AW: Spaziergang...
Es hat seine Spuren hinterlassen, wie so viele andere Dinge davor auch schon. Die äußeren Spuren spüre ich kaum, dafür schmerzen die inneren umso mehr. Wie lange kann ich das noch ertragen? Ich muss doch weitergehen. Ich habe es versprochen.
Eine Hand streckt sich in meine Richtung, ich bemerke es nicht. Sie fasst mir an die Schulter, ich zucke zusammen und sehe hoch. Die junge Frau steht neben mir und hält mir noch immer die Hand hin. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Nehme ich sie, besteht erneut die Gefahr der Enttäuschung und Verletzung, aber allein schaffe ich es nicht. Ich nehme allen Mut zusammen und greife nach der angebotenen Hand. Sie hilft mir auf. Noch etwas wacklig und unsicher setze ich meinen Weg fort…jetzt wieder in Begleitung.
Habe ich nun auch wieder genug Kraft, mich auf die Bilder einzulassen? Ich muss es versuchen. Es erscheint mir wichtig.
Das Mädchen steht auf dem Flur mit einem kleinen Rucksack in der Hand und sieht alles andere als glücklich aus. Tränen laufen ihr übers Gesicht. Was war passiert? Sie war sehr böse und hat SIE wieder verärgert. Jetzt will SIE sie nicht mehr haben. Das Mädchen soll ins Heim. Sie hat große Angst, weil sie nicht weiß, was sie erwartet. Die vielen fremden Menschen, die anderen bösen Kinder…nein, da will sie nicht hin. Sie weint und bittet darum, nicht weg zu müssen. SIE ist nicht zu erweichen.
Es dauert eine ganze Weile, bis das Mädchen den Rucksack wieder auspacken darf. Sie verspricht, immer lieb zu sein…
NEIN…ich will mir das nicht anschauen. Es tut weh. Ich will einfach nur weiterlaufen, ohne die Bilder zu sehen und die Gefühle zu spüren. Es muss doch einen Weg geben, der an all dem vorbeiführt, ohne dass es wehtut. Ich will das nicht.
Verzweifelt werde ich immer schneller. Ich fühle mich gehetzt. Niemals hätte ich gedacht, dass der Weg so lang sein wird, als ich ihn begann. Wird er jemals ein Ende haben?
Das Atmen fällt mir schwer. Die feuchte, schwere Luft will nicht in meine Lungen. Mühsam wird jeder Schritt. Suchend schaue ich mich um. Hinter mir ist es dunkel, vor mir auch. Ich beginne zu zittern. Ich habe Angst…
…und trotzdem muss ich weitergehen…immer weiter…
05.09.2007