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AW: Natur, Mensch, Evolution


Hallo pablo & xcrypto,


also Ihr habt ja eine Produktivität, die ist schwindelerregend - und führt zu einer Diskussion auf höchstem Niveau. Respekt!


Falls Ihr gestattet (habe die Beiträge nach dem zitierten hier auch gelesen :)), möchte ich etwas zusammenfassenden und verallgemeinernden "Senf" dazugeben. Ich mache das anhand dieses Beitrages von Pablo, weil hier in Überschriftsform wichtige Grundaspekte stehen.

Aber zunächst etwas Physik:

Physik deshalb, weil Eure Konzeptionen sozusagen Fortsetzungen des fundamentalen Physikerstreites über die Folgen der Quantenphysik sind:


Pablo:

Intelligenz war schon vor dem Leben da, war Voraussetzung für seine Entstehung.

Übersetzt in Physik:

Ein Ur-Bewusstsein, rätselhafte Fernwirkungen zwischen Materieteilchen, PSI-Felder (o.ä.) sind die Basis (die Matrix) für die Materieteilchen, die wir kennen,  folglich für "unsere Materiegeschichte".

Vertreter: Bohr, Capra, Laszlo... 50%pispezi* :)


xcrypto:

Leben ist aus der "Ursuppe" gelöster organischer Moleküle zumindest unter Beteiligung des Zufalls, gemäß den Naturgesetzen entstanden.

Dieses hat dann, als "emergente Eigenschaft", Intelligentz, Geist, Bewusstsein  hervorgebracht.

Übersetzt in Physik:

Primär sind die Elementarteilchen, die aus dem Urknall hervorgegangen sind. Sie haben keine Fern-Wechselwirkungen miteinander (Lokalitätsprinzip), einen echten Zufall gibt es nicht. Das ist klassische Physik. "Gott würfelt nicht."

Vertreter: Einstein, Bohm... 100%Benjamin, 50%pispezi* :)

 

*Ich weiß nicht genau, bin am grübeln - nach wie vor.


Aber nun detaillierter:




Stuart Kaufmann ("Der Öltropfen im Wasser", Piper) hat eine streng chemische Entstehung von Leben nach dem Ursuppenprinzip als hochwahrscheinlich dargestellt, falls in einer Ursuppe die chemische Diversität sehr groß wird. Das bedeutet, wenn sehr viele Molekülsorten da sind (die können "anorganisch" entstehen, das ist nachgewiesen), steigt die Zahl möglicher Reaktionen zwischen ihnen astronomisch an. Wenn nun in so einem Reaktionsnetzwerk die einen Moleküle Reaktionen anderer Moleküle katalysieren (stark beschleunigen) können, dann bildet sich ein stabiles, selbsterhaltendes Netzwerk von Reaktionen aus.

Jetzt brauchen wir "nur noch" eine teildurchlässige(!) Membran, die so ein System räumlich trennt, und die erste Zelle liegt vor. So eine Membran kann durch Ausfällen gewisser organischer Moleküle entstehen, wie ebenfalls bewiesen wurde.

Wird so eine Zelle zu groß, zerreißt sie, und an der Rissfläche wird neue Membran gebildet (durch Ausfällung).

Damit haben wir:

* stabiles inneres Milieu = Identität

* selektiver Molekülaustauch durch Membranporen = Stoffwechsel

* Abgrenzung nach außen = Individualität

* Vermehrung = identische Reproduktion

also Leben.

Hier spielt der Zufall insofern eine Rolle, als die ursprüngliche Zusammensetzung der Ursuppe nicht vorhersagbar ist. Auch werden sich auf diese Weise viele unterschiedlioche Reaktionsnetzwerke bilden, deren Träger irgendwann einander begegnen werden und zu Konkurrenten werden = Selektion.

Zusammenfassung:

In diesem Szenario ist der Zufall beteiligt, aber die Lebensentstehung ist da eher zwangsläufig als unwahrscheinlich.

Diese Idee könnte für xcrypto interessant sein, denke ich.




Eine Lebensentstehung unter "Intelligenzbeteiligung" (wie die auch immer aussieht) müsste man annehmen, wenn sich der Weg durch die Ursuppe nicht als gangbar erweist.

Dies würde wohl Pablo meinen:


Aber hier bin ich mehr auf Seiten der klassischen Physik, weil sich z.B. die Unterscheidung innen/außen mit der obigen Theorie zwanglos erklären lässt.




Pablo:




Mutation/Selektion ist der "klassische" Standpunkt, der mit Argumenten, wie dem obigen häufig erfolgreich angegriffen wird.

Nun hat aber ein sexuell vermehrtes Wesen neben der "Punktmutation" noch ein anderes, sehr effizientes Variationsprinzip zur Verfügung:

 

Neukombination der Gene zwischen den Partnern! Das muss bedacht werden, insbesondere gegenüber dem (richtigen) Argument, dass Mutationen bei höheren Organismen fast immer tödlich oder wenigstens schlecht sind.

Es gibt aber auch neutrale Mutationen, und die Gene, auf denen sie sitzen, können zur Variabilität der Art viel beitragen


Trotzdem ist hier ein Punkt, wo ich eher Pablos Meinung zuneige, dass die klassischen Wege nicht ganz ausreichen könnten, um all die verschiedenen Seltsamkeiten, die wir in der Biosphäre vorfinden, zu erklären.

Man könnte also sagen, es gibt "in der PSI-Matrix" - oder wo auch immer - ein kanalisierendes, koordinierendes "Prinzip". Ob das nachher "Software" oder "Geist" oder gar "Gott" heißen sollte, ist offen.

Das scheint auch die Quantenphysik nahezulegen, eben durch die Feststellung von instantanen Fernwirkungen zwischen Elementarteilchen. Für diese Fernwirkungen müsste es irgeneinen "Träger" geben - ebenjene "Geist-Matrix", die Pablo meinen könnte.




Hier kann man nun wieder mit der klassischen Vorstellung von Chemie/Physik recht weit kommen.

Der Evolutionsforscher Manferd Eigen (Max-Planck-Institut München) und seine Gruppe haben detaillierte Simulationen zur Bildung biologischer Strukturen auf der Basis sehr einfacher Reaktions-Diffusionsmodelle durchgeführt.

Dabei wurden faszinierende Resultate erzielt.

Das geht etwa so:

Bestimmte Stoffe können in sich teilenden Zellen einzelne Gene an-oder ausschalten, die wiederum Bedeutung für die Aktivität anderer Gene haben.

Sobald der wachsende Zellhaufen vermöge seiner zunehmenden Größe eine äußere Grenzfläche und ein "Innen" hat, liegen da verschiedene chemische Milieus vor und es werden nicht in allen Zellen dieselben Gene aktiviert. Dadurch wird es möglich, dass Zellen mit demselben Genom sich trotzdem differenzieren. Dass dies wirklich so ist, haben Stammzellforschungen gezeigt, bei denen man auf rein biochemischem Weg Zellen verschiedener Organe erzeugt hat.

Differenzierte Zellen senden nun auch unterschiedliche Stoffwechselprodukte aus, die jetzt im/am Fötus entlang diffundieren. Dadurch entstehen Konzentrationsgradienten gewisser, auf die Gene einwirkender Substanzen, d.h. die Zelldifferenzierung wird ortsabhängig verschieden gesteuert.


Ein sehr gutes Übersichtsbuch hierzu kann ich Euch zuletzt noch empfehlen:


"Ordnung aus dem Chaos", Bernd-Olaf Küppers, Piper 1987


LG, pispezi :zauberer2


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