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AW: Spaziergang...


Der Himmel über uns wird wieder dunkler. Am Horizont vereint er sich mit der Erde, ohne auch nur die Ahnung einer Trennung zu hinterlassen. Drohend ziehen die Wolken auf und nehmen mir die Sicht auf die paar Sterne, die ich vor einigen Augenblicken noch sehen konnte. Diese Dunkelheit hat etwas Beklemmendes, Unheilvolles. Warum macht sie mir solche Angst?


Damals war Dunkelheit immer Sicherheit. Im Bett, die Decke über den Kopf gezogen…da konnte ihr nichts passieren. Den kleinen blauen Teddy fest im Arm, der ihre Tränen auffing. Dieses leblose, weiche Spielzeug war ihr einziger richtiger Freund, ihr Beschützer, wenn sie wieder in Not war. Ihm konnte sie alles erzählen, er tröstete sie. Auch an diesem Tag. Es war mal wieder soweit: Sie hatte einen Fehler gemacht. Aber was? Was für schreckliche Fehler kann ein fünfjähriges Kind machen, dass es das verdient hat? Diesmal ging dabei ein Kleiderbügel aus Holz kaputt. Ihr tat alles weh, aber das war nicht so schlimm, schlimmer war, dass sie es nicht verstand. Ihre Seele tat viel mehr weh, als die vielen roten und blauen Striemen am ganzen Körper. Sie hatte sich doch so viel Mühe gegeben, alles richtig zu machen. Es gelang ihr scheinbar nie.


Ich versuche, die Erinnerungen abzuschütteln. Immer wieder die gleichen Situationen. Es bringt mich nicht weiter. Es bremst mich nur auf meinem Weg. Ich würde jetzt viel lieber allein weiterlaufen. Wenn diese Bilder auftauchen, suche ich gern die Einsamkeit. Ich kann sie mit niemandem teilen…damals nicht und auch heute nicht. Ich habe keine Wahl, die junge Frau neben mir lässt mich nicht allein, obwohl ich sie stumm darum bitte. Ich muss mit ihr gemeinsam weitergehen, auch wenn es noch Momente gibt, in denen diese Nähe unerträglich scheint.


Es wird langsam Morgen. Das Mädchen liegt schlaflos in ihrem Bett und wartet darauf, aufstehen zu dürfen. Der Teddy liegt neben dem Bett. Er ist mal wieder rausgefallen, während sie sich im Schlaf von einer Seite auf die andere warf, von Albträumen gequält.

Irgendwann war es soweit. Sie stand auf. Es war alles, als wäre gestern nichts gewesen. Es schien ihr so unwirklich. War es tatsächlich passiert? Die Striemen sagen ihr, dass es wahr ist. Sie tun fast gar nicht mehr weh. Nur der Albtraum hallt noch in ihr nach, so dass sie sich etwas benommen fühlt. Sie weiss nicht mehr, was in diesem Traum passiert ist, sie weiss nur, dass sie schweissnass und zitternd aufgewacht ist und seitdem nicht mehr einschlafen konnte.


Ich bleibe stehen, überwältigt von so vielen verschiedenen Bildern…alle auf einmal. Für den nächsten Schritt fehlt mir die Kraft. Die Rastlosigkeit verlangt, dass ich weiterlaufe…ich kann nicht mehr. Meine Beine geben nach, ich gehe zu Boden.

Meine Begleiterin setzt sich neben mich und hält wieder meine Hand fest. Also machen wir gemeinsam eine Pause. Nicht lange, aber es muss sein. Nur ein bisschen ausruhen, nur wieder Kraft tanken…


Die Pause dauert ungefähr zwei Monate…



Off...

23.08.2007


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