AW: Reality Show
Provokation hat so einen Bart wie Methusalem. Nackert schockiert heute keinen mehr, Gewaltszenen in Installationen eingebaut... es zuckt das Publikum mit den Achseln ein paar applaudieren und geben ihren Senf ab, um sich als fortschrittlich auszugeben. In einer Zeit, in der beinahe alles erlaubt zu sein scheint und Tabus dermaßen niedrig angesetzt sind, daß ein Verstoß dagegen nicht möglich ist, ist Provokation einfach totgelaufen. Provocare,auffordern, anregen, reizen, herausfordern. Von Reiz, Aufforderung oder gar Herausforderung ist in manchen Fällen kaum etwas zu bemerken.
Selbst die von einigen Kreisen als „konservative Spießer“ Bezeichneten läßt der zigste Aufguß von Provokation kalt. Im Grunde hat sich nach unzähligen Stürmen im Wasserglas die Gleichgültigkeit breit gemacht.
Vor allem scheint sich in manchen Fällen der Spieß(er) umzudrehen und die Provokation wird provoziert durch schmunzelnde Gleichmut. Oft kann ein „politischer“ Künstler den Spießer nicht mehr provozieren. Umgekehrt sehr wohl. Was nun geschehen könnte, daß in der Kunst Strömungen auftreten, die ihrerseits das bis zum letzten Auszutzeln provoziert habende Establishment selbst provozieren. Provokation macht zuweilen einfach Spaß, nicht nur in der Kunst! Wie weit man damit gehen will? Nun das muß jeder Künstler mit sich selbst, mit seinem Gewissen ausmachen. In einer Zeit fast ohne Tabus mehr denn je.
Was im Endeffekt Bestand haben wird, entscheiden künftige Generationen. Deshalb sollte man die Kunst einfach in Ruhe lassen, sie annehmen oder auch nicht.
Was bewegt denn die Menschen? Die Liebe, der Tod, das bisserl an Gefühlen, Empfindungen dazwischen.
Ist ein Werk einmal "res publica" in jeder Form, verliert der Künstler die eigene Interpretation, tritt in den Hintergrund, da eine öffentliche Sache, ein Werk jedem einzelnen Raum für die eigene Gefühlswelt gestatten muß. So sehe ich das zumindest. Ansonsten wäre ein Werk nur für den Schaffenden selbst ins Leben gerufen worden und wäre keine öffentliche Sache. Dem Betrachter die eigene Gefühlswelt in einem Werk aufzwingen zu wollen, wäre ein sinnloses Unterfangen. Der Betrachter, so er es wünscht, geht eine Beziehung mit einem Werk ein und nicht mit dem Schaffenden.