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AW: Positives Denken


Hallo Binchen,


das Problem bei dem, was man als "positives Denken" bezeichnet, ist meiner Ansicht nach der Umstand, dass das negative Denken eine "conditio sine qua non" (=Bedingung, ohne die es nicht geht) ist und somit das absolute positive Denken eine Absurdität darstellt, da es eigentlich nicht möglich ist, denn das Positive wird erst in Gegenüberstellung des negativen Kontrastes (und umgekehrt) eigentlich fassbar.


Das, was wir so überaus grob als positiv und negativ bezeichnen, sind im Grunde - so jedenfalls beliebe ich anzunehmen - angenommene und absolute Ergebnisse eines langwierigen (bewusst wie unbewusst durchgeführten) Wertungsprozesses, der das Wirkliche durch und für uns prüft. Wenn man nun aber davon ausgeht, dass das Negative nicht notwendig sei und nicht mehr als eine unnütze Teufelei darstellt, vor der es Reißaus zu nehmen gilt, so begeht man womöglich eine Wirklichkeitsflucht.


Das Wirken der Umwelt wird dann nicht mehr ansich wahrgenommen, sondern alles Wirken einer fixen Vorabwertung unterzogen; alles wirkt - dieser Sichtweise folgend - somit zwangsläufig lebensbejahend. Ein solches Wirklichkeitskonstrukt kann vermutlich nur künstlich - mit großer Einbildungskraft - konstruiert bleiben. Es findet demnach eine Entfernung von der tatsächlichen Wirklichkeit statt.


Die tatsächliche Wirklichkeit wäre hierbei diejenige Wirklichkeit, die ansich wirkt und nicht schon allein durch ihr bloßes Wirken einer Wertung unterliegt.


Sicherlich ist es schön, wenn man positive Gedanken hegen, lebensbejahende Einstellungen und Sichtweisen pflegen kann. Das aber ist - meiner Vermutung folgend - eine Frage der Art und Weise, wie wir zu unseren letztendlichen Ergebnissen (positiv/negativ) gelangen; der Wertungsprozess - und eben die hauptsächliche Verlaufsform dieses Prozesses - könnte es auch sein, welcher einen Menschen als Optimisten oder Pessimisten erscheinen lässt.


Zum Abschluss: "positives Denken" ist als Ideologie von dem zu unterscheiden, was bloßes "Mutmachen" oder "Aufmuntern" anbetrifft. Hier haben wir es mit wichtigen (zwischenmenschlichen) Anregungen zu tun, die einem Menschen - beispielsweise in einer für ihn schwierigen, stagnativen Situation - zu neuer Motivation verhelfen können. Auch kann es die Fähigkeit beschreiben, selbst in sehr lebensfeindlichen und scheinbar ausweglosen Situationen einen (wenn auch nur kurzfristigen) Perspektivenwechsel vorzunehmen, ohne dabei aber zugleich den vorherigen Blickwinkel zu verdrängen; Wirklichkeiten somit vielschichtig wahrnehmen und werten zu können, und zwar gegebenenfalls auch konträr.


Beste Grüße,


Philipp


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