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AW: Soziale Wärme



Nach allem, was man im 20. Jh. wie in der Gegenwart beobachten kann, ist die Zustimmung der Bevölkerung zu Maßnahmen der Regierung (und seien diese mörderischer Art) in Diktaturen höher als in Demokratien. Soweit ist scillas These entgegenzutreten, daß soziale Kälte = Straßenterror bei mangelnder Identifikation mit der Regierung wächst. Im Gegenteil: Regierungen können hier steuernd und verstärkend wirken. Beispiel: großer Applaus für die scheinbare Zerschlagung der SA 1934.


Das Gegenmittel heißt nicht Demokratie (obwohl die sehr sinnvoll sein kann), sondern Recht. Der Regierung muß ein Instrument entgegengesetzt werden, das sie nicht oder nur sehr begrenzt beeinflussen kann, und das ihren Handlungsspielraum bestimmt.


Darum hebe ich auf den Rechtsstaat ab, der den Menschen vor der Willkür des anderen Menschen schützt. Kann sein, daß vor allem Demokratien auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruhen - ein Blick in die jüngere deutsche Geschichte lehrt jedoch, daß wenigstens in D der Rechtsstaat vorher da war (in einem heute akzeptablen Sinne spätestens ab 1870), und sich eine Demokratie erst auf dieser Basis langsam entwickeln konnte - die barbarische Rechtsverkehrung des Dritten Reiches, die durchaus als "demokratisch" (=dem Volkswillen entsprechend) zu begreifen ist, als Lernstufe inbegriffen. In D hat man sogar die Negation der Rechtsstaatlichkeit durchgemacht: Seit 1949 soll man es besser wissen. Was nicht besagt, daß D eine Vorzeige-Demokratie wäre.


Was hat das mit "sozialer Wärme" zu tun? Es gibt interessante Bücher; von Hans-Jürgen Eitner, "Hitlers Deutsche", Casimir Katz Verlag 1990 (!), Daniel Goldhagen, "Hitlers willige Vollstrecker", 1996, und nicht zuletzt Götz Aly, "Hitlers Volksstaat", 2005. Vor allem Eitner belegt eindringlich, daß die von Deutschen untereinander gefühlte "soziale Wärme" im Dritten Reich, insbesondere von 1933 bis zum Höhepunkt 1936, alles übertroffen haben muß, was der heutige postmodern und postsozialdemokratisch aufgeklärte, in Kriterien der Globalisierung (was nicht weniger bedeutet als den Anspruch gleichen Rechts für alle!) denkende Deutsche oder Österreicher sich unter diesem Begriff - "soziale Wärme" - überhaupt vorstellen kann.


Gruß,

Thorsten


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