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AW: Sarrazin Doktrin - eine Rezension


Hallo Timirjasevez.


Besten Dank erst mal, für diese wohltuend differenzierte Antwort!


 


Hier wäre die Frage, ob wir in einem weitgehend atheistischen Staat, die Kultur, Architektur und Kunst von der Religion trennen können. Oder ob wir es hinbekommen, eine Brücke zwischen einem zunehmend fundamentaleren Atheismus und zunehmend fundamentaleren Religionen zu bauen.




Das sind natürlich ethische Überlegungen die man anstellen kann, man kann auch Kritik an dem Verhalten üben, aber wo die Grenze ziehen. Es wird über BP geschimpft (falls es jemand nicht mehr erinnert: die Geschichte mit dem Öl im Meer), aber in den Rentenfonds sind sie dann doch stark vertreten. Andrer große Versicherungsfond werden dann auch über Aktien aus der Waffenindustrie getragen und es gibt sicher noch das eine oder andere Beispiel.




Ach, ich weiß nicht, ob die Werte der Aufklärung so fundamental frei von den christlichen Wurzeln ist

Man kann das immer so und so sehen, wo man das Schwergewicht sieht, ist oft eine Frage der püersönlichen Anschauung.


„Aller Erfolge zum Trotz handeln die Söhne aus der Estremadura hoch suizidal oder eben tollkühn und todesmutig. Nebenher reicht es ja auch noch für ein paar verlustreiche Gemetzel mit rivalisierenden Spaniern: der Kuba-Gouverneur Velazquez gegen Cortes und Almagro – von der Herkunft ein Findelkind – gegen Pizzaro. Der aber hat gleich drei Brüder dabei, die ihm Suzco sichern. Hier handeln Katholiken und keineswegs Mohammed Attas. Vor jedem Angriff beugen sie Haupt und Knie, um kollektiv vom Herrn den Sieg zu erflehen. In Analogie zum Begiffspaar Muslime und Islamisten wären diese Spanier keine Christen, sondern Christianisten gewesen, denn der Gott Kastilien „liebte Tote mehr als Ungläubige“ (Rowdon 1974, 134). Wie gegen die damaligen Spanier mit Bibelversen von der Liebe und der Lebensheiligkeit nichts auszurichten ist, so erweisen sich heute vergleichbare Koransuren als wirkungslos. Da sie sich – jeinseits von Israel und Kaschmir – Eroberungen noch nicht vorstellen können, bleiben die Islamisten einstweilen allerdings negative Conquistadoren, die sich nur Strafen und Zerstörungen zutrauen.

Bevor Religionen also für eine zusätzliche Gewaltbereitschaft sorgen können, müssen diejenigen, die für eine Sache tötungs- oder todeswillig gemacht werden sollen, erst einmal vorhanden und dann ohne attraktive Alternative sein. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass doch ein Fünkchen Eigenkraft in der jüdischen Ethik steckt. Denn mitten im Morden gibt es Verdammungen von Spaniern durch andere Spanier, die dabei nichts weniger als das Völkerrecht auf den Weg bringen: „Was das Naturgesetz betrifft, weise ich darauf hin, dass es dem Menschen [...] verkündet ist [...] durch das Gesetz des Dekalogs, das auf den mosaischen Tafeln geschrieben war. Eigenart des Völkerrechts [...] ist die Tatsache, dass das Menschengeschlecht, wie sehr es auch in verschiedene Völker und Reiche geteilt ist, doch immer eine gewisse Einheit bildet, und zwar nicht nur eine biologische Einheit, sondern auch die Einheit einer gleichsam politischen, durch das Sittengesetz geforderten Gemeinschaft. Das geht aus dem natürlichen Gebot der gegenseitigen Liebe und Hilfsbereitschaft hervor, die sich auf alle, auch die Fremden erstrecken soll, welcher Nation sie auch angehören mögen [3.Mose 19: 18/33]“ (Suarez 1965 [1612], 29/67).

Ob einem Stammeshäuptling, einem Assyrerkönig, einem römischen Konsul, einem osmanischen Sultan oder einem peruanischen Inka mitten im siegreichen Austilgen einmal aus den eigenen Reihen zuregrufen worden ist, dass er ein Verbrechen gegen das „Gesetz Gottes“ begehe? Wir wissen es nicht. Mitten in den Großtötungen der Spanier aber gibt es eine solche Stimme. Sie gehörteAntonio Montesino (1485 -1528 ). Vor den Siedlern, die ihn verfluchen, und selbst vor dem Vizekönig Diego Colon (Sohn des Kolombus) predigt der Dominikaner am 21. Dezember 1511 in Santo Domingo/Hispaniola: „Allesamt befindet ihr euch im Stande der Todsünde. [...] Wieso haltet ihr sie solchermaßen unterdrückt und ermüdet, ohne ihnen zu essen zu geben und ihnen ihre Krankheiten zu heilen, die sie sich bei den von euch auferlegten übermäßigen Arbeiten zuziehen, wenn sie euch nicht sterben, oder, besser gesagt, ihr sie nicht umbringt, weil ihr sie Tag für Tag Gold schürfen und ausbeuten lasst? [...] Haben die denn keine vernunftbegabten Seelen? Habt ihr denn nicht die Pflicht, sie zu lieben wie euch selbst [3.Mose 19: 18/34]? (Gutiérrez 1990, 33).“

(aus: G.Heinsohn, Söhne und Weltmacht, Orell-Füssli, 2003, S.99f)


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