AW: Scheinen und Sein
Sehr schön, Muzmuz!
Deine Antwort gefällt mir wirklich gut, weil sie so deutlich macht, wie wir immer Gefahr laufen, uns selber anders einzuschätzen und anders darzustellen, als wir sind. Und es ist ja immer ein Abenteuer, sich selber auf die Schliche zu kommen.
Zum Thema Scheinen und Sein noch eine kleine Anekdote, die ich vor ein paar Jahren erlebt habe und die mir meinen Wunsch bewusst machte, zumindest manchmal ein wenig mehr zu scheinen, als ich bin.
Ich ging an einem Nachmittag ins Kino. Der Film lief schon länger, ich hatte aber bisher keine Gelegenheit gehabt, ihn mir anzusehen.
Jedenfalls ergab es sich, dass ich als einzige im Saal sass.
Fünf Minuten, nachdem der Film begonnen hatte, kam dann aber doch noch jemand in den dunklen Saal und suchte sich, den Blick halb zur Leinwand gerichtet einen Platz.
Er steuerte zielstrebig in genau die Reihe, in der ich meinen Platz hatte, schlängelte sich an ungefähr zwölf leeren Sitzen vorbei, blieb dann genau vor mir stehen und setzte sich - auf meinen Schoss!
Der arme Mann muss den Schreck seines Lebens bekommen haben, sprang wie von der Tarantel gestochen hoch, stammelte eine Entschuldigung und stolperte weiter. (Der Film hiess übrigens "Komiker"...)
Ich will jetzt nicht behaupten, dass mir sowas ständig passiert, aber übersehen zu werden ist etwas, das ich in der einen oder anderen Form immer wieder erlebe. Und da würde ich mir dann manchmal schon wünschen, etwas mehr zu scheinen, im Sinne von Sichtbarkeit, Auffälligkeit, Präsenz.
