AW: papstrede im bundestag
Nun, ich hatte mehrfach - erfolglos - versucht, aus dem Text der Papstrede eine Diskussion über gesellschaftliche Irrtümer und deren Folgen, sowie vielleicht Verbesserungsvorschläge zu entfachen.
Es blieb bei der Betrachtung des Papstes als Unperson. Er wurde dabei zumeist als Synonym für die geschichtlichen Altlasten der Kirche schlechthin gesehen.
Eigentlich war es mir egal, wer diesen Text verlesen hatte: er enthielt - sehr grob - m.E. wertvolle Gesellschaftskritik. Aber lassen wir das. Die Person des Papstes selber zu betrachten, wird vielerlei Emotionen auslösen, da an diesem Amt, dieser Machtposition und dem sie verkörpernden Menschen eine Menge an Assoziationen entsteht.
Hierzu möchte ich nur eine Anmerkung machen:
Katholizismus habe ich als ursprünglich evangelisch getaufter , aber lange nicht mehr gläubiger Mensch immer als dogmatisch, in Ritualen erstarrt erlebt.
Gleichzeitig haben mich Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen unter katholischen Ritualen immer durch die perfekte show fasziniert. Allein die vielen Mitspieler bei den Zeremonien, ihre Kleidung, die vielen rituellen Gegenstände fand ich grandios. Niemals hätte ich damit etwa ernsthafte Glaubenstiefe, echte Askese, echte Frömmigkeit, Toleranz, Weltoffenheit oder gar Anregung zu einer Abkehr von Haß, Krieg, Aggression gegen Andere verbunden. Nein, so, wie ich das erlebte, gehörte dieser ungeheure Kirchenraum, die Bilder, Figuren, bunten Fenster, die Orgelklänge, die christliche Musik und all die feierlichen Rituale des Katholizismus zu einer wirksamen show, die in weitgehend europäischem Sinne Meditation ermöglichen konnte, das Eintauchen in eine immaterielle Welt der Märchen.
Auch katholische Freunde, die im normalen Umgang miteinander genauso erschienen, wie wir evangelisch getauften, überraschten mich dann, wenn die Situation es ergab ungeheuer. Ich verbrachte vor einigen Jahren einige Tage mit einem Freund in Amsterdam, um dort alte Schallplatten zu kaufen.
Der Freund war regelmäßiger Gast dort und kannte sich aus. Ich folgte seinen Vorschlägen bis hin in die Zeijlstraat, wo er mir den Amsterdamer Puff zeigen wollte. Das verblüffte mich ungemein, aber gut, dachte ich, wahrscheinlich ein klassisches Territorium Amsterdams. Als wir am nächsten Tag wieder durch die Altstadt streiften, führte er mich dann in das ehemalige Beginenkloster - mitten in der Stadt. Wir gelangten durch einen Toreingang in einen von alten Häuserzeilen umsäumten Park mit alten Bäumen. Am Ende des Parks, in der Nähe des Ausgangs öffnete mein Freund plötzlich eine alte Holztür eines kleinen, unscheinbaren Vorbaues, und wir standen in einer kleinen Kapelle, mit Bänken, Bildern an den Wänden und hunderten angezündeter Kerzen. Der Freund zündete selber eine Kerze an, dann kniete er in einer Bank nieder und schien dort zu beten. Nach ein paar Schweigeminuten, die ich etwas verwirrt als Exoticum empfand, verließen wir die Kapelle und der Menschenstrom der Großstadt nahm uns wieder in sich auf:
In evangelischen Kirchen erlebe bzws. erlebte ich jeweils eine beunruhigende Stille, relativ kahle Wände, einen Pastor der viel unverständliches Zeug redete
und immer hatte ich das Gefühl, das alles viel zu lang dauerte und langweilig war. Die evangleischen Kirchen sind meist leer bie auf ein paar hardcore-Fromme, die stickum und in sich gekehrt jede Andacht ertragen. Sie wirken nicht froh, eher ernüchternd.
Dieser Unterschied macht m.E. die beiden christlichen Kirchen aus. Da wundert es mich nicht, wenn der Papst den Katholizismus in all seiner besonderen Spielbreite mit all den wunderbaren show-Effekten rein halten will von dem langweiligen evangelischen und eher bedrohlichen ökumenischen Schlichtgehabe. Die Kirche wäre ohne die show schon längst entvölkert, denke ich.
War jetzt ein bisßchen lang, aber ich hoffe, hier passte es her.
Perivisor