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Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

Razor

New Member
Registriert
19. März 2011
Beiträge
12
Hallo

Ich philosophiere gerne aber gerade habe ich Verständnisprobleme:

Ich habe den Rationalismus so verstanden, dass er alle Erkenntnisquellen abwertet, die etwas mit unseren Sinnen zu tun haben. Das bedeutet ein methodisches Zweifeln an allem. Jede erlangte Erkenntniss ist also eine ungewisse Erkenntnis. Insgesamt stellt der Rationalismus also rationales DENKEN in den Vordergrund.

Der Empirismus könnte man dem entgegenstellen, denn hier erlangt man zu einer Erkenntnis mittels der Sinneserfahrungen.

Jetzt lese ich gerade einen interessanten Text von John Locke der in der Einleitung als Empirist beschrieben wird. In seinem Text schreibt er jetzt etwas von Sensation (Erkenntnis durch die Sinne) und Reflexion (Erkenntnis durch den Geist also durch nachdenken)

Ist es aber dann nicht so, dass er nicht dem Empirismus zugeordnet werden sollte wenn er doch auch auf den Verstand baut?

Vielen Dank!
 
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AW: Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

Hallo

1. Ich philosophiere gerne aber gerade habe ich Verständnisprobleme:

2. Ich habe den Rationalismus so verstanden, dass er alle Erkenntnisquellen abwertet, die etwas mit unseren Sinnen zu tun haben. Das bedeutet ein methodisches Zweifeln an allem.
3. Jede erlangte Erkenntnis ist also eine ungewisse Erkenntnis. Insgesamt stellt der Rationalismus also rationales DENKEN in den Vordergrund.

4. Der Empirismus könnte man dem entgegenstellen, denn hier erlangt man zu einer Erkenntnis mittels der Sinneserfahrungen.

5. Jetzt lese ich gerade einen interessanten Text von John Locke der in der Einleitung als Empirist beschrieben wird. In seinem Text schreibt er jetzt etwas von Sensation (Erkenntnis durch die Sinne) und Reflexion (Erkenntnis durch den Geist also durch nachdenken)

6. Ist es aber dann nicht so, dass er nicht dem Empirismus zugeordnet werden sollte wenn er doch auch auf den Verstand baut?

Vielen Dank!

Zu 1.:
Jeder Mensch, der ernsthaft philosophiert, hat wahrscheinlich Verständnisprobleme ...
Zu 2.:
Ja, so z.B. der Ansatz von R. DESCARTES ...
Zu 3.:
DESCARTES beispielsweise war in höchst unsicheren Zeiten auf der Suche nach Gewissheit, weshalb er in der Denkoperation des methodischen Zweifels versuchte, einen sicheren, gewissen Ausgangspunkt zu bekommen: "Cogito, ergo sum."
Allerdings war sein Zweifel nicht radikal genug, er setzte beispielsweise den Sinn von Sprache voraus - und F. NIETZSCHE erkannte, dass es eigentlich heißen müsste: "Sum, cogito ergo sum."
Zu 4.:
Ja ! Er formuliert gewissermaßen eine Gegenposition zum Rationalismus.
Zu 5.:
Möglicherweise nimmt J. LOCKE so etwas wie VERNUNFT in Anspruch, also die Fähigkeit des Menschen zur Reflexion = Selbst-Reflexion = Geist ...!?!?
Zu 6.:
Das mit den Zuordnungen (= Schubladen) innerhalb der Philosophiegeschichte ist so eine Sache für sich.
Wahrscheinlich findet man bei jedem Denker Textstellen, die eine simple Schubladen-Zuordnung frag-würdig erscheinen lassen...Was LOCKE angeht,
vermute ich, dass er eher auf die VERNUNFT als auf den Verstand baut...
Und bezüglich des Spannungsverhältnisses von Rationalis-mus und Empiris-mus hatte I. KANT in seiner Kritik der reinen Vernunft
ohnehin den Versuch einer Synthese gewagt ...
Aber auch das ist, wie immer in der Philosophie, ein weites Feld ...:schnl:
Gruß, moebius
 
AW: Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

Vielen dank, dass war sehr hilfreich. Auch vielen Dank, dass du meine Gedanken nachvollzogen hast.


Zu Kant: Ich glaube tatsächlich auch, dass er eine Brücke zwischen den Philosophierichtung gebaut hat.

Allerdings finde ich seine Idee von dem Wissen "a priori" höchst fragwürdig, Doch das ist eine andere Geschichte die ich hier im Forum schon nachlesen durfte :)

Danke nocheinmal!
 
AW: Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

Bei so einem Thema muss der Manfrd seinen Senf dazu abgeben:

Cogito ergo sum: Wir häufig übersetzt mit : Ich denke, also bin ich! Besser wäre es : Im Denken bin ich meiner Selbst absolut gewiss.

Wie kommt Descartes überhaupt darauf:

Der Ausgangspunkt ist die Forderung nach praktischer und theoretischer Gewissheit.

Bei Descartes dient der Zweifel dazu, eine absolut sichere, unbezweifelbare Erkenntnis freizulegen. Solange wir an etwas zweifeln, sollen wir es nach Descartes für falsch halten...Woran sich nur der leiseste Vedacht des Zweifels hält muss ausgeschieden werden.

Descartes Weg zum cogito verläuft in 4 Stufen:

Die 1. Stufe ist die sinnliche Wahrnehmung: hier ist Täuschung klar möglich

2. Stufe ist die leibliche Selbsterfahrung: allerdings meint Descartes dass es sein kann, dass man so intensiv träumt, dass man nicht mehr unterscheiden kann, handelt es sich um einen Traum oder um Realität...

3. Stufe:
Verstandeseinsichten: Hier setzt Descartes bei der Mathematik an... dass 1+2 3 ist, ist klar, allerdings nimmt Descartes hier noch mal an, dass es auch einen Gott geben könnte, der uns täuscht: deus malignus....so kommt er zur 4 .Stufe, wo er nun alle objektive Gewissheit verwirft, sogar Gott bezweifelt (an dieser Stelle) (später kommen bei ihm ja dann die Gottesbeweise, die uns eingeboren sind)

und nun sind wir bei cogito ergo sum angelangt...Ich kann alles bezweifeln... Gott, die Welt usw, aber nicht dass ich zweifel, also hier muss man seiner selbst absolut gewiss sein.

Stellt sich die Frage: Was bringt dieses cogito ergo sum...denn bis auf den einen Punkt, dass man nicht bezweifeln kann, dass man ist, hat man sonst keine Erkenntnis gewonnen...

in der Folge leitet Kant dann aus seiner Einsicht cogito ergo sum die beiden Substanzen res cogitans und res extensa ab....wo er entscheidende Denkfehler macht, aber das ist eine andere Geschichte...
 

Wissen über Erkenntniskategorien ?

Razor schrieb:
[...]
Zu Kant: Ich glaube tatsächlich auch,
dass er eine Brücke zwischen den Philosophierichtung gebaut hat.

Allerdings finde ich seine Idee von dem Wissen "a priori" höchst fragwürdig, ...

Noch dazu, wo Kant ja garnicht von einem "Wissen a priori" geschrieben hat,
sondern von "a priori Erkenntniskategorien"!

Aber man kann natürlich auch so tun,
als ob "Wissen" und "Erkenntniskategorie" dasselbe wäre.


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.

 
AW: Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

Hallo

Ich philosophiere gerne aber gerade habe ich Verständnisprobleme:

Ich habe den Rationalismus so verstanden, dass er alle Erkenntnisquellen abwertet, die etwas mit unseren Sinnen zu tun haben. Das bedeutet ein methodisches Zweifeln an allem. Jede erlangte Erkenntniss ist also eine ungewisse Erkenntnis. Insgesamt stellt der Rationalismus also rationales DENKEN in den Vordergrund.

Der Empirismus könnte man dem entgegenstellen, denn hier erlangt man zu einer Erkenntnis mittels der Sinneserfahrungen.

Jetzt lese ich gerade einen interessanten Text von John Locke der in der Einleitung als Empirist beschrieben wird. In seinem Text schreibt er jetzt etwas von Sensation (Erkenntnis durch die Sinne) und Reflexion (Erkenntnis durch den Geist also durch nachdenken)

Ist es aber dann nicht so, dass er nicht dem Empirismus zugeordnet werden sollte wenn er doch auch auf den Verstand baut?

Vielen Dank!

Hallo Razor!

Wie sieht die Situation bei John Locke aus erkenntnistheoretischer Sicht aus?

Locke meint, wir bewegen uns unumgänglich im Denken in Ideen. Es geht gar nicht anders. Die entscheidende Frage ist nun, wie sind die Ideen in den Geist hineingelangt und hier grenzt er sich radikal von Descartes ab. Descartes redet von eingeborenen Ideen. Das lehnt Locke ab und sagt die Ideen stammen aus sensations und reflections. Wobei die sensations die sinnliche Wahrnehmung äußerer Dinge meint und reflection die auch sinnlich gedachte Selbstwahrnehmung des Denkens.
Da wir uns nur in Ideen bewegen und aus ihnen nicht heraustreten können, ist das was Erkenntnis bedeutet im Grunde nur ein bestimmter Zusammenhang zwischen Ideen. Im Blick auf Kant sagt er, wenn die Ideen eingeboren wären, müssten sie auch bei Kindern und Idioten nachweisbar sein.
Statt von den eingeborenen Ideen (bei Kant) spricht er von Fähigkeiten mit denen wir ausgestattet sind. Auch die Idee Gottes ist nach Locke nicht eingeboren.
In allen Bereichen und auf allen Ebenen sind die Ideen erworben.

lg
Manfred
 
AW: Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

......
In allen Bereichen und auf allen Ebenen sind die Ideen erworben.

lg
Manfred

Wer hat wann welche Ideen erworben :confused::dontknow:
Und wird der Begriff der Idee im Sinne PLATON's (also philosophisch) oder psychologisch verstanden ...:verwirrt1:dontknow:
Und welches Ideen-Verständnis hatte J. LOCKE ...:confused::dontknow:

Fragen über Fragen ...:lachen::lachen::lachen:
 
AW: Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

Wer hat wann welche Ideen erworben :confused::dontknow:
Und wird der Begriff der Idee im Sinne PLATON's (also philosophisch) oder psychologisch verstanden ...:verwirrt1:dontknow:
Und welches Ideen-Verständnis hatte J. LOCKE ...:confused::dontknow:

Fragen über Fragen ...:lachen::lachen::lachen:

Hallo Möbius!

Bei Platon wird die Idee im Sinne einer objektiven Ordnungsstruktur von Wesenheiten gedacht.
Das ändert sich in der Neuzeit mit Rene Descartes, der unter Idee eine eingeborene Vorstellung des menschlichen Geistes versteht. Die Ideen Descartes haben also keine objekive Realität im Sinne einer Außenwelt, sondern wir selbst tragen die Idee zb (der extensio) an die Außenwelt heran, damit legen wir sie ihr immer schon zugrunde.

Allerdings hat der Begriff der idea innata bei Descartes eine 2fache Bedeutung:
Einerseits versteht er darunter die allgemeinsten Bedingungen jeder Erkenntnis (zb extensio) und andererseits verwendet er den Begriff auch in einem weiteren Sinn für jeglichen Inhalt des Bewusstseins überhaupt.

Auf diese Weise ist in der Neuzeit eine Revolution des Ideenbegriffs an sich, grundgelegt, die sich nicht mehr umkehren lässt, also das was Du von "philosophisch" zu "psychologisch" verstehst. Wenn sich auch die spezielle Art und Weise, was in der Folge genau unter Idee verstanden wird, differenziert, wird jedenfalls an den Ideenbegriff nicht mehr der Verstehenshorizont Platons herangetragen, der fast 2000 Jahre Gültigkeit hatte.

Dass Locke die Konzeption der eingeborenen Ideens Descartes radikal ablehnt und von sensations und reflections spricht, habe ich schon oben erwähnt.

Gut, wie sieht die Konzeption Lockes genau aus:

Locke unterscheidet die 1.)einfachen Ideen, siehe sensations und reflection (Erklärung siehe oben)und 2.)komplexe Ideen, bei denen einfache Ideen kombiniert werden. Bei den komplexen Ideen unterscheidet er in weiterer Folge
1.) die modi, 2.) die Substanzen und 3.) die Relationen

lg
Manfred
 
AW: Rationalismus und Empirismus - Bitte um Hilfe

Und nun ...:confused::dontknow:
Ich hätt' da gerne mal ein Problem ....:lachen::lachen::lachen:
 
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Unpassende Ordnungsrahmen für den Sondermüll ?

Razor schrieb:
[...] Jetzt lese ich gerade einen interessanten Text von John Locke
der in der Einleitung als Empirist beschrieben wird.
In seinem Text schreibt er jetzt etwas von Sensation (Erkenntnis durch die Sinne)
und Reflexion (Erkenntnis durch den Geist also durch nachdenken)

Ist es aber dann nicht so, dass er nicht dem Empirismus zugeordnet werden sollte
wenn er doch auch auf den Verstand baut?
Razor,
dein "Problem" ist typisch für die Hirnwixerzunft.

Da wird ein Ordnungsrahmen aufgestellt, jede Schublade fein säuberlich etikettiert,
doch dann stellt sich heraus,
dass nicht jedes einzuordnende Objekt in diesen Ordnungsrahmen hineinpasst.

Für dieses "Problem" gibt es zwei Lösungen.
Entweder man tritt den Ordnungsrahmen in die Mülltonne, weil er eben unbrauchbar ist,
oder, wenn sich der Ordnungsrahmen ansonsten als durchaus brauchbar erwiesen hat,
man nimmt zur Kenntnis, dass einige Objekte nicht nur in eine Schublade passen.

Ich zeige dir an einem Beispiel, wie solche Situationen außerhalb der Hirnwixerzunft
gehandhabt werden.

Nimm den Stadtplan irgendeiner größeren Stadt.
Da kannst du feststellen, dass als Hilfe für das Auffinden bestimmter Objekte,
die Abbildung der Stadt mit einem Netz von Koordinaten, sogenannten Planquadraten,
überzogen ist. Nun gibt es etliche Straßen und Plätze, die nicht innerhalb eines
einzigen Planquadrates liegen, sondern sich über mehrere Planquadrate erstrecken.

Ist das nun für die Macher des Stadtplanes ein Problem?

Nein, das ist kein Problem!

Die geben einfach im Index für eine solche Straße mehrer Planquadrate an,
beispielsweise, dass sie in den Planquadraten J26, J27, K28, und K29 zu finden ist.


Umgelegt auf dein "Problem" mit der Schubladisierung von Locke könnte das bedeuten,
dass Locke beispielsweise zu 55% als ein Rationalist, zu 30% als ein Empirist,
und zu 15% als ein Bigamist gilt.

Aber du kannst natürlich auch den unpassenden Ordnungsrahmen in die Mülltonne treten.


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.

 
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