AW: Mein Gottesbild
Das ist ja dein gutes Recht, dieser Meinung zu sein. Es bleibt allerdings nur eine Meinung und bildet aufgrundessen noch lang keine Tatsache. Überlege dir mal die Konsequenzen dieser Vorstellung, die ja - wenn man knickerig ist - schon eine Beleidigung darstellt.
Ich glaube nicht an einen Gott - habe ich jetzt keine Moral? Kannst vor allem du beurteilen, dass ich keine Moral besitze? Kannst du das für jeden "Gottlosen" beurteilen? Merkst du, wie herablassend und arrogant diese Aussage ist?
Gleichzeitig stellt sie darauf ab, dass Menschen per se unmündig seien. Braucht der Mensch wirklich jemanden, der ihm sagt, was er zu tun und zu lassen hat? Jemanden, der im Zweifelsfalle mit dem Finger auf dich zeigt und sagt: "Zeili, das war böse, jetzt verdienst du eine Strafe!" Ist das deine Vorstellung von selbstbestimmten, freien und mündigen Menschen?
Ich möchte so jedenfalls nicht leben. Und ich kann nicht nachvollziehen, warum gerade Gläubige gegenüber Ungläubigen eine Moral besitzen sollen. Sind wir Gottlosen zu blöd dafür? Wie sieht denn diese Moral deiner Meinung nach aus, die uns fehlt? Und woher weißt du, dass sie uns fehlt?
Ist der gläubige Pfarrer, der sich erst mal wieder an seinen Ministranten vergangen hat, besser als Gottlose, die ja im Gegensatz zum Pfarrer laut dir keine Moral haben?Wir handeln deiner Meinung nach also nur durch Gott? Es wird ja immer schlimmer, was du sagst. Meine Erziehung haben jedenfalls meine Eltern übernommen und kein fiktiver Märchenonkel. Wenn ich etwas tue, ist das - Reflex-, unterbewusste und zwanghafte Handlungen mal ausgenommen - ein Ausdruck meines eigenen, freien Willens. Dafür habe ich natürlich im Gegenzug auch eventuelle Konsequenzen meines Handelns zu tragen.
Was heißt denn Moral? Doch nichts anderes als ein - freilich differierender - Wertekanon jedes Einzelnen. Wenn du jetzt also sagst, ich hätte als Gottloser keine Moral, könnte gar keine Moral besitzen, hätte ich folglich ja deiner Meinung nach keinerlei Werte. Und trotzdem behaupte ich als Gottloser mal ganz frech, dass ich nichtsdestotrotz welche habe.Ich habe mir erst gestern wieder von meiner Freundin erklären lassen, dass biologisch keinen Unterschied zwischen Menschen und Tieren gibt. Beide sind Eukaryoten, haben eine flexible Zellwand, ein Endoplasmatisches Retikulum, Mitochondrien etc.
Ob Tiere nicht auch eine Art von Moral haben, müsste man, denke ich, tierspezifisch untersuchen. Aber wieso bestatten Elefanten ihre Toten? Wieso gibt es Affen, die rein monogam leben und wieder andere, die polygam leben und sich für eine Banane teilweise prostituieren?
Sicher gibt es viele Menschen - ich behaupte mal, es ist sogar die überwiegende Mehrheit -, die sich dagegen streuben, sich als Tiere zu sehen, aber nichts anderes sind wir. Nur dass wir uns andauernd für intelligenter halten als Tiere.Das ist doch utopisch. Selbst wir beide kommen nicht auf einen Nenner. Wenn alle sich auf einen Minimalkonsens verständigen würden, wäre das ganze doch nicht besser, sondern eher schlechter, da alle ein Stück ihrer Freiheit für... (ja für was denn überhaupt?) abgegeben haben. Nein, jeder sollte seine Moralvorstellungen behalten dürfen. Nur in Ausnahmefällen muss das Gemeinwesen krasse Verhaltensweisen sanktionieren.