Aktive Sterbehilfe
Ich wundere mich, daß hier die meisten von Euch noch nicht gepostet haben.
Woran liegt das?
Keine eigene Meinung, oder das Thema einfach nur verdrängt?
Für all diejenigen hier mal etwas Nachdenkenswertes.
Früher, traditionell, bis in das beginnende 20. Jahrhundert hinein, verstarben Menschen in der Regel in der Familie. Das 20. Jahrhundert brachte einen tiefen Einschnitt: Heute ist nun vornehmlich die Medizin, darunter die Intensivmedizin, für den Umgang mit der letzten Lebensphase zuständig. Sterben ereignet sich mehr und mehr im Krankenhaus; das Sterben wurde aus der Familie und aus dem Alltag ausgegliedert, also hospitalisiert und an die Medizin delegiert, d.h. medikalisiert. Ferner wurden Sterben und Tod im 20. Jahrhundert teilweise verdrängt, ja tabuisiert sowie – durch die Ausgrenzung aus dem Lebensalltag – privatisiert. In einer Gesellschaft, deren Leitbilder an Leistung und Effizienz oder auch an Konsum ausgerichtet sind ("Leistungsgesellschaft", "Erlebnisgesellschaft"), sind Sterben und Tod disfunktional geworden; sie lassen sich in die alltägliche Lebenswelt nur noch schwer integrieren.
Darüber hinaus hat der Sterbeprozeß selbst sich verändert. Der Kieler Internist Karlheinz Engelhardt unterstreicht: "Früher dominierte ein rascher Tod, z.B. durch Infektionen oder Lungenödem, heute wird oft langsam gestorben. Das gilt insbesondere für ältere Menschen mit Karzinom, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, chronisch obstruktiver Lungenkrankheit oder mit Demenz in den letzten Jahren ihres Lebens." Und darüber hinaus: Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts vermag die Intensivmedizin den Sterbeprozeß aufzuhalten, zu verlangsamen, zu verzögern. Heimlich droht durch Medikamente oder durch Intensiv- und Apparatemedizin das menschliche Sterben überfremdet, medizinisch-technisch entfremdet zu werden. Die technisch gestützte künstliche Lebensverlängerung kann inhuman, nämlich zur belastenden, rein quantitativen Ausdehnung der Lebenszeit werden und unter Umständen in eine bloße Leidensverlängerung umschlagen.
Gruß
Georg