Hallo!
Als Universitätsmitarbeiter kann ich Dir versichern, daß definitiv NICHT 86% der Studenten aus wohlhabenden Schichten kommen.
In der Regel führt das überdurchschnittliche Einkommen auch zu einer überdurchschnittlichen Steuerleistung. Dadurch zahlt der ehemalige Student ja auch um einiges mehr in den Staat ein, als wenn er nicht studiert hätte. Sprich: Das kostenlose Grundstudium ist für den Staat auf lange Dauer eine sehr gute Investition (Man sollte auch die Steuereinnahmen durch den Gewinn von Entwicklungen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich berücksichtigen). Dadurch wäre es sehr unfair, zusätzlich zu den ohnehin höheren Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auch noch die Kosten der Ausbildung zu verlangen, von der auch der Staat profitiert.
Außerdem: Wenn man einen durchschnittlichen Studienverlauf annimmt, beginnt das große Verdienen erst zu einem Zeitpunkt, an dem nicht studierende schon mehrere Arbeitsjahre hinter sich haben, in denen sich die Studenten mit 700 Euro im Monat oder weniger durchschlagen mussten. Die ersten Jahre des größeren Einkommens braucht man, um den Lebenseinkommensabstand zu den anderen aufzuholen. Nun ist es aber durch die Progression der Abgaben so, daß der Staat schon nach wenigen Jahren bei einem Bruttoeinkommen von sagen wir mal 3500 Euro mehr Steuern eingenommen hat als von einem Nichtakademiker seit dem Abitur. An Nettoeinkommen hat der Akademiker aber zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht die Lücke geschlossen. Und dafür soll er jetzt in dieser Zeit auch noch zusätzlich seine Ausbildung bezahlen? Da wird der Akademiker zur Melkkuh der Nation. Es kann doch nicht sein, daß ein Student selbst die Kosten für etwas übernehmen soll, wovon alle profitieren.
Es ist sicher kein guter Start ins Berufslaben, wenn man am Ende seines Studiums seine spärlichen Reserven aufgebraucht hat und dann noch zusätzlich mit ein paar 1000 Euro Schulden dasteht (Vor allem wenn man bedenkt, daß das Studienende meist das Alter ist, in dem man über Familienplanung zum Nachdenken beginnt und wenn dann ein Akademikerpaar erstmal gemeinsame Schulden von > 8000Euro abstottern muß, bevor es überhaupt anfangen kann, sich Rücklagen aufzubauen muß der Kinderwunsch warten)
Von Kindergeld profitiert jeder, der Kinder kriegen will. Über das Steuersystem trägt jeder zur Finanzierung dieses Systems bei, egal ob und wie stark er es nutzt.
Von öffentlichen Verkehrsmitteln profitiert jeder, der kein Auto hat oder nicht immer fahren will. Über das Steuersystem trägt jeder zur Finanzierung dieses Verkehrssystems bei, egal ob und wie stark er es nutzt.
Von gut ausgebauten Autobahnen profitiert jeder, der ein Auto hat. Über das Steuersystem trägt jeder zur Finanzierung des Autobahnnetzes bei, egal ob und wie stark er es nutzt.
Das ließe sich beliebig fortsetzen. Man könnte mit diesem Argument jede Leistung des Staates in Frage stellen und dann irgendwann den Staat selbst.
Ich persönlich bin froh, in einem System zu leben, das mir Dinge zur Verfügung stellt, die ich von meinem Einkommen nicht leisten könnte, auch wenn ich dadurch Dinge mitbezahlen muß, die mich nicht interessieren.
Also ich weiß nicht wie das in Deutschland ist, aber in Österreich ist ein großer Teil der Studentenermäßigungen zusätzlich ans Alter gebunden. Ab 25 brechen die Ermäßigungen weg, ab 27 gibt es kaum noch welche. Eine österreichische Bank hat da ein Werbeplakat, auf dem ein mindestens 80jähriger händeringend fleht "Aber ich schwöre, ich studiere!", weil er auch ein Studentenkonto will, für das er aber schon viel zu alt ist.
Sollte das Kind dieses Arbeiters eines Tages studieren wollen, wird aber auch der Chefarzt (mit weitaus höherer Steuerleistung) das Studium des Arbeitersohnes finanzieren.
Nein. Am meisten würden sich die Banken freuen, die dann plötzlich 1000e Schuldner in der Hand haben. An der nächsten Stelle der Liste der sich freuenden wären die Arbeitgeber, die dann die verschuldeten Studenten um ein viel zu geringes Gehalt einstellen können, da diese dann so gut wie jeden Job annehmen müssten, um ihre Schulden loszuwerden. Das würde nur zur Schaffung eines akademischen Proletariats führen - hoch gebildet, hoch verschuldet und deshalb dankbar für jeden Brosamen, den man ihnen zuwirft. Und zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitersohn noch immer um 1500 netto 70 Stunden die Woche arbeiten muß, um seinen Studienkredit abzubezahlen, hat der Chefarztsohn schon längst keine Schulden mehr und keinen GTI sondern einen CLK. Der Papa wird´s schon richten.....
Mein Fazit: Das Grundstudium muß kostenlos sein. Die Studiensituation in Österreich hat sich nach Einführung der Studiengebühren nur verschlechtert und in Deutschland wird es nicht anders sein. Studiengebühren würden nur als Lenkungsinstrument gegen überlange Studiendauern wirken, wenn sie erst bei überlanger Dauer einsetzen, sprich: Grundstudium plus 1-2 Toleranzsemester (bzw. mehr bei außergewöhnlicher Belastung) gratis, dann erst Gebühren. Das würde dann einen intelligenten Studierenden aus einer Arbeiterfamilie begünstigen, während ein unfähiger Chefarztsprößling nach 20 Semstern Jus für das Besetzen eines Studienplatzes ordentlich blechen würde (er könnte sich´s ohnehin leisten).