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AW: Stadtgeschichten


Sie nahm den kleinen Koffer, verschloss das Auto und ging in das Kreiskrankenhaus. Dort klingete sie an der Tür zur Intensivstation. "Wo sind Sie nur gewesen", fragte die Schwester, die die Tür öffnete.


***


Ja,wo ist sie gewesen?

" Am Mittwoch kannst Du mich gleich Früh abholen", hatte die Mutter gesagt. "Deine Schwester kommt dann am Donnerstag und nimmt mich mit nach Thüringen". Die Mutter war nicht einmal eine Woche nach ihrem Schenkelhalsbruch in dem Krankenhaus.

Nun war sie pünktlich 8.30 Uhr an ihrem Bett gewesen. Der Arzt war gekommen und hatte die Klammern aus der OP-Wunde am Oberschenkel entfernt. Die Papiere wollte er dann gleich noch unterschreiben.

"Gib die 30 Mark (D-Mark) den Schwestern und die Telefonkarte rechne bitte am Automaten ab. Ich ziehe mich derweilen an".

Als sie von diesem Gang zurückkehrte, fauchte die Schwester sie an: "Sie können jetzt nicht hier rein".

- ? -

Die Mutter war vor dem Bett zusammen gebrochen und die Schwester bemühte sich ihr aufzuhelfen.

Es war inzwischen 9 Uhr geworden, ein Arzt kam und gab ihrer Mutter ein Kreislaufmittel. Im Laufe des Vormittags war die Schwester zwei Mal gekommen, um Blutdruck zu messen. Sonst niemand.

Das Mittagessen wurde gereicht und die Mutter sagte. " Nimm Du es, ich bringe keinen Bissen hinunter."

Sie hatte nun die ganze Zeit hier zugebracht, aber das Essen wurde auch ihr im Mund immer mehr.

Eine Unterhaltung war nicht mehr möglich.

Ihre Gedanken kreisten um ihre privaten Sorgen. Sie ließ die Zeit verstreichen, ohne auf eine erneute Untersuchung ihrer Mutter zu drängen.

Ca. 14.00 Uhr ging die Tür auf, "Ich bin Anästhesie-Arzt, die Schwester bat mich mal nach Ihrer Mutter zu sehen." "Sie hat Schmerzen im Brustkorb." "Dann aber schnell in die Intensiv-Station. Zuvor aber zum Röntgen." Etwa 15.00 Uhr brachte die Schwester sie zum OP-Saal.

"Hier darf ich Dich nun nicht mehr begleiten", sagte sie zur Mutter. Diese nickte darauf nur stumm.

Sie nahm den Koffer und fuhr zur Wohnung der Mutter, packte frische Sachen ein und nahm das Telefon, "Hallo, meine Kleine, koch doch bitte mal einen Kaffee. Ich komme gleich zu Dir, die Oma muss nun noch im Krankenhaus bleiben." Sie hatte sich das so gedacht.

Es war etwa 17.00 Uhr als sie den Koffer im Krankenzimmer abstellte.


***


"Wo sind Sie gewesen? Wir haben Sie überall gesucht", war die Stimme der Schwester wieder da. "Nehmen Sie dort mal Platz."

Nach wenigen Minuten (eine Ewigkeit) stand sie auf, der Chefarzt kam auf sie zu: "Ihre Mutter hatte eine Lungenembolie, sie ist tot".


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