-Super short stories-
Folge 3
Die Firma Bennetton und das Meerschwein an der Schnur
Die nachfolgend geschilderten Ereignisse wurden im Rahmen einer Romanerzählung dramaturgisch aufgewertet. Es wurde jedoch, soweit möglich, auf eine Verfremdung an Tatsachen verzichtet.
Raschid
(Auszug)
Raschid war Schriftsteller, daher arbeitete er in einem Supermarkt. Die eine Stunde Pause, die ihm während seines Arbeitstages zustand, nutzte er für seinen Roman. Die restlichen acht Stunden ebenfalls. Da seine Arbeit kaum geistige Aktivität forderte, konnte er gedanklich an seinem Roman arbeiten, während er apathisch durch die Gänge schlurfte. Die Pausen nutzte er zur Niederschrift und oftmals reichte die Zeit nicht um alles niederzuschreiben. Daß er die Pausenzeiten dramatisch überzog, entging ihm dabei.
„Was machen Sie noch hier, Ihre Pause ist vorbei. An die Arbeit!“ schallte es plötzlich mit lauter Stimme aus einer Ecke des Raumes. Raschid zuckte zusammen. Der Abteilungsleiter und zugleich Raschids Arbeitgeber stand in der Tür.
Der Manager des Großmarktes, Mr.Gonk war vor einer Woche von einer Zaunmaschine aufgespießt worden und anschließend ist der Abteilungsleiter Mr. Richards an seine Stelle getreten. Es war wohl auf die Schnelle kein anderer zu finden, dachte sich Raschid. Mr. Richards war natürlich der Ansicht seine Führungsqualitäten wären dafür hauptsächlich entscheidend gewesen. Raschid sprang schnell auf um ihm das Gefühl zu geben, seine scharfen Worte hätten ihre Wirkung nicht verfehlt. In Wirklichkeit konnte Raschid seine Desinteresse kaum verhehlen. Was für Raschid nicht ohne Risiko war, denn das zwischenmenschliche Gespür derer, die Teil der traditionellen Rangordnung innerhalb einer Firmenhierarchie sind, ist oft unvermutet hoch. Raschid fehlte das Verständnis für solche Dinge jedoch, was ihm oftmals Ärger einbrachte.
Wofür Raschid Verständnis hatte, war die Tatsache daß der ehemalige Manager, Mr. Gonk, wenn auch nur für kurze Zeit, Teil eines stattlichen Zaunes war.
Gonk
Bis der Unfall bemerkt wurde, vergingen ganze fünfundvierzig Minuten, in denen die Zaunmaschine Pflock um Pflock in den Boden rammte, von denen einige Pflöcke beachtliche Ähnlichkeit mit Teilen menschlicher Anatomie aufwiesen. Der Maschinenführer trug wegen des Lärms Ohrenschützer. Als Mr. Gonk in den Brettereinzug gerat, konnte seine Schreie die mehr einem Quieken ähnelten niemand hören. Damals saß der Kollege des Maschinenführers an der gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Bordstein und trank Kaffee, was dem Tragen eines Ohrenschützers recht nahe kam.
Mr. Gonk trug schon seit mehreren Jahren einen Trachealring, d.h. er atmete durch ein Loch in seinem Kehlkopf. Was der Grund dafür war, daß auch Passanten nicht auf seine krächzenden Hilferufe aufmerksam wurden. Obwohl seine Frau ihm immer vorwarf er würde eines Tages an seiner Sucht sterben, traf es sie relativ unvorbereitet, den oberen Teil seines Gesichts und Teile seines Unterkiefers an einem Zaunpfahl zu sehen. Denn zu allem Überfluß war auch ein Fersehteam anwesend, welches im Begriff war, den nächsten Schritt in die zunehmende Automation der zaunerrichtenden Industrie für die Nachwelt festzuhalten. Mrs. Gonk übergab sich in den Hackbraten kurz bevor sie ohnmächtig in ihrer Küche zusammenbrach. Dieser kuriose Todesfall brachte WR-TV kurzzeittig recht hohe Einschaltquoten in den darauffolgenden Wiederholungen.
Nachfolgende Ereignisse
Genauer gesagt lebte fast das gesamte Programm des Senders in den nächsten Wochen aus diesen Szenen. Es zog auch eine Sendereihe nach sich, mit dem vielsagenden Namen „You Better Don’t Do That“ Zweiter Teil der Reihe war eine Dokumentation über eine Gruppe von elf- bis 14jährigen Jungen, welche vor laufender Kamera eine Wette ausfochten, wer sein Meerschwein an einer Schnur festgebunden, die längste Strecke vom WC in die Kanalisation ablassen konnte, ohne daß das Tier dabei den Tod fand.
Die Sendereihe wurde jedoch eingestellt, als zum Ende der ersten Staffel einer der Jungen sein festgeklemmtes Meerschwein aus der Toilette zu ziehen versuchte und ein anderer Junge die Spülung betätigte. Durch die Atemversuche des Jungen saugte sich sein Kopf im Abfluss noch fester, im Versuch sich zu befreien geriet gar sein ganzer Kopf in die Biegung der Schüssel.
Es dauerte ganze zwei Minuten, bis sich das anwesende Kamerateam darauf einigte, daß es sich um ein außerplanmäßiges Geschehen handele und ein Mitarbeiter zu Hilfe eilte. Was dazu führte, daß er in seinem verzweifelten Rettungsversuch und an den Beinen des Kindes ziehend, dem Jungen des Genick brach.
Da der WR-TV alles live sendete, gingen auch die letzten Zuckungen der in V-Stellung befindlichen Beine des Kindes live über den Sender. Als wenige Stunden später ein bewaffneter Mob den Sender stürmte, hatten die Mitarbeiter das Gebäude schon verlassen.
Der Gipfel der Geschmacklosigkeit war jedoch erreicht, als eine Gruppe von offenbar werbeverdrossenen Jugendlichen dieses Bild auf Plakaten in der halben Stadt anbrachte, mit dem Slogan „Nein zur Trinkwasser-Rationierung“ Wohl um den Vorschlag einer im Vormarsch befindlichen Partei des in der Tat sehr trockenen Bundesstaates zu parodieren. Angeblich wurden die Rechte an den gesendeten Bildern später verkauft. Laut einschlägiger Information soll das die einzige Werbekampagne der Firma Bennetton gewesen sein, welche als zu provozierend galt um sie zu starten.
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Die Firma Bennetton und das Meerschwein an der Schnur
Die nachfolgend geschilderten Ereignisse wurden im Rahmen einer Romanerzählung dramaturgisch aufgewertet. Es wurde jedoch, soweit möglich, auf eine Verfremdung an Tatsachen verzichtet.
Raschid
(Auszug)
Raschid war Schriftsteller, daher arbeitete er in einem Supermarkt. Die eine Stunde Pause, die ihm während seines Arbeitstages zustand, nutzte er für seinen Roman. Die restlichen acht Stunden ebenfalls. Da seine Arbeit kaum geistige Aktivität forderte, konnte er gedanklich an seinem Roman arbeiten, während er apathisch durch die Gänge schlurfte. Die Pausen nutzte er zur Niederschrift und oftmals reichte die Zeit nicht um alles niederzuschreiben. Daß er die Pausenzeiten dramatisch überzog, entging ihm dabei.
„Was machen Sie noch hier, Ihre Pause ist vorbei. An die Arbeit!“ schallte es plötzlich mit lauter Stimme aus einer Ecke des Raumes. Raschid zuckte zusammen. Der Abteilungsleiter und zugleich Raschids Arbeitgeber stand in der Tür.
Der Manager des Großmarktes, Mr.Gonk war vor einer Woche von einer Zaunmaschine aufgespießt worden und anschließend ist der Abteilungsleiter Mr. Richards an seine Stelle getreten. Es war wohl auf die Schnelle kein anderer zu finden, dachte sich Raschid. Mr. Richards war natürlich der Ansicht seine Führungsqualitäten wären dafür hauptsächlich entscheidend gewesen. Raschid sprang schnell auf um ihm das Gefühl zu geben, seine scharfen Worte hätten ihre Wirkung nicht verfehlt. In Wirklichkeit konnte Raschid seine Desinteresse kaum verhehlen. Was für Raschid nicht ohne Risiko war, denn das zwischenmenschliche Gespür derer, die Teil der traditionellen Rangordnung innerhalb einer Firmenhierarchie sind, ist oft unvermutet hoch. Raschid fehlte das Verständnis für solche Dinge jedoch, was ihm oftmals Ärger einbrachte.
Wofür Raschid Verständnis hatte, war die Tatsache daß der ehemalige Manager, Mr. Gonk, wenn auch nur für kurze Zeit, Teil eines stattlichen Zaunes war.
Gonk
Bis der Unfall bemerkt wurde, vergingen ganze fünfundvierzig Minuten, in denen die Zaunmaschine Pflock um Pflock in den Boden rammte, von denen einige Pflöcke beachtliche Ähnlichkeit mit Teilen menschlicher Anatomie aufwiesen. Der Maschinenführer trug wegen des Lärms Ohrenschützer. Als Mr. Gonk in den Brettereinzug gerat, konnte seine Schreie die mehr einem Quieken ähnelten niemand hören. Damals saß der Kollege des Maschinenführers an der gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Bordstein und trank Kaffee, was dem Tragen eines Ohrenschützers recht nahe kam.
Mr. Gonk trug schon seit mehreren Jahren einen Trachealring, d.h. er atmete durch ein Loch in seinem Kehlkopf. Was der Grund dafür war, daß auch Passanten nicht auf seine krächzenden Hilferufe aufmerksam wurden. Obwohl seine Frau ihm immer vorwarf er würde eines Tages an seiner Sucht sterben, traf es sie relativ unvorbereitet, den oberen Teil seines Gesichts und Teile seines Unterkiefers an einem Zaunpfahl zu sehen. Denn zu allem Überfluß war auch ein Fersehteam anwesend, welches im Begriff war, den nächsten Schritt in die zunehmende Automation der zaunerrichtenden Industrie für die Nachwelt festzuhalten. Mrs. Gonk übergab sich in den Hackbraten kurz bevor sie ohnmächtig in ihrer Küche zusammenbrach. Dieser kuriose Todesfall brachte WR-TV kurzzeittig recht hohe Einschaltquoten in den darauffolgenden Wiederholungen.
Nachfolgende Ereignisse
Genauer gesagt lebte fast das gesamte Programm des Senders in den nächsten Wochen aus diesen Szenen. Es zog auch eine Sendereihe nach sich, mit dem vielsagenden Namen „You Better Don’t Do That“ Zweiter Teil der Reihe war eine Dokumentation über eine Gruppe von elf- bis 14jährigen Jungen, welche vor laufender Kamera eine Wette ausfochten, wer sein Meerschwein an einer Schnur festgebunden, die längste Strecke vom WC in die Kanalisation ablassen konnte, ohne daß das Tier dabei den Tod fand.
Die Sendereihe wurde jedoch eingestellt, als zum Ende der ersten Staffel einer der Jungen sein festgeklemmtes Meerschwein aus der Toilette zu ziehen versuchte und ein anderer Junge die Spülung betätigte. Durch die Atemversuche des Jungen saugte sich sein Kopf im Abfluss noch fester, im Versuch sich zu befreien geriet gar sein ganzer Kopf in die Biegung der Schüssel.
Es dauerte ganze zwei Minuten, bis sich das anwesende Kamerateam darauf einigte, daß es sich um ein außerplanmäßiges Geschehen handele und ein Mitarbeiter zu Hilfe eilte. Was dazu führte, daß er in seinem verzweifelten Rettungsversuch und an den Beinen des Kindes ziehend, dem Jungen des Genick brach.
Da der WR-TV alles live sendete, gingen auch die letzten Zuckungen der in V-Stellung befindlichen Beine des Kindes live über den Sender. Als wenige Stunden später ein bewaffneter Mob den Sender stürmte, hatten die Mitarbeiter das Gebäude schon verlassen.
Der Gipfel der Geschmacklosigkeit war jedoch erreicht, als eine Gruppe von offenbar werbeverdrossenen Jugendlichen dieses Bild auf Plakaten in der halben Stadt anbrachte, mit dem Slogan „Nein zur Trinkwasser-Rationierung“ Wohl um den Vorschlag einer im Vormarsch befindlichen Partei des in der Tat sehr trockenen Bundesstaates zu parodieren. Angeblich wurden die Rechte an den gesendeten Bildern später verkauft. Laut einschlägiger Information soll das die einzige Werbekampagne der Firma Bennetton gewesen sein, welche als zu provozierend galt um sie zu starten.
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