Ihre Argumentation, dass Religionen die größten Kriegstreiber der letzten 2000 Jahre waren und dass das Christentum besonders verantwortlich für Kriege sei, greift nicht nur zu kurz und vernachlässigt wesentliche historische und aktuelle Fakten, sondern ignoriert, dass man aus den Worten Jesu unmöglich einen Krieg rechtfertigen könnte (was nicht für jede Religion gilt). Wenn wir von Kriegen sprechen, dürfen wir nicht vergessen, dass Konflikte ein universelles Phänomen sind, das weit über religiöse Motive hinausgeht. Kriege wurden oft aus Machtgier, territorialen Ansprüchen oder ökonomischen Interessen geführt, unabhängig von religiöser Zugehörigkeit.
Betrachten wir die jüngste Geschichte Europas, so zeigt sich, dass der Frieden der letzten acht Jahrzehnte nicht allein durch die Abwesenheit religiöser Konflikte, sondern durch komplexe politische und wirtschaftliche Strukturen sowie durch internationale Kooperation und Diplomatie erreicht wurde. Die Europäische Union, ein Projekt zur Sicherung von Frieden und Wohlstand, basiert auf Werten wie Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit – Werte, die tief in der christlichen Tradition verwurzelt sind. Weshalb ich mich auch manchmal als "hineingeborener Kulturchrist" bezeichne.
Es ist auch irreführend zu behaupten, das Konzept der Feindesliebe widerspreche dem Prinzip der Evolution. Evolutionäre Prinzipien beinhalten nicht nur Überlebenskampf, sondern auch Kooperation und Altruismus, die in vielen Spezies beobachtet werden. Die Vorstellung der Feindesliebe mag utopisch erscheinen, doch sie ist ein Ideal, das zur Zivilisation und zum Fortschritt der Menschheit beigetragen hat. Gleichzeitig rate ich zu einer Wortstudie zu dem griechischen Wort, was dahintersteckt. Das ist nicht unser Konzept von Liebe, wie wir es heute meinen.
Bezüglich des aktuellen Konflikts in der Ukraine: Wenn Sie argumentieren, dass Krieg zum Menschsein dazugehört wie das Atmen, dann sollten Sie sich konsequenterweise gegen jegliche Kriegsführung und gegen jeden Einsatz für die Ukraine aussprechen. Das tun Sie jedoch nicht, was zeigt, dass selbst in Ihrer Sichtweise Ausnahmen und komplexere Überlegungen nötig sind. Die Verteidigung der Ukraine gegen einen aggressiven Angriff ist ein Kampf um Freiheit und Souveränität, nicht um religiöse Vorherrschaft, allerdings gleicht das Verteufeln der Russen auch so ein Bisschen einer Religiosität.
Schließlich müssen wir die Rolle von Individuen und Institutionen differenziert betrachten. Dass Patriarch Kyrill das Christenkreuz hochhält, sollte nicht als repräsentativ für das gesamte Christentum gesehen werden. Viele Christen und Kirchen weltweit setzen sich vehement für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung ein. Viele sind auch gegen Russlands Einmarsch. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, wenn sie irgendwo in einem fernen Land, ein T-Shirt kaufen. Für zwei Dollar, wo ein Nike Logo drauf ist, und dieses T-Shirt nicht einmal den Urlaub überlebt, können Sie sich auch nicht bei der Firma Nike beschweren, dass sie auf eine billiges Imitat hereingefallen sind eine Fälschung. Warum sollte es so etwas beim Christentum nicht geben? Glauben Sie allen Ernstes, überall, wo Christ draufsteht, ist auch Christ drin?
Mein Fazit: Ihre Argumentation vereinfacht die komplexen Ursachen von Kriegen und missachtet die positiven Beiträge, die Religionen – insbesondere das Christentum – zu Frieden und Kooperation geleistet haben. Historische und aktuelle Beispiele zeigen, dass Frieden durch eine Vielzahl von Faktoren erreicht wird, zu denen auch die Prinzipien gehören, die in der christlichen Lehre verankert sind.