ist, die jedem Menschen, ganz egal was er denkt, was er getan hat oder zu tun beabsichtigt, grundsätzlich dieselben Rechte einräumt.
Toleranz ist die Haltung einer offenen Gesellschaft, wobei sich aber eben auch eine offene Gesellschaft vor Handlungen und Einflüssen schützen muss, die sie gefährden. Und genau DA, im Ein- und Abschätzen, vor allem im Festlegen von Rahmenbedingungen, liegen dann die Schwierigkeiten, denke ich. Ganz im Sinne der Redewendung: Der Teufel steckt im Detail!

So bin ich z.B. für eine strikte Trennung von Staat und Kirche (wie sie in Frankreich praktiziert wird) und sehe es deshalb mit sehr gemischten Gefühlen, wenn islamische Mädchen mit Kopftüchern in die Schule kommen. Einerseits ist es mir völlig egal, weil mich die Kopftücher ja nicht stören, andererseits ist es zumindest in Österreich gerade mal einigermaßen erreicht, dass die Kirche im öffentlichen Leben mehr oder weniger bedeutungslos geworden ist, und ich finde es ganz und gar nicht wünschenswert, dass diese Religionsproblematik nun schon wieder anfängt. Ich sehe es auch nicht ein, dass z.B. Lehrerinnen sich mit islamischen Traditionen herumschlagen müssen (und am kürzeren Ast sitzen), die den Mädchen vom Schwimmen über Landschulwochen alles mögliche verbieten. Dass man es als Lehrerin mit Schülern zu tun hat, die der Ansicht sind, dass ihre Mütter keine Entschuldigungen schreiben können, usw.
Ich sehe es so, dass da ganz wesentliche Grundsätze unserer Gesellschaft verletzt werden, Grundsätze, die ohnehin noch nicht so lang bestehen. Dass Religion Privatsache ist, bzw. die Gleichstellung von Frau und Mann. Ich bin da also der Ansicht – und die mag nun intolerant aussehen – dass diese Grundsätze Vorrang haben. Genauso wie für mich der Grundsatz, dass die Gesellschaft vor Menschen geschützt werden soll, die anderen Menschen an Leib und Leben gehen.

Toleranz heißt für mich in beiden Beispielen, mich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen. Hinter- und Beweggründen verstehen zu suchen und so u.U. zu Ergebnissen zu kommen, die eben keine HauRuck-Lösungen sind.

Gruß
Katharina
 
Original geschrieben von katharina
Toleranz ist die Haltung einer offenen Gesellschaft, wobei sich aber eben auch eine offene Gesellschaft vor Handlungen und Einflüssen schützen muss, die sie gefährden.
Ja. Toleranz muss man auch von dem erwarten, der Toleranz genießt. Der Respekt muss gegenseitig sein. Ein gesellschaftlicher Konsens muss allgemein respektiert werden.
Aber, wie du schon sagst: Die Grenzen für die konkreten Entscheidungen sind nicht so genau zu ziehen.

Gysi
 
Herzlich willkommen, WanT to be!

Original geschrieben von WanT to be
Toleranz hat man wenn man sich in den menschen oder die menschen reinversetzen kann . Dann versteht man den/diese Mensch/en . Naja so is es denke ich :)
Oh ja, Kennenlernen lässt die Menschen erkennen, wie ähnlich sie sich sind. Wie Geschwister. :)

Gysi
 
Immer unklarer

Früher einmal meinte ich zu wissen, was Toleranz ist. Aber die letzte Diskussion zu diesem Thema in diesem Forum brachte meine Überzeugung ins Wanken. Ich weiß es heute weniger denn je.

Vielleicht am ehesten: eine andere Meinung als gleichberechtigte neben meiner eigenen zu akzeptieren? Aber so müsste Toleranz für jeden individuell interpretierbar sein. Und natürlich kann man nicht jede anderslautende Meinung akzeptieren, wenn sie anderen Schaden zufügt.

Kann man also teilweise tolerant sein? Wann darf Toleranz aufhören und wann muss Widerspruch erfolgen? Beispiel Kopftuch: wenn ich es nur als Kleidungsstück sehe, kann ich es tolerieren. Wenn ich es aber als sichtbarer Beginn einer Vereinnahmung unserer Kultur sehe, kann (oder darf?) ich es nicht mehr akzeptieren.

Vielleicht hängt Toleranz auch sehr viel davon ab, WIE ich etwas betrachte und auslege? Wie gesagt, ich bin gar nicht mehr sicher, was Toleranz ist. :confused:

Konfuzi
 
Hallo Konfuzi und die Anderen,

beruhigend, dass es dir ähnlich geht wie mir. Toleranz ist gehört in meinem eh manchmal schwammorösen Weltbild zu den nebligsten Begriffen. Übrigens auch "Respekt"
Was zum Teufel ist Respekt? Es scheint von lateinisch respectare zu kommen, also etwas "nochmal anschauen"?! Heißt das, man nimmt es auf sich, eine Sache ein zweites Mal zu betrachten, auch wenn man es dem ersten Eindruck nach ablehnt?
Aber dies hat nun offensichtlich nichts mit dem "Respekt vor hohen Herren" alter Tage zu tun und schon garnichts mit dem Respekt! der HipHop-Jugend-Kultur.

Auch Toleranz ist nebulös. In Gysis Beitrag gibt er einige Beispiele und benutzt dabei verschiedene teils widersprüchliche Ausdrücke: wünschen, gutheißen, respektieren.
Und wenn man sagt: Schade für die Frauen - respektiert man sie dann eigentlich? Heißt es nicht eher: Es tangiert mich nicht - also was soll's?

Tolerant kann man nur da sein, wo man tatsächlich mit ZUMUTUNGEN konfrontiert wird. Sonst ist's beliebig.

Vielleicht fordert die Unschärfe des Begriffs ja die von Katharina beschriebenen Unschärfen der Grenzziehungen herauf - oder ist es umgekehrt?

Ich denke, dass Toleranz sich letztlich nur in Handlungen äußern kann. Denn Vieles mag man ablehnen, vielleicht sogar in einem Maße, dass "ertragen" noch harmlos klingt - dann muss man aber damit rechnen, dass man ebenfalls abgelehnt wird. Und dann muss man entscheiden, ob man gerade dann schweigen sollte, wenn sich etwas unversöhnlich gegenübersteht - solange es keine wirkliche Bedrohung oder Einschränkung darstellt. Denn ein Pochen auf die eigene, aber niemals objektive Meinung führt dann nur zur Eskalation.

Ein Fehler in der Betrachtung von Toleranz in der Vergangenheit war m.E. weniger Gleichmacherei oder Gleichgültigkeit, sondern dass Diejenigen, die Toleranz für bestimmte Dinge forderten, diese in Wirklichkeit nicht tolerierten - sondern liebten, sie für ihr Leben brauchten, sie längst "adoptiert" hatten. Hier wurde dann Toleranz allzuoft viel zu positiv besetzt - so wie es heute vielleicht zu negativ besetzt wird. So gerät ein Begriff zwischen die Fronten des Zeitgeistes.

Vielleicht kommt man dem Begriff auch bei, indem man sie als eine Haltung nur im Bezug auf Dinge sieht - und eben nicht als absoluten Wert. Ein toleranter Mensch galt lange als guter Mensch, nun kann er, ohne dass er sich verändert hat, im negativen Licht erscheinen. Benutzt man Toleranz aber nur in Comparasion, also als Forderung/Anspruch in bestimmten Dingen toleranter/weniger tolerant zu sein, wird sie ihres irreführenden "ethischen" Werts entbunden. Womit wir die Genauigkeit der Kommunikation fördern würden, sie aber nicht unbedingt leichter machten ;)

Angesichts der späten Stund' bitte ich um Toleranz ob der wurmartigen Struktur dieses Beitrags. Gude Nacht!
 
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Habe alle bisherigen Beiträge gelesen.

Es gibt keinen Beitrag, den ich zur Gänze ablehne. Am ehesten und weitgehendsten stimme ich dem Beitrag von Katharina zu.

Bei der berechtigten Frage, ob Toleranz eher Respekt oder Duldung ist, entscheide ich mich für die Duldung, das Ertragen. Außerdem ist es für mich eher eine Haltung als eine Tätigkeit, wobei sich natürlich eine Haltung auch in einer Tätigkeit (Worten) ausdrücken kann.

Will man sich eine Maxime machen, kommt m.E. schon die Liebe und die Achtung (gefällt mir besser als Respekt) vorher. Das heißt, man sollte vorerst versuchen, sich und seine Mitmenschen zu lieben oder zu achten; erst wenn das nicht funktioniert, kommt die Toleranz ins Treffen.

In der Multi-Kulti-Gesellschaft, die vorwiegend in den Ballungsräumen in Frage kommt, halte ich die Toleranz für sehr wichtig bis notwendig.

Da es die Menschen verschieden schwer im Leben haben, muss man auch jedem eine individuelle Toleranzgrenze zubilligen.

Was eine ganze politische Einheit (Familie, Dorf, Stadt, Kreis, Bezirk, Land, Staat, Staatenbund) zu ertragen und zu erdulden hat, ist alleinige Aufgabe der Gesetzgebung (die natürlich auch wieder von der Summe der einzelnen, wahlberechtigten Menschen bestimmt wird).
 
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