-Super short stories-
Folge 7
Der passende Moment
„He ich war zuerst da!“, Stephan schrie wie blöd als er die Vodkaflasche in kreisenden Bewegungen um seinen Kopf schleuderte. Auf der Party war allgemein gute Stimmung ausgebrochen und die meisten Gäste hatten sich schon längst einen halbwegs sicheren Platz ausgesucht, als der Gastgeber in seinem erratischen Versuch, eine Flasche, zwei Gläser und ein Jakett festhaltend, pirruettendrehend von einer Lautsprecherbox fiel.
Die Vodkaflasche schlug meinem Nachbarn mit lautem Knall auf den Kopf. Glücklicherweise lag er bereits bewusslos am Boden und bemerkte es nicht. Als umstehende Leute vor Schreck aufstanden und zur Seite traten, war sein Kopf im Weg. Ich möchte nicht wissen, wieviele Schläge sein Schädel an diesem Abend eingesteckt hatte. Stephanie versuchte ihn zu greifen doch wir mussten gehen. Wer an dieser Nacht neben mir am Boden die vielen Schläge einsteckte, sollte ich selbst zwanzig Jahre später nicht erfahren., denn es war Rahmenhandlung und nicht wirklich wichtig. Schätze, er hat die Nacht nicht überlebt. Weiter bitte.
Weihnachten
Vor mir ging Stefanie. Ihre Stiefel waren durchnässt und stanken sicherlich. Ihre Arme hatte sie vorsorglich mit modischen langen Ärmeln bedeckt. Darüber eine dreckstarrende Jeansweste mit speckigen Rändern. Bemerkenswert eigentlich, wie sie es in dieser betörenden Sommermode schafft, sechs Stunden jede Nacht im Schnee zu stehen. Auch erstaunlich, daß sie Freier ansprechen. Eine versiffte Heroinbraut mit mit gesenktem Blick am Strassenrand, leicht gebückt stehend mit nach innen gedrehten Füßen. Ein widerlicher Anblick, aber es gibt einen Markt, auch für sowas. Freier, die ebenso rochen, oder die, welche nicht bereit sind mehr als 20 Euro zu zahlen für französisch total oder einfach mal ihre Agressionen ablassen wollen.
Normalerweise schreite ich dann ein. Bei frischen Mädels immer. Bei Stefanie ist es mir eigentlich egal. Viel bringt sie nicht. Hundert, Zweihundert pro Nacht.
Als sie bei mir anfing, war sie vierzehn, nicht besonders schön aber jung, neu und frisch. Heute muss sie Mitte zwanzig sein. Nach ihrem zweiten Selbstmordversuch fing sie plötzlich damit an, umsich zu beissen. Als ich ihr im letzten Herbst die Zähne auschlug, kam als Antwort der dritte Selbmordversuch. Daraufhin ging ich psychologisch vor. Halber Preis pro Druck. Nach einer Woche lief sie wie eine alkoholisierte Kuh durch die Strassen, dermaßen zu, daß sie’s glatt auf zwanzig Stunden täglich brachte. Achthundert pro Nacht verdiente. Man nennt sowas einen ‚Burnout’, wenn ein Mädel nach ein paar Jahren soweit ist, dann bringen ständige Überdosen über ein, zwei Monate hinweg, noch mal den letzten Rest Treibstoff aus den Tanks. Man überdreht die Spirale einfach so weit, bis sie bricht. Es rechnet sich und erspart einem den ganzen Ärger. Das Mädel ist dann permanent drauf und reagiert eigentlich nur noch auf leichte Schläge gegen den Kopf oder sowas. Die sind einfach nicht mehr ansprechbar und verschwinden irgendwann von alleine.
Ihren Antrieb hatte ich in Mengen in den Taschen zu stecken. Sie schien zu straucheln und rülpste mit vorgehaltener Hand. Ich dachte schon sie würde wieder kotzen. Als sie in ihrem trippelndem Gang taumelte und auf mich zusteuerte, blieb ich stehen, die Hände abwehrend hochgenommen und stieß sie vorwärts. In diesem Moment verließ sie die Kontrolle über ihre Blase und ein dunkler Hosensteg zog gelbe kreise über den verschneiten Gehweg vor uns.
Stefanie war echt eine Junkiebraut. Sie merkte nicht einmal was ihr geschah.
„Bleib’ stehen!“ Sie reagierte wie ein Roboter. „Hier!“ Ich gab ihr eine Zigarette. Sie nahm sie und legte den Kopf schief. Schneeflocken trafen sie in die Augen und sie blinzelte, fasst wie ein Mensch es tun würde. Sie fuhr sich durch ihre verklebten Haare, versuchte wohl soetwas wie Dankbarkeit auszudrücken. Ihre dünnen Beinchen zitterten und ich stieß sich wieder voran. Mich fror so langsam, denn ich hatte seit dem Meeting mit ‚Ryne’ keinen Happen mehr gegessen. Und vor mir dieses urinierende Wrack. Manchmal zweifelte daran, ob sich das alles eines Tages auszahlen würde. Ich gab Stefanie einen Klaps gegen die Stirn und drehte die Musik lauter. Wir stapften weiter im Schnee.
Wir kamen an dem Schild vorbei, welches in den Achtzigern Reklame zeigte von CocaCola und dann die Reklame von den Jojos von Fanta. Mann, das waren noch Zeiten, in der Hand eine Kippe und der anderen ein Jojo, mit dem man coole Tricks machen konnte. Den zweifachen Überschlag an einem Finger zum Beispiel. Ich konnte das schon damals perfekt. Alle haben mich bewundert. Und heute stehe ich an Weihnachten vor demselben Gebäude, eine andere Reklame, nein , heißt ja jetzt Werbung und ich drehe keine Jojos mehr. Ich drehe Aluminiumtütchen und trete abgefuckten Junkiebräute vors Schienbein. Tja, aber wenigstens tue ich was. Ich musste kurz husten und spuckte einen dicken Klumpen bräunlichen Auswurfs an das Strassenschild. Als ich hochzog, stach die kalte Winterluft in den Nebenhöhlen. Stefanie wartete vor mir. Die Beine zusammengezogen und die Ärmchen vor der Brust verschränkt, schielte sie auf die Dönerbude links von uns. Wahrscheinlich hatte sie Hunger. Ich war kein Unmensch. Und der Stand gehörte sowieso mir. Ich schaute kurz hoch in die kalte blaue Nacht. Helle, von Neonreklame beleuchtete Schneeflocken fielen mir auf die Mütze und die Neonröhre des Imbiss-Stands flackerte. „Oh Honey, put down all your money!“ Feiner Spruch, ich schaltete den Diskman aus und trat Stefanie in Richtung der fettigen Nahrung.
Stefanie
Ich sah sie für eine Woche gar nicht und ich hatte sie schon abgeschrieben. Dann lag sie einen Tages vor meiner Tür. Mit blauem, zugeschwollenen Gesicht lag sie in ihrem eigenem Erbrochenen. Jeder andere hätte vermutet, sie sei tot. Der Gestank war kaum auszuhalten. Was ihr Darm nicht wohl nicht mehr zu halten in der Lage war, wurde durch ihre verkrustete Hose gehalten. Ich kann nicht mehr sagen ob sie atmete, doch irgendwas musste ich tun. Kein Bock, den Bullen zu erklären, warum eine Heroinsüchtige wohl bis kurz vor ihrem Tod an meiner Wohnungstür kratzte. Ich packte sie an den Armen und schleifte sie in die Wohnung. Über den neuen Teppich, über die zwei Marmorstufen durch den Flur und dann ins Bad. Mit einem Griff unter ihren Hosenbund und der anderen Hand unter den Nacken wuchtete ich sie in die Badewanne. Ihr Gestank war dermassen ekelerrend, daß ich beinahe mein Frühstück über sie verteilte. Ich hörte den Song „Get In On“ in der gesamten Wohnung, die nach nun nach Kotze roch.
Was tat ich eigentlich hier? Es wäre eine Pflicht gewesen, sie die Stufen runterzutreten, aber ich hatte Mitleid, auf eine seltsame Art. Sie war schließlich mein Eigentum und ich war für sie verantwortlich.
Ich richtete mich auf und dachte kurz nach. Ich hatte schon Mädchen in dem Zustand gesehen. Neben Mülltonnen und mit Zeutungsseiten zugedeckt, nicht in meiner Badewanne. Ich steckte den Stöpsel in den Abfluss, drehte das Wasser an, griff in den Schrank und nach der Packung Waschmittel. Ich streute das Pulver auf ihren Körper und sah zu, wie sich die Wanne füllte. Die Schuhe zog ich ihr aus und holte eine Schere mit der ich die Hose und den Pullover aufschnitt. Dabei verletzte ich sie versehentlich an der Schulter. Ein wenig Blut trat aus und vermischte sich mit dem Schaum. Offenbar lebte sie noch. Die Schlampe hatte echt Charakter.
Ich brauste sie überall ab und drehte sie ein paarmal in der Wanne herum. Mir war immer noch schlecht aber der Gestank wurde vom Seifenwasser ein wenig abgeschwächt.
Ich zog den Stöpsel aus der Wanne und die braune Brühe lief viel zu langsam ab. Da sah ich erstmals, wie ihr Brustkorb sich bewegte und mir war seltsam zumute. Schön, sie lebte, aber was sollte ich nun tun? In das nächste Bekleidungsgeschäft gehen und ihr was Hübsches zum Anziehen kaufen? Ihr ein Schleifchen um den Hals binden und sie in ein Taxi setzen? Blaues Gesicht, keine Zähne im Mund und Arme, die aussahen wie ein umgepflügter Acker. Eine halbtote Heroinsüchtige in einer Anmutung, dessen Brechreizlevel mit einem halben Kilo Waschpulver auf ein erträgliches Maß gebracht wurde. Nicht sehr überzeugend.
Vielleicht sollte ich sie dem Nachbarn vorstellen. War ein Geschäftsmann und wir kamen ganz gut miteinander aus. Ob der wohl Gebrauch hätte für ein Hausmädchen mit schwammigem Hirn und mongoloider Ausstrahlung? Wahrscheinlich nicht.
Ich ging ins Wohnzimmer und legte Musik auf. „A Place In Heaven“ von Prince, eine seltene Bootleg und eins meiner Lieblingsalben. Die Klangqualität war nicht bestechend aber die Musik war gut genug um diesen Makel vergessen zu lassen.
Dann holte ich mir aus der Küche ein Bier und ging zurück ins Badezimmer. Stefanie lag wie ein Fisch in der Badewanne. Der Geruch war inzwischen abgezogen und ich setzte mich aufs WC, die Arme auf die Schenkel gestützt, schaute auf das blasse, kaum atmende Ding in meiner Wanne und trank einen Schluck Bier. Aus dem Wohnzimmer tönte „Rebirth Of The Flesh: “…everybody jam to the new boogie cool…“ Synthieklänge und “this is life,...this is real,... this is…” Blamblam Zing „...real, real“
Echt gut der Song und das Bier hatte die richtigen null grad. Eine Heroinabhängige mit Nahtoderfahrung vor mir und es ist halb zehn am Dienstag morgen. Manchmal denke ich, mein Leben hätte anders verlaufen können.“
Dinge heute
Aber sie lebte. Ihr Leben war mein Werk. Das Ergebnis meiner Arbeit und ich hatte es abseits jeden Gedankens an Gewinn getan. Und ich fragte mich warum ich es wohl getan hatte. Zuerst war es selbsterhaltende Gedanken an die möglichen Konsequenzen für mich selbst. Aber was hatte ich davon, das halbtote Ding in meine Wohnung zu zerren.
Die Dinge heute sind im Prinzip wie die Dinge damals auch waren. Ich habe eine Menge Geld und Beziehungen reichlich. Ich frage mich wie mein leben wohl verlaufen wäre, wenn Stafanie damals nicht gewesen wäre. Sicher wäre ich eine Gefahr für die Gesellschaft geblieben, aber es kam anders. Ich zog damals nach Südamerika, züchtete Enten und schaute in die untergehende Sonne über den Hügeln von Padre Colom.
Manchmal kommen mich Leute besuchen, bringen Geld und anderes belangloses Zeug vorbei. Aber wenn ich zurückblicke, sehe ich, wie ich in den Gossen hätte versanden können. Ich schätze, ich sollte ihr danken, daß sie sich für meine Zukunft aufgeopfert hatte. Wäre sie nicht gewesen, ich denke, ich würde noch heute die Mädels durch die Strassen treten. Danke, Stefanie.
fuel.
Folge 7
Der passende Moment
„He ich war zuerst da!“, Stephan schrie wie blöd als er die Vodkaflasche in kreisenden Bewegungen um seinen Kopf schleuderte. Auf der Party war allgemein gute Stimmung ausgebrochen und die meisten Gäste hatten sich schon längst einen halbwegs sicheren Platz ausgesucht, als der Gastgeber in seinem erratischen Versuch, eine Flasche, zwei Gläser und ein Jakett festhaltend, pirruettendrehend von einer Lautsprecherbox fiel.
Die Vodkaflasche schlug meinem Nachbarn mit lautem Knall auf den Kopf. Glücklicherweise lag er bereits bewusslos am Boden und bemerkte es nicht. Als umstehende Leute vor Schreck aufstanden und zur Seite traten, war sein Kopf im Weg. Ich möchte nicht wissen, wieviele Schläge sein Schädel an diesem Abend eingesteckt hatte. Stephanie versuchte ihn zu greifen doch wir mussten gehen. Wer an dieser Nacht neben mir am Boden die vielen Schläge einsteckte, sollte ich selbst zwanzig Jahre später nicht erfahren., denn es war Rahmenhandlung und nicht wirklich wichtig. Schätze, er hat die Nacht nicht überlebt. Weiter bitte.
Weihnachten
Vor mir ging Stefanie. Ihre Stiefel waren durchnässt und stanken sicherlich. Ihre Arme hatte sie vorsorglich mit modischen langen Ärmeln bedeckt. Darüber eine dreckstarrende Jeansweste mit speckigen Rändern. Bemerkenswert eigentlich, wie sie es in dieser betörenden Sommermode schafft, sechs Stunden jede Nacht im Schnee zu stehen. Auch erstaunlich, daß sie Freier ansprechen. Eine versiffte Heroinbraut mit mit gesenktem Blick am Strassenrand, leicht gebückt stehend mit nach innen gedrehten Füßen. Ein widerlicher Anblick, aber es gibt einen Markt, auch für sowas. Freier, die ebenso rochen, oder die, welche nicht bereit sind mehr als 20 Euro zu zahlen für französisch total oder einfach mal ihre Agressionen ablassen wollen.
Normalerweise schreite ich dann ein. Bei frischen Mädels immer. Bei Stefanie ist es mir eigentlich egal. Viel bringt sie nicht. Hundert, Zweihundert pro Nacht.
Als sie bei mir anfing, war sie vierzehn, nicht besonders schön aber jung, neu und frisch. Heute muss sie Mitte zwanzig sein. Nach ihrem zweiten Selbstmordversuch fing sie plötzlich damit an, umsich zu beissen. Als ich ihr im letzten Herbst die Zähne auschlug, kam als Antwort der dritte Selbmordversuch. Daraufhin ging ich psychologisch vor. Halber Preis pro Druck. Nach einer Woche lief sie wie eine alkoholisierte Kuh durch die Strassen, dermaßen zu, daß sie’s glatt auf zwanzig Stunden täglich brachte. Achthundert pro Nacht verdiente. Man nennt sowas einen ‚Burnout’, wenn ein Mädel nach ein paar Jahren soweit ist, dann bringen ständige Überdosen über ein, zwei Monate hinweg, noch mal den letzten Rest Treibstoff aus den Tanks. Man überdreht die Spirale einfach so weit, bis sie bricht. Es rechnet sich und erspart einem den ganzen Ärger. Das Mädel ist dann permanent drauf und reagiert eigentlich nur noch auf leichte Schläge gegen den Kopf oder sowas. Die sind einfach nicht mehr ansprechbar und verschwinden irgendwann von alleine.
Ihren Antrieb hatte ich in Mengen in den Taschen zu stecken. Sie schien zu straucheln und rülpste mit vorgehaltener Hand. Ich dachte schon sie würde wieder kotzen. Als sie in ihrem trippelndem Gang taumelte und auf mich zusteuerte, blieb ich stehen, die Hände abwehrend hochgenommen und stieß sie vorwärts. In diesem Moment verließ sie die Kontrolle über ihre Blase und ein dunkler Hosensteg zog gelbe kreise über den verschneiten Gehweg vor uns.
Stefanie war echt eine Junkiebraut. Sie merkte nicht einmal was ihr geschah.
„Bleib’ stehen!“ Sie reagierte wie ein Roboter. „Hier!“ Ich gab ihr eine Zigarette. Sie nahm sie und legte den Kopf schief. Schneeflocken trafen sie in die Augen und sie blinzelte, fasst wie ein Mensch es tun würde. Sie fuhr sich durch ihre verklebten Haare, versuchte wohl soetwas wie Dankbarkeit auszudrücken. Ihre dünnen Beinchen zitterten und ich stieß sich wieder voran. Mich fror so langsam, denn ich hatte seit dem Meeting mit ‚Ryne’ keinen Happen mehr gegessen. Und vor mir dieses urinierende Wrack. Manchmal zweifelte daran, ob sich das alles eines Tages auszahlen würde. Ich gab Stefanie einen Klaps gegen die Stirn und drehte die Musik lauter. Wir stapften weiter im Schnee.
Wir kamen an dem Schild vorbei, welches in den Achtzigern Reklame zeigte von CocaCola und dann die Reklame von den Jojos von Fanta. Mann, das waren noch Zeiten, in der Hand eine Kippe und der anderen ein Jojo, mit dem man coole Tricks machen konnte. Den zweifachen Überschlag an einem Finger zum Beispiel. Ich konnte das schon damals perfekt. Alle haben mich bewundert. Und heute stehe ich an Weihnachten vor demselben Gebäude, eine andere Reklame, nein , heißt ja jetzt Werbung und ich drehe keine Jojos mehr. Ich drehe Aluminiumtütchen und trete abgefuckten Junkiebräute vors Schienbein. Tja, aber wenigstens tue ich was. Ich musste kurz husten und spuckte einen dicken Klumpen bräunlichen Auswurfs an das Strassenschild. Als ich hochzog, stach die kalte Winterluft in den Nebenhöhlen. Stefanie wartete vor mir. Die Beine zusammengezogen und die Ärmchen vor der Brust verschränkt, schielte sie auf die Dönerbude links von uns. Wahrscheinlich hatte sie Hunger. Ich war kein Unmensch. Und der Stand gehörte sowieso mir. Ich schaute kurz hoch in die kalte blaue Nacht. Helle, von Neonreklame beleuchtete Schneeflocken fielen mir auf die Mütze und die Neonröhre des Imbiss-Stands flackerte. „Oh Honey, put down all your money!“ Feiner Spruch, ich schaltete den Diskman aus und trat Stefanie in Richtung der fettigen Nahrung.
Stefanie
Ich sah sie für eine Woche gar nicht und ich hatte sie schon abgeschrieben. Dann lag sie einen Tages vor meiner Tür. Mit blauem, zugeschwollenen Gesicht lag sie in ihrem eigenem Erbrochenen. Jeder andere hätte vermutet, sie sei tot. Der Gestank war kaum auszuhalten. Was ihr Darm nicht wohl nicht mehr zu halten in der Lage war, wurde durch ihre verkrustete Hose gehalten. Ich kann nicht mehr sagen ob sie atmete, doch irgendwas musste ich tun. Kein Bock, den Bullen zu erklären, warum eine Heroinsüchtige wohl bis kurz vor ihrem Tod an meiner Wohnungstür kratzte. Ich packte sie an den Armen und schleifte sie in die Wohnung. Über den neuen Teppich, über die zwei Marmorstufen durch den Flur und dann ins Bad. Mit einem Griff unter ihren Hosenbund und der anderen Hand unter den Nacken wuchtete ich sie in die Badewanne. Ihr Gestank war dermassen ekelerrend, daß ich beinahe mein Frühstück über sie verteilte. Ich hörte den Song „Get In On“ in der gesamten Wohnung, die nach nun nach Kotze roch.
Was tat ich eigentlich hier? Es wäre eine Pflicht gewesen, sie die Stufen runterzutreten, aber ich hatte Mitleid, auf eine seltsame Art. Sie war schließlich mein Eigentum und ich war für sie verantwortlich.
Ich richtete mich auf und dachte kurz nach. Ich hatte schon Mädchen in dem Zustand gesehen. Neben Mülltonnen und mit Zeutungsseiten zugedeckt, nicht in meiner Badewanne. Ich steckte den Stöpsel in den Abfluss, drehte das Wasser an, griff in den Schrank und nach der Packung Waschmittel. Ich streute das Pulver auf ihren Körper und sah zu, wie sich die Wanne füllte. Die Schuhe zog ich ihr aus und holte eine Schere mit der ich die Hose und den Pullover aufschnitt. Dabei verletzte ich sie versehentlich an der Schulter. Ein wenig Blut trat aus und vermischte sich mit dem Schaum. Offenbar lebte sie noch. Die Schlampe hatte echt Charakter.
Ich brauste sie überall ab und drehte sie ein paarmal in der Wanne herum. Mir war immer noch schlecht aber der Gestank wurde vom Seifenwasser ein wenig abgeschwächt.
Ich zog den Stöpsel aus der Wanne und die braune Brühe lief viel zu langsam ab. Da sah ich erstmals, wie ihr Brustkorb sich bewegte und mir war seltsam zumute. Schön, sie lebte, aber was sollte ich nun tun? In das nächste Bekleidungsgeschäft gehen und ihr was Hübsches zum Anziehen kaufen? Ihr ein Schleifchen um den Hals binden und sie in ein Taxi setzen? Blaues Gesicht, keine Zähne im Mund und Arme, die aussahen wie ein umgepflügter Acker. Eine halbtote Heroinsüchtige in einer Anmutung, dessen Brechreizlevel mit einem halben Kilo Waschpulver auf ein erträgliches Maß gebracht wurde. Nicht sehr überzeugend.
Vielleicht sollte ich sie dem Nachbarn vorstellen. War ein Geschäftsmann und wir kamen ganz gut miteinander aus. Ob der wohl Gebrauch hätte für ein Hausmädchen mit schwammigem Hirn und mongoloider Ausstrahlung? Wahrscheinlich nicht.
Ich ging ins Wohnzimmer und legte Musik auf. „A Place In Heaven“ von Prince, eine seltene Bootleg und eins meiner Lieblingsalben. Die Klangqualität war nicht bestechend aber die Musik war gut genug um diesen Makel vergessen zu lassen.
Dann holte ich mir aus der Küche ein Bier und ging zurück ins Badezimmer. Stefanie lag wie ein Fisch in der Badewanne. Der Geruch war inzwischen abgezogen und ich setzte mich aufs WC, die Arme auf die Schenkel gestützt, schaute auf das blasse, kaum atmende Ding in meiner Wanne und trank einen Schluck Bier. Aus dem Wohnzimmer tönte „Rebirth Of The Flesh: “…everybody jam to the new boogie cool…“ Synthieklänge und “this is life,...this is real,... this is…” Blamblam Zing „...real, real“
Echt gut der Song und das Bier hatte die richtigen null grad. Eine Heroinabhängige mit Nahtoderfahrung vor mir und es ist halb zehn am Dienstag morgen. Manchmal denke ich, mein Leben hätte anders verlaufen können.“
Dinge heute
Aber sie lebte. Ihr Leben war mein Werk. Das Ergebnis meiner Arbeit und ich hatte es abseits jeden Gedankens an Gewinn getan. Und ich fragte mich warum ich es wohl getan hatte. Zuerst war es selbsterhaltende Gedanken an die möglichen Konsequenzen für mich selbst. Aber was hatte ich davon, das halbtote Ding in meine Wohnung zu zerren.
Die Dinge heute sind im Prinzip wie die Dinge damals auch waren. Ich habe eine Menge Geld und Beziehungen reichlich. Ich frage mich wie mein leben wohl verlaufen wäre, wenn Stafanie damals nicht gewesen wäre. Sicher wäre ich eine Gefahr für die Gesellschaft geblieben, aber es kam anders. Ich zog damals nach Südamerika, züchtete Enten und schaute in die untergehende Sonne über den Hügeln von Padre Colom.
Manchmal kommen mich Leute besuchen, bringen Geld und anderes belangloses Zeug vorbei. Aber wenn ich zurückblicke, sehe ich, wie ich in den Gossen hätte versanden können. Ich schätze, ich sollte ihr danken, daß sie sich für meine Zukunft aufgeopfert hatte. Wäre sie nicht gewesen, ich denke, ich würde noch heute die Mädels durch die Strassen treten. Danke, Stefanie.
fuel.